Stand: 29.06.2016 11:11 Uhr

VW: Vergleich trotz Rekord-Bußgelds auch positiv

Die Aufarbeitung des Abgas-Skandals in den USA wird für Volkswagen offenbar deutlich teurer als erwartet. Auf 14,7 Milliarden Dollar (13,3 Milliarden Euro) sollen sich die Entschädigungen und Strafen voraussichtlich belaufen. Das geht aus einem Vergleichsvorschlag hervor, den amerikanische Kläger am Dienstag (Ortszeit) beim zuständigen Richter Charles Breyer in San Francisco eingereicht haben. Zuletzt war man von rund zehn Milliarden Dollar ausgegangen, die Volkswagen aufbringen müsse. VW-Finanzchef Frank Witter nannte die Vereinbarung zwar eine "sehr erhebliche Bürde für unser Geschäft", Vorstandsvorsitzender Matthias Müller sprach aber angesichts des Vergleichs von einem "wichtigen Schritt nach vorn". Ähnlich äußerte sich die niedersächsische Staatskanzlei: Ministerpräsident Stephan Weil und sein Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD) sehen damit wesentliche Unsicherheiten ausgeräumt. Beide Politiker sitzen für den VW-Großaktionär Niedersachsen im Aufsichtsrat des Unternehmens.

VIDEO: Dudenhöffer: "Deutsche sind Kunden zweiter Klasse" (1 Min)

Noch immer keine Rückruf-Lösung für die USA

In dem Vergleichsvorschlag verpflichten sich die Wolfsburger, die rund 480.000 von der Affäre betroffenen Diesel-Fahrzeuge in den USA zurückzukaufen oder umzurüsten. Bislang tut sich Volkswagen allerdings schwer mit einer Rückruf-Lösung. "Die Regelungen zu Stickoxid-Emissionsgrenzwerten für Fahrzeuge in den USA sind sehr viel strenger als in anderen Teilen der Welt", sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Dadurch sei die Entwicklung technischer Lösungen in den USA schwieriger als andernorts.

Keine Konsequenzen für Europa

In dem Gesamtbetrag von 14,7 Milliarden Dollar soll außerdem eine Zahlung von 2,7 Milliarden Dollar an einen Fonds enthalten sein, mit dem Umweltprojekte gefördert werden sollen. Zudem soll VW zwei Milliarden Dollar in Infrastruktur zur Reduzierung von Emissionen investieren. Der Vergleich ist noch nicht rechtskräftig. Zunächst muss Richter Breyer dem Entwurf zustimmen. Seine Entscheidung wird für Ende Juli erwartet. Danach haben Kläger die Möglichkeit, das Vergleichsangebot anzunehmen oder abzulehnen. Für Deutschland und Europa werde die Einigung in den USA keine Konsequenzen haben, hatte VW zuletzt betont.

Weitere Informationen
Ein VW Zeichen liegt auf einem Riss auf der Straße. © Christian Ohde Foto: Christian Ohde

VW zahlt aus Angst, nicht aus Überzeugung

VW muss in den USA 14,7 Milliarden Dollar im Dieselskandal zahlen. Das geht aus einem Vergleichsvorschlag hervor, den US-Käger vor Gericht eingereicht haben. Sabrina Fritz kommentiert. mehr

Bis zu 10.000 Dollar pro Kunde?

Das Dokument ist das Ergebnis monatelanger Verhandlungen mit dem VW-Konzern. Zuletzt kursierten Berichte, denen zufolge US-Kunden mehrere Tausend Dollar Entschädigung erhalten sollen. Die Höhe soll nun zwischen 5.000 und 10.000 Dollar pro Kunde liegen. Zusätzlich könnten die US-Umweltbehörden knapp drei Milliarden Dollar an Strafen verhängen. Wie viel Volkswagen am Ende genau zahlen muss, hängt aber auch von den amerikanischen Autofahrern selbst ab. Sie können entscheiden, ob sie ihren Wagen nachbessern lassen oder ob VW ihn zurückkaufen soll.

Entschädigung in Deutschland unklar

Insgesamt hat Volkswagen bisher etwa 16 Milliarden Euro für die Folgen des Abgas-Skandals zurückgelegt. Die Summe war aber nicht nur für den amerikanischen Markt gedacht. Weltweit sind elf Millionen Autos betroffen. Die Verbraucherzentralen dringen weiter auch auf Entschädigungen für betroffene Kunden in Deutschland. Sehr hohe Zahlungen in den USA zeigten, dass das dortige Rechtssystem Betrügereien und Tricksereien hart bestrafe, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, am Dienstag.

VW-Rückstellungen zum Abgas-Skandal

Für die weltweiten Folgen des Abgas-Skandals um manipulierte Diesel-Fahrzeuge hat Volkswagen insgesamt 16,2 Milliarden Euro zurückgestellt:

  • 7,8 Milliarden Euro für "Feldmaßnahmen" - damit sollen die globalen Kosten für Servicemaßnahmen, Rückrufe und mögliche Rückkäufe abgedeckt werden.
  • 7 Milliarden Euro für "Rechtsrisiken" - auf die Wolfsburger kommen weltweit milliardenschwere Klagen zu, einige Prozesse dürften mehrere Jahre dauern.
  • 0,8 Milliarden Euro für "Wertminderungen von Vermögenswerten" - in den USA dürfen zum Beispiel neue Dieselautos von VW nicht mehr verkauft werden.
  • 0,6 Milliarden Euro für "Vertriebsprogramme" im Zusammenhang mit dem Skandal - damit sind unter anderem Rabattaktionen und Werbemaßnahmen gemeint.

Bereits im Herbst hatte VW etwa 6,7 Milliarden Euro "für außergewöhnliche Belastungen aus der Dieselthematik" zurückgestellt, die nun in den aufgestockten 16,2 Milliarden Euro enthalten sind. Damals galt der Betrag vor allem für die Rückrufkosten in Europa, wo etwa 8,5 Millionen der insgesamt 11 Millionen manipulierten Fahrzeuge verkauft wurden.

Nun rechnet VW allein in den USA, wo etwa 480.000 betroffene Fahrzeuge verkauft wurden, mit Belastungen von bis zu 13,3 Milliarden Euro.

Weitere Informationen
VW Gebäude mit Logo von Oben
3 Min

VW: Teure Aufarbeitung des Abgas-Skandals

Ein Vergleich zwischen VW und den US-amerikanischen Behörden könnte 13,2 Milliarden Euro teuer werden. Was bedeutet das für den Konzern? 3 Min

Der Auspuff eines VW-Passats ist am 25.09.2015 vor dem Volkswagenwerk in Wolfsburg zu sehen. © dpa - Bildfunk

Die VW-Abgas-Affäre: Eine Chronologie

Der Abgas-Skandal hat VW in die schwerste Krise der Firmengeschichte gestürzt. Was ist bislang geschehen? mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 28.06.2016 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

VW

Mehr Nachrichten aus der Region

Metin Tolan, Präsident der Universität Göttingen. © picture alliance/dpa Foto: Swen Pförtner

Uni Göttingen: Präsident Metin Tolan endgültig abgewählt

Eine letzte Vermittlung ist gescheitert, der Senat wählte den Präsidenten ab. Tolan kritisiert die Entscheidung scharf. mehr

Aktuelle Videos aus Niedersachsen

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?