Geburtshilfe im Schweinestall: Alltag einer Junglandwirtin
Die meisten Landwirte in Norddeutschland wissen nicht, ob sie einen Nachfolger für ihren Hof finden. Für Junglandwirtin Lena Westerhoff aus Niedersachsen hingegen ist ihr Job ein Traumberuf.
Morgens um 6.30 Uhr steht Lena Westerhoff bereits inmitten von Schweinen. Es ist Arbeitsbeginn auf dem Hof ihrer Eltern in Vechta. Mehrere Zuchtsauen haben gerade abgeferkelt, so nennt man den Geburtsvorgang. Pro Wurf sollten es bis zu 14 Ferkel sein. Doch neben einer Zuchtsau liegt erst ein einziges. "Eigentlich kommt alle 20 Minuten das nächste", erklärt die Junglandwirtin. "Jetzt ist also Geburtshilfe angesagt". Die 27-Jährige zieht einen armlangen Plastik-Handschuh an, beugt sich auf allen Vieren über die Sau und zieht behutsam ein weiteres Ferkel gesund hervor. "Dass mal ein Ferkel querliegt, kann jedem passieren, das kann keiner verhindern", sagt Westerhoff pragmatisch und eilt weiter.
Immer mehr Aufgaben im Betrieb
Denn auf dem Hof warten täglich viele Aufgaben auf sie. Mehr als 7.000 Ferkel kommen hier jedes Jahr zur Welt, nach etwa sechs Monaten werden die ausgewachsenen Mastschweine zum Schlachten abgeholt. Neben der Tierhaltung muss Lena Westerhoff den Getreide- und Maisanbau auf rund 100 Hektar Ackerfläche im Blick behalten. "Wir haben hier ziemlich sandige Böden, die nicht so ertragreich sind", erklärt die Landwirtin. Keine hohe Qualität wie sie für Brotmehl erforderlich ist, aber als Tierfutter lässt sich die Ernte gut nutzen.
Mit dem Radlader rollt sie routiniert über das Gelände und transportiert Tierfutter mit der Baggerschaufel zum Stall. Dann geht’s ins Büro, einem kleinen Zimmer im Haus ihrer Eltern. Rund ein Viertel der Arbeitszeit hat die Junglandwirtin mit der Dokumentation zu tun: Tierzahlen, Medikamenteneinsatz, Düngemittelnutzung. Dazu kommt Futter bestellen, Rechnungen schreiben - und sämtliche Vorschriften für Landwirte im Blick behalten. "Jedes Jahr gibt es wieder irgendwelche Änderungen bei Verordnungen", sagt Westerhoff. Das bedeute Unsicherheit für Betriebe wie den ihren.
Juniorchefin auf dem elterlichen Hof
Vor vier Jahren ist die gelernte Landwirtschaftsmeisterin beim elterlichen Hof als Juniorchefin eingestiegen. Noch teilt sie sich die Arbeit mit ihrem Vater, der 57 Jahre alt ist. Heinz-Georg Feldhaus war überrascht und froh, dass sich eine seiner drei Töchter für die Landwirtschaft interessiert. "Als Eltern haben wir unseren Kindern nie gesagt, dass sie mal den Hof übernehmen sollen", erzählt er beim gemeinsamen Mittagessen.
Am Tisch sitzt auch Lenas jüngere Schwester Tina Feldhaus, die im Nachbarort wohnt und seit zwei Jahren als Erzieherin in einer Kinderkrippe arbeitet. Für sie war immer klar: Landwirtschaft, nein danke! "Das schlimmste sind für mich die Arbeitszeiten auf dem Hof. Man hat eigentlich nie Feierabend, muss immer in Alarmbereitschaft sein und jederzeit arbeiten können", sagt sie. Samstag und Sonntag inklusive.
Statistik: Hofnachfolge oft ungeklärt
Das ist auch ein Grund dafür, dass bei den meisten Landwirtschaftsbetrieben die Hofnachfolge nicht geklärt ist. Alle zehn Jahre befragt das Statistische Bundesamt in der Landwirtschaftszählung Betriebsleiter in ganz Deutschland, ob sie davon ausgehen, dass sie einen Nachfolger finden. Zuletzt glaubten das im Jahr 2020 in Niedersachsen nur rund 37 Prozent. Ähnliche Zahlen gibt es überall im Norden: In Schleswig-Holstein gingen rund 35 Prozent von einer gesicherten Nachfolge aus, in Mecklenburg-Vorpommern 30 Prozent und in Hamburg 29 Prozent.
Umso mehr freut sich Heinz-Georg Feldhaus, dass sich seine Tochter Lena für die Landwirtschaft entschieden hat - anders, als bei anderen Höfen in der Umgebung: "Da gibt es viele Betriebe, die keinen Nachfolger haben. Die arbeiten dann eben noch so lange, bis sie in Rente gehen und hören dann auf."
Nordsee-Wochenende zur Entspannung
Zurück im Schweinestall: Lena Westerhoff untersucht die tragenden Zuchtsauen mit einem Ultraschallgerät. Allen Tieren scheint es gut zu gehen. Noch teilt sich die Junglandwirtin die Verantwortung für Hunderte Schweine und den Familienbetrieb mit ihrem Vater. "Es ist toll, dass man sich zu zweit abstimmen kann und nicht alles selbst entscheiden muss", sagt sie.
Aber irgendwann wird sie allein verantwortlich sein. Und was ist dann mit Freizeit und Urlaub? "Ich bin schon zufrieden, wenn ich mal ein Wochenende an die Nordsee fahren kann. Sonntags freue ich mich dann, zu Hause wieder nach den Tieren zu sehen", sagt sie und fügt lachend hinzu: "Zwei Wochen im Sommer nach Mallorca ist sowieso nichts für mich. Da kriege ich mit meiner hellen Haut nur Sonnenbrand."