Waren Eltern zu Unrecht wegen Missbrauchs in Haft? Urteil erwartet
Ein Paar aus Goslar ist im vergangenen Jahr wegen massiver Misshandlung der Tochter zu langer Haft verurteilt worden. Dann hob der BGH das Urteil auf. Am Donnerstag könnte im neuen Prozess gegen Mutter und Stiefvater das Urteil fallen.
Auch im zweiten Prozess am Landgericht Braunschweig hat die Anklage die Vorwürfe der Vergewaltigung, Misshandlung und des geplanten Mordes an der Tochter erneut erhoben. Nun, kurz vor dem Abschluss des Missbrauchsprozesses, erscheint ein Freispruch nicht ausgeschlossen. Im Verlauf der Verhandlung sind immer größere Zweifel an den ursprünglichen Anschuldigungen der 26-jährigen Tochter gegen das Paar laut geworden. So sagte ein Gutachter aus, dass die Wahrscheinlichkeit für einen "realitätsbasierten Hintergrund eher gering" sei. Mehrere Ermittler der Polizei hatten zuvor Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Tochter geäußert.
Mangelnde Beweise: Urteil gegen Eltern aufgehoben
Im Juni 2023 hatte das Landgericht Braunschweig die Mutter zu dreizehneinhalb Jahren und der Stiefvater zu neun Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die Beweiswürdigung der Kammer jedoch für lückenhaft befunden, die Urteile aufgehoben und gefordert, die Aussagen des mutmaßlichen Opfers besser zu klären. Der Fall wurde zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die Beschuldigten waren im Juli 2022 vorläufig festgenommen worden, im Juni dieses Jahres hob die Kammer den Haftbefehl auf. Das Paar sei zwar weiterhin verdächtig, es gebe aber keinen dringenden Tatverdacht mehr.
Zweifel an Aussagen der Tochter
Im neuen Prozess sagte ein Gutachter aus, dass das mutmaßliche Opfer selbstverletzendes Verhalten sowie depressive Phasen zeige. Dass die Tochter manipulativ oder psychotisch sei oder als Kind Traumata erlitten habe, könne er nicht abschließend attestieren. Das Landgericht und die Staatsanwaltschaft hatten im vorherigen Prozess die Ermittlungsarbeit der Polizei kritisiert, weil der 26-Jährigen unter anderem lange nicht geglaubt worden sei. Deswegen wurde im neuen Prozess überprüft, wie aussagetüchtig, vernehmungsfähig und glaubwürdig das mutmaßliche Opfer ist. Nach der zweiten Beweisaufnahme standen erhebliche Zweifel im Raum.
Mutter wies Vorwürfe von sich
Zum Prozessauftakt hatte die 54-jährige Mutter jegliche Vorwürfe von sich gewiesen. "Die angeklagten Gewalttaten gab es nicht", ließ die Frau durch ihren Anwalt mitteilen. Sie habe nie die Hand gegen ihre 26-jährige Tochter erhoben, keine Gewalt an ihr geduldet und ihr auch nicht nach dem Leben getrachtet. Ihr 58-jähriger Ehemann, der angeklagte Stiefvater, äußerte sich nicht vor Gericht.
Auch Ex-Partnerin der Tochter verurteilt
Nicht nur die Eltern der 26-Jährigen waren vom Landgericht Braunschweig für schuldig befunden worden. In einem früheren Prozess im Jahr 2022 war eine Ex-Partnerin der Tochter wegen schwerer Misshandlungen zu mehr als sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die damals 28-jährige Angeklagte hatte unter anderem einen sexuellen Übergriff in besonders schwerem Fall, gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie einen versuchten Totschlag eingeräumt. Erst im Anschluss an dieses Verfahren waren die Eltern in den Fokus der Justiz geraten.