VW: Bei 540.000 Pkw reicht kein Software-Austausch
Bei 540.000 Pkw des Volkswagen-Konzerns, die von dem Diesel-Skandal betroffen sind, sind größere technische Änderungen nötig als nur ein Austausch der manipulierten Software. Das hat am Montag nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bekannt gegeben. Die Rahmenbedingungen für diese Hardware-Änderungen sollen den Haltern von Volkswagen mitgeteilt werden. Für Autos mit 2,0 Litern Hubraum reicht nach Angaben von VW die Software-Lösung, bei den anderen Modellen muss die Motortechnik geändert werden.
"Eigentlich eine gute Nachricht"
"Die nun gemeldete Zahl von 540.000 Pkw, bei denen ein Austausch der Software nicht ausreicht, ist eigentlich eine gute Nachricht", so NDR Reporter Thorsten Hapke. Das bedeute, dass nur bei einem Fünftel der in Deutschland vom Abgas-Skandal betroffenen Dieselfahrzeugen technische Änderungen wie zum Beispiel eine Umrüstung des Katalysators durchgeführt werden müssen. "Bisher war man von einer höheren Zahl ausgegangen", so Hapke. Insgesamt sind weltweit elf Millionen Dieselautos von der Affäre um manpulierte Stickoxid-Werte betroffen, in Europa 8,5 Millionen. Die Rückrufaktion ist Mitte Oktober vom KBA eingefordert worden. Laut Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) soll sie im Januar 2016 starten und wird sich wohl bis zum Jahresende hinziehen. Allein für das Stickoxid-Problem bei Dieselfahrzeugen hat VW 6,7 Milliarden Euro zurückgelegt. Die "wirtschaftlichen Risiken" des CO2-Problems bei Benzin-Motoren werden auf weitere zwei Milliarden Euro geschätzt.
Aufsichtsrat tagt in Wolfsburg
Am Montag hatte sich auf dem VW-Werksgelände in Wolfsburg erneut der Aufsichtsrat des Autobauers zu einer Krisensitzung zur Aufarbeitung des Abgas-Skandals getroffen. Das Kontrollgremium beriet bei der Zusammenkunft unter anderem über die jüngst von Betriebsratschef Bernd Osterloh geäußerte Kritik am Konzernvorstand. Man wolle in Zukunft enger zusammenarbeiten, sagte VW-Chef Matthias Müller nach der Sitzung. "In der jetzigen, schwierigen Situation müssen wir gemeinsame Entscheidungen treffen, welche die Wirtschaftlichkeit genauso berücksichtigen wie die Beschäftigung", so Müller. Bis zur nächsten Sitzung des Aufsichtsrates am 20. November soll es daher eine Reihe von Gesprächen zwischen Vorstand und Arbeitnehmervertretung geben, "um einen gemeinsamen Weg für die Zukunft des Unternehmens zu bestimmen". Betriebsratschef Osterloh wertete dies als "ein starkes Signal für die Belegschaft". Die Herausforderungen der Abgas-Krise seien "enorm, aber die Belegschaft steht hinter dem Unternehmen, sofern es uns gelingt, eine ausgewogene Planung zwischen Investitionen, Sparmaßnahmen und Zukunftsprojekten zu verabreden". Über neue Erkenntnisse zu den internen Ermittlungen wurde nach der Sitzung nichts bekannt.
Henriksson übernimmt Vorstandsvorsitz von Scania
Der für 11 Uhr geplante Beginn der Sitzung verzögerte sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur kurzfristig bis zum Mittag. Grund dafür soll zum einen die deutlich längere Präsidiumssitzung am Morgen und zum anderen erhöhter Redebedarf bei den Vorbesprechungen der Aufsichtsratsmitglieder gewesen sein. Am frühen Nachmittag wurde eine erste Personalentscheidung bekannt: Der Schwede Henrik Henriksson soll zum Jahreswechsel den Vorstandsvorsitz der Nutzfahrzeug-Tochter Scania übernehmen.
Spektakuläre Protestaktion von Greenpeace
Während sich die VW-Kontrolleure in einem Bürogebäude verschanzten, sorgte die Umweltorganisation Greenpeace für einen öffentlichkeitswirksamen Paukenschlag. Über dem streng bewachten Haupteingang des VW-Werks in Wolfsburg entrollten die Aktivisten - in Anlehnung an den VW-Werbespruch "Das Auto" - ein großes Transparent mit der Aufschrift "Das Problem". Außerdem verwandelten sie das Logo des Konzerns in einen CO2-Schriftzug. Der Werksschutz ließ die Kletterer zunächst gewähren.
Umweltschützer verlangen mehr Transparenz
Greenpeace forderte mit der Protestaktion nach eigenen Angaben Transparenz und neue, ungeschönte Angaben zu den Abgaswerten. "VW hat sich 2012 gegenüber Greenpeace verpflichtet, den CO2-Flottenwert bis zum Jahr 2020 auf 95 Gramm zu reduzieren", sagte der Greenpeace-Verkehrsexperte Daniel Moser. "Mir ist schleierhaft, wie der Konzern das schaffen will, wenn nicht einmal konkrete Daten vorgelegt werden." Volkswagen hatte vor rund einer Woche eingeräumt, CO2-Angaben bei 800.000 Fahrzeugen gefälscht zu haben.
Manipulationen begannen offenbar 2006
Bei der Aufsichtsratssitzung dürfte die Frage "Wer wusste wann was?" ein zentrales Thema gewesen sein. Sicher scheint allein, dass der Beginn der für Volkswagen existenzgefährdenden Krise wohl rund zehn Jahre zurückliegt. Ein leitender Motoren-Entwickler soll gegenüber den Ermittlern über ein Treffen im Jahre 2006 berichtet haben. In einer hochrangig besetzten Runde sei es um die Dieselmotoren für den US-Markt gegangen, vor allem um die Frage, wie man die Emissionen von Stickoxid (NOx) unter die US-Grenzwerte drücken könnte.