Wendland: Immobilienkonzern lässt Mehrfamilienhäuser verkommen

Stand: 31.01.2024 21:38 Uhr

In Dannenberg sind die Bewohner einiger Wohnblöcke seit Monaten besorgt: Schon vor Weihnachten drohte der Energieversorger, den Strom abzuschalten. Jetzt ist der Immobilieninvestor Omega AG pleite.

von Regina Hamborg

51 Jahre wohnt Susanne Garske in einem der Wohnhäuser in Dannenberg. "Ich habe 40 Jahre gut gewohnt, dann wurden wir das erste Mal verkauft. Danach ging es nur noch bergab." Vor Weihnachten wollte der Energieversorger bereits den Strom abstellen - wegen Brandgefahr. Der Vermieter versprach seiner Sanierungspflicht nachzukommen. Die Stromkästen in den Wohnungen stammen noch aus der Bauphase der Häuser in den 1950er-Jahren. Die stoffummantelten Leitungen sind so spröde, wenige mechanische Bewegungen könnten zu einem Kurzschluss und einem Brand hinter der Zählertafel führen, befürchtet Michael Scholz, Geschäftsführer der EVE EnergieVersorgung Elbtalaue GmbH.

Ein Mehrfamilienhaus © Regina Hamborg Foto: Regina Hamborg
Die Installation stammt noch aus der Bauphase in den 50er-Jahren.
Immobilien auch in Mecklenburg-Vorpommern betroffen

Jetzt sind alle ratlos. Denn durch die Insolvenz fehlt ein Ansprechpartner für die notwendigen Sanierungen. Hinter der Omega AG steckt ein von außen nur schwer durchschaubares Firmengeflecht. "Die Omega AG ist die Holdinggesellschaft einer Unternehmensgruppe, zu der Mitte des vergangenen Jahres noch 70 Gesellschaften angehört haben", sagt der vorläufige Insolvenzverwalter Matthias Hofmann aus München. In den von ihm betreuten Insolvenzverfahren sind Immobilienbestände in Stralsund betroffen, außerdem in Worms und Mainz in Rheinland-Pfalz.

"Wir haben momentan keinen erreichbaren Ansprechpartner"

Im Fall von Dannenberg sei eine Uranus Wohnen GmbH Eigentümerin, in der Konzernstruktur der Omega-Unternehmensgruppe drei Ebenen unter der Omega AG selbst. "Wir hatten teilweise mit der Omega AG oder mit der Omega Property AG zu tun, also mit wechselnden Gesellschaftern, aber meiner Meinung nach ist das immer noch die Uranus GmbH. Wir haben momentan keinen erreichbaren Ansprechpartner", sagt Michael Scholz von der EnergieVersorgung Elbtalaue.

Werden die Mieter in Dannenberg bald obdachlos sein?

Das zu verhindern, ist das gemeinsame Ziel des Netzbetreibers und des ehrenamtlichen Bürgermeisters von Dannenberg Kurt Behning (CDU). Gemeinsam mit Landkreis und Samtgemeinde Elbtalaue soll eine Zwischenlösung her. "Geplant sind zentrale Zähleranschlussstellen, die außen an den Grundstücksgrenzen an die Hausanschlussleitungen angeschlossen werden."

Elke Lehnert Susanne Garske sitzen im Wohnzimmer. © Regina Hamborg Foto: Regina Hamborg
Die Nachbarinnen Elke Lehnert (links) und Susanne Garske wollen nicht aufgeben im Kampf um ihre Wohnungen.
Auch in Dannenberg fehlt bezahlbarer Wohnraum

Dann müssten Mitarbeiter des Energieversorgers nicht durch Anfassen der maroden Hauszähler in Gefahr gebracht werden. Die Kommune nimmt dafür schätzungsweise 25.000 Euro in die Hand und geht damit in Vorleistung. Fraglich, ob sie das Geld wiedersieht. Bei der Omega AG sollen 350 Millionen Euro Schulden aufgelaufen sein. Doch für die Kommune bleibt kaum eine Wahl: "Die Gefahr der Obdachlosigkeit besteht natürlich und die Stadt Dannenberg und auch die Samtgemeinde Elbtalaue als Gefahrenabwehrbehörde haben nicht die Möglichkeit, diese Menge an Menschen adäquat unterzubringen." Sprich: Auch in Dannenberg fehlt bezahlbarer Wohnraum.

Was können die verzweifelten Mieterinnen und Mieter tun?

Im Gespräch mit dem Bürgermeister haben Susanne Garske und ihre Nachbarin Elke Lehnert erfahren, dass sie sich in solchen Fällen längst hätten an die Bauaufsichtsbehörde des Landkreises wenden und auf die Mängel aufmerksam machen können. Susanne Garske lässt sich jetzt anwaltlich vertreten. Auf Anraten ihrer Anwältin hat sie ihre Miete mittlerweile um 25 Prozent gekürzt. Ihre Nachbarin ist entrüstet, wie der Immobilienkonzern mit den Mietern in Dannenberg umgesprungen ist. "Ich kann nur allen raten in den anderen Großstädten, die in der gleichen Situation sind wie wir, wehrt Euch!", sagt Elke Lehnert.

Gemeinsam hoffen sie nun auf die Zwischenlösung. Für die Mieter sind die schlaflosen Nächte damit nicht vorbei, denn der nervenaufreibende Prozess um den Sanierungsstau in ihren Häusern ist noch lange nicht vom Tisch.

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