VW: Kein Lichtstrahl darf nach außen dringen
Wie offen geht Volkswagen mit den Ermittlungsergebnissen zur Diesel-Affäre um? Viele Aktionäre sind unzufrieden, sie vermissen die Bereitschaft des Konzerns zur Aufklärung. Am Rande der Hauptversammlung forderten Demonstranten die Verantwortlichen zur Rechenschaft auf.
Volkswagen ist das größte Industrieunternehmen Europas. Niemand, der an die mehr als 600.000 Mitarbeiter und ihre Familien denkt, kann VW Schlechtes wünschen. Und doch blitzt da manchmal der Wunsch auf, Volkswagen möge einmal so richtig vor die Wand fahren. Nicht mit seinen Autos, aber mit seiner Strategie im Diesel-Skandal.
"Aufklären" war auch am Mittwoch das meist benutzte Wort in den Reden der Konzernmanager. Aber ganz offenbar nur intern, nicht für die Öffentlichkeit. Es gebe keinen Abschlussbericht zum Diesel-Skandal und es werde auch in Zukunft keinen geben, so VW. Das Unternehmen habe sich in den USA bestimmter Verfehlungen für schuldig bekannt, heißt es zur Begründung. Wenn sich aus einem Abschlussbericht noch anderes ergeben sollte, dann drohten nur neue Strafen. Punkt. Aus.
Neue Konzern-Ethik trägt nicht weit
Aufklären bei VW, das ist wie heimliches Lesen unter der Bettdecke: Kein Lichtstrahl darf nach außen dringen. Der Konzern bleibt dabei: Kriminell war die Diesel-Manipulation nur in den USA mit ihren scharfen Umweltgesetzen, nicht in Deutschland. Entschädigt werden Kunden nur in den USA, nicht in Deutschland. Alles entscheidend, so sagt es der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch, ist einzig und "allein das Interesse und Wohl der VW Aktiengesellschaft". Dieser Satz macht klar, wie weit das viele reden von neuer Ethik im Konzern, von Integrität und Aufklärung in Wahrheit trägt: nämlich gerade so weit, wie es dem Aktienkurs nutzt.
Der Aktienkurs von VW ist heute wieder etwa auf dem Niveau von vor vier, fünf Jahren. Dieselgate hat eine Zacke aus der Krone gebrochen, aber Volkswagen bleibt im ewigen Wettstreit und Wechsel mit Toyota die Nummer eins oder zwei der weltweit größten Autohersteller. VW macht wieder ordentlich Gewinn, und das muss der Konzern auch, wenn er den Umbruch zu Elektro und autonomem Fahren schaffen will. Bis zu 23.000 Jobs mit alten Tätigkeiten sind überflüssig und werden abgebaut.
Ewiges Mauern bei Volkswagen
"Das Rad müssen wir nicht neu erfinden, aber alles andere schon", sagt VW-Chef Matthias Müller. Ob das klappt, ist offen. Den Elektro-Transporter für die Deutsche Post hat nicht VW entwickelt, sondern ein Start-up in Aachen. Für die Nachrüstung von Skoda-Dieseln hat VW noch immer keine Genehmigung. Und Zigtausende VW-Kunden stehen in den Startlöchern mit Klagen auf Rücknahme ihrer Autos, ganz zu schweigen von Tausenden Anlegern, die wegen Wertverlusts ihrer Aktien vor Gericht gehen. Ihr Prozess wird kommendes Jahr überhaupt erst beginnen. Man wird sehen, wer länger durchhält bei VW: die Rede von der neuen Unternehmenskultur oder das ewige Mauern im Konzern.