Familie fotografiert sich seit fast 50 Jahren vor Wahlplakaten
Familie Riese aus Gehrden (Region Hannover) fotografiert sich seit 1976 vor jeder Bundestagswahl vor den Wahlplakaten der Spitzenkandidaten. Politische Ereignisse in Deutschland sind seitdem eng mit ihrer eigenen Familiengeschichte verwoben.
Eine kleine Küche in Lenthe, einer Ortschaft von Gehrden in der Region Hannover. Rechts am Tisch Barbara Riese, links ihr Mann Bernhard. Auf dem Küchentisch eine alte Fotokamera aus dem Jahr 1973. Die holen sie nur zu besonderen Anlässen raus. Und genau so einer ist heute. Denn immer ein paar Tage vor der Bundestagswahl kommt die Kamera zum Einsatz und ihre gesamte Familie zusammen.
1976: Eine Fotoserie wird geboren
Dieses besondere Fotoritual begann im September 1976 durch eine spontane Idee von Bernhard Riese. Wenn der 87-Jährige davon erzählt, funkeln seine Augen so wach, als ob es erst gestern passiert wäre: Er und seine Familie sind in ihrem weißen VW-Käfer unterwegs in Hannover, als sein Blick auf der Badenstedter Straße plötzlich auf die beiden riesigen Plakate der beiden Spitzenkandidaten Helmut Schmidt (SPD) und Helmut Kohl (CDU) fällt. Ohne große Vorwarnung parkt er seinen Käfer vor den Plakaten, positioniert seine drei Kinder, holt seine Pentax raus und drückt ab. "Zwei bis zweieinhalb Minuten - mehr hat das Ganze nicht gedauert", erzählt Bernhard Riese heute, fast 50 Jahre später. Er ahnte damals selbst noch nicht, dass in diesem Moment eine Fotoserie geboren war, die ihn die kommenden 50 Jahre vor jeder Bundestagswahl begleiten sollte.
Politische Ereignisse sind eng mit der Familiengeschichte verwoben
Die Wahl 1987: Kohl gegen Rau. Bernhard Riese findet es faszinierend, wie er mit einem Klick politische Ereignisse in der Bundesrepublik mit seiner eigenen Familiengeschichte verwebt: Die Kinder sind jetzt groß und der Käfer ist inzwischen ein Golf. Die Wahl 2013: Steinbrück gegen Merkel. Jetzt schon mit Enkelkindern und einem Golf 3. Auf dem Foto jeweils immer die beiden Spitzenkandidaten, also die, die Kanzler oder Kanzlerin werden möchten. "Das waren ja eigentlich immer SPD und CDU, aber in diesem Jahr geht das gar nicht mehr", sagt Barbara Riese achselzuckend.
Früher: ein fröhliches Familientreffen, heute: ein mulmiges Gefühl
![Familie Riese hat sich im Jahr 2025 vor Wahlplakaten fotografieren lassen. Familie Riese hat sich im Jahr 2025 vor Wahlplakaten fotografieren lassen. © Bernhard Riese Foto: Bernhard Riese](/nachrichten/niedersachsen/wahlplakate694_v-contentgross.jpg)
Trotzdem machen sie sich heute wieder auf den Weg nach Hannover. Der Treffpunkt für die gesamte Familie: eine Plakatwand am Waterlooplatz mit allen größeren Parteien, die bei dieser Bundestagswahl dabei sind. Auch alle vier Enkelkinder sind gekommen. Christin ist 18 und darf in diesem Jahr das erste Mal wählen. Früher sei der Fototermin einfach ein fröhliches Familientreffen gewesen, sagt die Abiturientin. Aber in diesem Jahr habe man irgendwie schon ein mulmiges Gefühl. Ihre ältere Schwester Klara sagt, dass es ihr ein bisschen Angst mache, wenn gerade die politische Situation im Land zu beobachten.
Politische Diskussionen am Küchentisch der Familie
Was das Wahlverhalten angehe, sei die Familie durchaus bunt gemischt und es gäbe im Vorfeld jeder Wahl heiße Diskussionen am Küchentisch, sagt Bernhard Riese. Einer Aussage von Schwiegersohn Uli Wetzel können allerdings alle zustimmen. "Dass sich nach der Wahl alle mal wieder ein bisschen beruhigen, zusammenraufen und merken, dass es wirklich eine starke demokratische Mitte braucht, die aber auch wirklich die Probleme benennt", so Uli Wetzel.
Eine fast 50 Jahre alte Familientradition
Dann geht es endlich zum wichtigsten Programmpunkt über: Nicolai Riese, der älteste Sohn von Vater Bernhard übernimmt diesmal das korrekte Positionieren aller Familienmitglieder vor den Wahlplakaten. Kurz danach klickt der Selbstauslöser seiner Digitalkamera. Aber auch die analoge Fotokamera von Bernhard Riese kommt wieder zum Einsatz - gut 50 Jahre nach dem Beginn einer ganz besonderen Fotoserie.
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