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VW-Sparkurs: Weil erwartet Verzicht auf Werksschließungen

Stand: 05.09.2024 08:17 Uhr

Der Unmut bei den Mitarbeitern ist groß, nachdem Volkswagen Werksschließungen und Entlassungen für möglich hält. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist VW-Aufsichtsratsmitglied und pocht nun auf schnelle vertrauliche Gespräche.

Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, sitzt in seinem Büro in der Staatskanzlei. © picture alliance/dpa Foto: Michael Matthey
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Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, steht während einer Werksführung im VW-Werk Emden, vor einem vollelektrischen Fahrzeug vom Typ Volkswagen ID.7. © picture alliance/dpa | Lars Penning
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil will Werksschließungen umgehen.

Das Land Niedersachsen ist Anteilseigner bei VW und hält 20 Prozent der Stimmrechte im Konzern. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sitzt im Aufsichtsrat und entscheidet mit über die Zukunft des niedersächsischen Autobauers. Im Gespräch mit NDR Info macht er deutlich, dass er Werksschließungen nicht akzeptieren möchte und auf die Tradition vertraut, gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungen zu finden.

Sie müssen die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens im Blick behalten, aber wollen natürlich auch nicht, dass in Niedersachsen Arbeitsplätze verloren gehen. Wie wollen Sie diesen Spagat schaffen?

Stephan Weil: Erst mal ist eines sonnenklar und das ist auch unstreitig: Jedes Unternehmen muss wettbewerbsfähig sein. Da ist erst einmal egal, wer Eigentümer ist. Und das ist eine Einsicht, die haben, soweit ich das erkennen kann, wirklich alle Beteiligten. Also: Volkswagen muss wettbewerbsfähig sein. Und eines ist noch unstreitig: Die Situation in der Automobilindustrie ist schwieriger geworden und Volkswagen wird seine Hausaufgaben machen müssen, da geht leider kein Weg drumherum. Aber wie die genau ausschauen und in welchem Umfang dann was notwendig ist, das muss jetzt Gegenstand von sehr intensiven Gesprächen in den nächsten Wochen sein. Es liegt nämlich, soweit ich jedenfalls weiß, noch nicht der Plan vor, über den man ganz konkret reden kann - auch über die Alternativen zu einzelnen Maßnahmen. Das ist das, was jetzt ansteht.

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Glauben Sie nicht, dass der Vorstand, wenn er mit solchen Äußerungen an die Öffentlichkeit geht und viele Menschen verunsichert, nicht schon einen konkreten Plan hat, welche Werke vermutlich geschlossen werden müssen?

Weil: Jedenfalls keinen, den ich kennen würde. Das ist das nächste, was schlichtweg notwendig ist: dass wir aus einer allgemeinen abstrakten Diskussion, die tatsächlich sehr, sehr viel Verunsicherung auslöst, in eine Situation kommen, in der man sehr konkret miteinander redet. Das muss dann vertrauensvoll geschehen, denn am Ende des Tages haben alle Beteiligten das gleiche überragend wichtige Interesse: Volkswagen muss wettbewerbsfähig sein.

Sie sitzen für das Land im Aufsichtsrat, und der Aufsichtsrat hat eine Aufsichtsfunktion. Da ist die Frage: Hat man im Aufsichtsrat das Ausmaß der Krise nicht erkannt oder wollte es nicht wahrhaben und hat verpasst gegenzusteuern?

Weil: Es gibt wie immer, glaube ich, in solchen Fällen eine Mischung von externen und internen Ursachen. Die Situation am Automobilmarkt ist dadurch gekennzeichnet, dass dieser Markt jedenfalls in Europa rückläufig ist. Es werden also nicht mehr Autos verkauft, sondern weniger. Gleichzeitig gibt es neue Wettbewerber: Es ist ja auch bekannt, dass die chinesischen Automobilunternehmen auf den Markt drängen. Und gleichzeitig, auch das ist bekannt, hat Volkswagen bei einigen Schlüsselprojekten die selbst gesetzten Ziele - zum Beispiel bei der Softwareentwicklung - nicht erreicht. Das merkt man dann anschließend auch, wenn man sich fragt: Wie schnell können neue Modelle auf die Straßen kommen? Es ist eine Mischung - und da muss jetzt schlichtweg dafür gesorgt werden, dass an allen Ecken und Kanten Volkswagen besser aufgestellt sein wird. Das ist das Entscheidende.

Gehen Sie davon aus, dass Volkswagen noch um Werksschließungen in Deutschland herumkommen wird?

Weil: Es ist meine klare Erwartung. Das ist ein sehr großes Unternehmen, in einem noch sehr viel größeren Konzern. Es ist übrigens auch ein Thema, ob man im Konzern optimal zusammenarbeitet. Da gibt es immer unterschiedliche Optionen. Deswegen: Bevor ich über Werksschließungen rede, möchte ich erst mal wissen: Was geht eigentlich noch und wie ist das zu bewerten?

Welche Alternativen gäbe es zu Werksschließungen?

Weil: Sehen Sie es mir nach, dass ich da jetzt nicht ins Detail gehen kann. Darüber muss jetzt vertraulich, in Ruhe und vernünftig geredet werden. Die öffentliche Diskussion hat jetzt aus meiner Sicht ausreichend stattgefunden. Jetzt muss aber auch intern gearbeitet werden. Denn am Ende des Tages muss man sich einigen, das ist ja klar. Und das ist Volkswagen übrigens in den letzten Jahrzehnten sehr gut bekommen. Es gab immer einen ausgeprägten Konsens zwischen Anteilseignern, Vorstand, Betriebsrat - und an der Stelle müssen wir anknüpfen. Das ist wichtig, dass man sich aufeinander verlassen kann.

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Die öffentliche Diskussion sollte aber auch weiter verfolgt und abgebildet werden. Das ist ja ganz wichtig für die Beschäftigten, die natürlich verunsichert sind und auch Klarheit haben müssen.

Weil: Genau, darum geht es in der Tat. Und diese Klarheit, die muss herbeigeführt werden. Das wird man aber tatsächlich nur in intensiven und auch kontroversen Gesprächen untereinander schaffen. Und mir geht es darum, dass wir so schnell wie möglich die Verunsicherung bei vielen Leuten - die wirklich im Kern getroffen sind - aus der Welt schaffen können und durch Klarheit ersetzen.

Das Land Niedersachsen hat 20 Prozent der Stimmrechte und ein Vetorecht bei VW. Sie sitzen im Aufsichtsrat. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer kritisiert, dass der Aufsichtsrat rund um den "Kirchturm von Wolfsburg" aufgebaut ist. Braucht VW tatsächlich wieder Luft zum Atmen?

Weil: Zunächst darf man mal sagen, dass unter den Bedingungen, die wir haben, Volkswagen in den letzten 75 Jahren - solange ist das Land Niedersachsen dabei - von einem völlig unbedeutenden Automobilunternehmen zu einem Weltkonzern aufgestiegen ist. Das ist im Konsens der unterschiedlichen Beteiligten geschehen. Es ist nicht etwa so wie Herr Dudenhöffer zu meinen scheint, dass wir permanent Konterstimmung in irgendwelchen Gremien hätten, sondern man gibt sich allergrößte Mühe - das ist dem Unternehmen auch gut bekommen -, miteinander zu ringen, Interessen auszugleichen und dann zu einem gemeinsamen Ergebnis zu gelangen. Immer in dem Bewusstsein: Am Ende des Liedes muss Volkswagen am Markt erfolgreich sein. Das ist nach wie vor, glaube ich, die richtige Grundlage dafür, dass Volkswagen in der Zukunft Erfolg haben wird.

Bei Volkswagen zu arbeiten, galt ja immer als etwas Besonderes: hohe Löhne und Sozialleistungen, über 30 Jahre wurde die Jobgarantie fortgeschrieben. Ging es VW-Mitarbeitern im Branchenvergleich lange zu gut?

Weil: Bei Volkswagen gab es die gute Regel, dass der Erfolg auch angemessen unter den Beteiligten aufgeteilt worden ist. Das galt in guten Zeiten. Aber in der Unternehmensgeschichte gab es immer auch andere Zeiten. Wir hatten zum Beispiel bei Volkswagen in den Jahren 1993, 1994 eine heftige Krise. Die hat alle Beteiligten damals durchgeschüttelt. Und auch dann gilt natürlich immer: Man muss schauen, dass die Lasten angemessen verteilt werden zwischen allen Beteiligten. Ich glaube, am Ende könnte so etwas auch diesmal wieder die Grundlage dafür sein, dass man sich verständigen kann.

Das Interview führte Stefan Schlag.

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Interview | 05.09.2024 | 07:47 Uhr

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