Wie der Hof Hartmann die Artenvielfalt fördert
Die Artenvielfalt geht in Deutschland langsam, aber stetig zurück. Vor allem die konventionelle Landwirtschaft verhindert den Fortbestand verschiedener Pflanzen- und Tierarten. Welche Wege gibt es, um Landwirtschaft und Artenvielfalt in Einklang zu bringen? Diese Frage beschäftigt Forscher und Landwirte im deutschlandweiten F.R.A.N.Z.-Projekt, der Initiative "Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft".
Auf zehn Bauernhöfen werden bei dem Projekt Maßnahmen erprobt, die die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft erhalten und erhöhen sollen. Einer dieser Höfe befindet sich am Rande der Lüneburger Heide - im Lüneburger Stadtteil Rettmer. Vor etwa zehn Tagen hat Jochen Hartmann hier ein 16 Hektar großes Getreidefeld abgeerntet. Übriggeblieben ist ein wild bewuchertes Quadrat in der Mitte des Feldes.
Hartmann hat dort - auf einer Fläche von 40 mal 40 Metern - nicht Getreide gesät, sondern Erbsen. "Es ist eine eher unscheinbare Maßnahme, aber sehr interessant für die Feldlerche", erklärt der Landwirt. Die Erbsen in diesem "Fenster" werden nicht geerntet, sondern dienen als Futter für Vögel und andere Wildtiere.
Zum Beispiel für Niederwild: Keine fünf Meter vor den Füßen des Landwirts raschelt es im Gestrüpp - ein Hase macht sich aus dem Staub. Für Vögel sei sein "wildes Erbsenfeld" auf dem Acker auch deshalb so interessant, weil sie dort gut landen und brüten könnten.
Viel Wirkung auf möglichst wenig Fläche
Hartmann führt den Bauernhof in der 19. Generation. Seiner Landwirtschaft bringe so ein Vogelparadies mitten im Feld auf den ersten Blick nicht viel, sagt er, bevor er ein "Aber" hinterherschiebt: "Jedes Tier, jeder Vogel hat irgendwie in der Natur einen Nutzen, den wir noch gar nicht richtig kennen."
Ein wirtschaftlicher Schaden entsteht Hartmann nicht, wenn er für die Feldlerche auf 1.600 Quadratmeter Anbaufläche verzichtet. In dem Artenvielfalt-Projekt, getragen vom Deutschen Bauernverband und der Michael-Otto-Stiftung für Umweltschutz, werden die Landwirte für ihre Experimentierfreudigkeit entschädigt.
Björn Rohloff von der niedersächsischen Stiftung Kulturlandpflege unterstützt den Hof bei dem Projekt. Er verdeutlicht die Vorgehensweise mit den zehn teilnehmenden Höfen: "Fläche ist ja nicht unendlich vermehrbar. Deswegen versuchen wir im F.R.A.N.Z.-Projekt Maßnahmen zu entwickeln, die auf möglichst wenig Fläche viel Wirkung erzielen. Sie müssen zudem für den Landwirt praktikabel und für die Gemeinschaft bezahlbar sein."
Der Marienkäfer soll sich heimisch fühlen
Solche Maßnahmen testet der Landwirt Hartmann auf ganz verschiedene Art und Weise. Von der Freifläche für die Vögel geht es einige Schritte über die abgeernteten Getreidestiele zu einem Kartoffelfeld. Am Wegesrand hat Hartmann im vergangenen Jahr auf 200 Quadratmetern den Nährboden abgetragen - und dann auf den dadurch freigewordenen nährstoffärmeren Schichten mehr als 30 heimische Pflanzen und Kräuter gesät.
"Mein Ziel ist es auch, dass wir wirklich die Nützlinge fördern: die Schwebfliegen oder die Marienkäfer. Der zum Beispiel braucht solche Rückzugsorte auch, um dort zu überwintern." Der Marienkäfer solle sich auf seinen Flächen heimisch fühlen und zum Beispiel Läuse in Schach halten, so der Wunsch des Landwirts.
Umdenken auf einem konventionellen Hof
Der Plan scheint aufzugehen: Viele Insekten tummeln sich auf blauen, weißen und gelben Blüten. Trotzdem arbeitet Hartmann weiter konventionell. Ganz ohne Pflanzenschutzmittel gehe es nicht, meint er: "Wir setzen Pflanzenschutz ein, das ist richtig. Aber es ist schon interessant, wie man sich in so einem Projekt verändert. Dass man einfach auch sagt: Mensch, das Insektizid lasse ich jetzt weg. Denn ich sehe die Nützlinge dort, toleriere auch mal einen Minderertrag."
Auch konventionelle Bauern könnten eine umweltverträgliche Landwirtschaft betreiben. Das wolle er zeigen, sagt Hartmann. Noch acht weitere Jahre wird der Lüneburger auf seinen Flächen versuchen, die Biodiversität zu fördern. Erst dann könnten auch die Forscher sagen, wie erfolgreich Blühstreifen, Erbsenfenster und andere Maßnahmen in der konventionellen Landwirtschaft sein können.