Obdachloser findet endlich Wohnung - nach 36 Jahren auf der Straße
36 Jahre hat Joachim Weber auf der Straße gelebt, bevor er im April 2023 seine erste eigene Wohnung in Hannover-Ahlem findet. Warum ist sein Leben so verlaufen und wie blickt er heute darauf zurück?
Weber wächst in Velbert im Landkreis Mettmann in Nordrhein-Westfalen auf. Sein Vater ist Alkoholiker und wird im Suff immer wieder gewalttätig gegen seine Kinder. Deswegen verschwindet der kleine Joachim immer wieder von zu Hause, schwänzt die Schule und kommt mit etwa acht Jahren ins Kinder- und Jugendheim. Dort lebt er, bis er 18 Jahre alt ist. Seine Familie besucht ihn in der Zeit im Heim nicht ein einziges Mal. Sobald Joachim volljährig ist, bricht er auf - und ist 36 Jahre obdachlos.
"Ich würde das nicht noch mal so machen"
"Wenn ich jetzt zurückdenke, sage ich mir: Ich hätte auf meinen Heimleiter hören sollen", so Weber. Der hatte ihm damals gesagt: "Joachim, wir helfen dir und suchen dir eine Ausbildung. Wir suchen dir eine Wohnung. Bleib hier!" Aber Joachim wollte nicht: "Ich habe mit meinem Dickkopf damals gedacht: Jetzt bin ich 18 und ich kann tun und lassen, was ich will - und ich will auf eigenen Beinen stehen." Inzwischen denkt er ganz anders darüber: "Heute sage ich mir: Ich würde das nicht noch mal so machen."
Pizza und Kaffee, aber auch viele Beschimpfungen
Nach dem Auszug aus dem Heim lebt Joachim Weber auf der Straße. Mit einem Fahrrad und seinem Schlafsack ist er in ganz Deutschland unterwegs. Immer wieder auch in Hannover, sein Stammquartier ist in der Altstadt. "Es gab immer Leute, die sehr nett zu mir waren und mir mal ein Stück Pizza oder einen Kaffee gegeben haben", erinnert sich Weber.
Aber er trifft in dieser Zeit auch auf andere Menschen: "Es gibt auch Leute, die Obdachlose in so einer Situation auch noch beschimpfen: 'Scheiß Obdachloser, geh' arbeiten, du faules Schwein!'" Dafür hat Weber kein Verständnis: "Man kann sich doch ganz normal mit uns unterhalten. Wir sind keine Unmenschen, nur weil wir auf der Straße leben."
In Hannover findet er den Weg ins bürgerliche Leben
Bei einem seiner Aufenthalte in der Landeshauptstadt lernt Weber das Straßenmagazin "Asphalt" kennen. Obdachlose und andere von Armut betroffene Menschen können diese Zeitung für einen geringen Preis kaufen und dann weiterverkaufen. So verdienen sie sich etwas dazu, kommen mit Menschen ins Gespräch und haben wieder eine Aufgabe. Außerdem helfen ihnen die Sozialarbeiter des Projekts bei Formularen und Behördengängen.
Nach etwa einem Jahr regelmäßiger Arbeit bei "Asphalt" zieht Joachim Weber in ein Wohnprojekt für Obdachlose. Von dort bewirbt er sich auf dem regulären Wohnungsmarkt.
Ein Wunsch an Vermieter
Joachim Weber hat Glück und bekommt eine Chance. "Mein Vermieter war am Anfang auch skeptisch", sagt er. Aber dann habe er sich mit ihm unterhalten und ihn in seiner Übergangswohnung besucht und gesehen, wie ordentlich der frühere Obdachlose ist. "Als Vermieter sollte man nicht direkt sagen: 'Nein, wir nehmen keinen Obdachlosen.' Man muss sich doch erstmal mit dem Obdachlosen unterhalten, den erst mal kennenlernen", sagt Weber. Und dann könne man im Zweifel immer noch sagen: "Das passt nicht!"
Aber sein Vermieter hat gesagt: "Das passt." Manchmal dauert's eben etwas länger - und manchmal sogar 36 Jahre.