US-Professor über Trump: "Angriff auf die akademische Freiheit"
US-Präsident Trump hat gedroht, allen Bildungseinrichtungen, die "illegale Proteste" zulassen, die Staatsgelder zu streichen. Auch bei Unis wird gekürzt. Das besorgt Wissenschaftler - auch in Niedersachsen.
Alec Wodtke forscht als Professor für Physikalische Chemie in Göttingen. Der 65-jährige Chemiker stammt aus den USA und kommt gerade von einer Reise zu unterschiedlichen Unis in den Vereinigten Staaten nach Deutschland zurück. Die Stimmung unter Forscherinnen und Forschern sei "entsetzlich", sagt Wodtke im Interview mit NDR.de. Deutschland solle ein Anwerbeprogramm starten.
Die Trump-Administration kürzt im Bildungs- und Wissenschaftsbereich, übt Druck aus. Ist das Ihrer Meinung nach ein Angriff auf die akademische Freiheit?

Alec Wodtke: Natürlich ist das ein Angriff auf die akademische Freiheit. Aber es ist mehr als das. Es ist auch ein Versuch, die Meinungsfreiheit von Studierenden und Professoren gleichermaßen zu unterdrücken und Universitätspräsidenten und Professoren einzuschüchtern. Was bedeutet "illegale Proteste" und wer wird das entscheiden?
Das hört sich nach Einschüchterung an.
Wodtke: Trump und Musk versuchen eindeutig, Universitätspräsidenten und Professoren mit der Angst vor dem Verlust von Bundesmitteln einzuschüchtern, damit sie die Vollstrecker sein werden, die die Meinungsfreiheit der Studierenden unterdrücken. Das ist das Schlimmste, was wir seit den Versuchen der McCarthy-Ära gesehen haben, Kommunisten aus der akademischen Gemeinschaft auszuschließen.
Die McCarthy-Ära war in den 1940er- und 50er-Jahren eine Zeit intensiver antikommunistischer Verfolgung in den USA, angeführt von Senator Joseph McCarthy. Glauben Sie, dass sich jetzt viele Wissenschaftler aus den USA an deutschen Instituten bewerben werden?
Wodtke: Ich erwarte einen "Braindrain" in den USA - und Europa ist für viele Professoren und Studierende die attraktivste Möglichkeit. Ich bin gerade von einem mehrwöchigen Besuch an Universitäten in den USA zurückgekehrt. Die Bedingungen in den USA sind derzeit entsetzlich. Meine Kollegen sind verängstigt. Am California Institute of Technology – einem der Kronjuwelen der amerikanischen Wissenschafts- und Technologieforschung – gibt es echte Bedenken hinsichtlich der Einstellung neuer Professoren. Ein Beispiel: Ein Professor sagte mir, sie suchen derzeit nach einem neuen Professor im Bereich der Klimaforschung. Sie führen derzeit Vorstellungsgespräche mit Kandidaten und befürchten, dass ihr neuer Mitarbeiter niemals in der Lage sein wird, staatliche Forschungsmittel zu erhalten.
Trump hat bereits jetzt Mittel für Klimaforschung reduziert. Hatten Sie auch Kontakt zu Studierenden?
Wodtke: Während meines Aufenthalts dort baten Studierende um ein privates Treffen mit mir, um mehr über das Leben in Europa zu erfahren, und äußerten ihre Ängste hinsichtlich der Entwicklung ihrer Karriere in den USA und ihren Wunsch, Alternativen in Europa zu suchen.
Die Trump-Administration ist noch keine sechs Wochen im Amt. Welche Auswirkungen gibt es noch?
Wodtke: An der Universität von Chicago erzählte mir ein Professor aus der Bildungsforschung, dass fünf Jahre Arbeit bereits in Rauch aufgegangen seien, weil das Department of Government Efficiency (Anmerkung der Redaktion: kurz DOGE, geleitet von Milliardär Elon Musk) in vertrauliche Forschungsdaten des Bildungsministeriums eingedrungen sei und diese gelöscht habe.
Sollten die Wissenschaftsministerien oder die Universitäten in Deutschland Rekrutierungsprogramme für US-Wissenschaftler auflegen?
Wodtke: Auf jeden Fall – und nicht nur für Professoren. Es gibt eine ganze Generation junger Menschen, die ihre Karriere beginnen und vor Angst fast erstarrt sind. Dies ist nicht nur eine riesige Chance für die Wissenschaft in Deutschland, es ist eine Pflicht, der Deutschland nachkommen muss, um die amerikanische Wissenschaft zu retten. Die Stärke der amerikanischen Wissenschaft beruhte schon immer auf der Fähigkeit des Landes, die besten und klügsten Köpfe aus der ganzen Welt anzuziehen und ihnen Wege zu bieten, um erfolgreich zu sein und sich in den USA ein Leben aufzubauen. Dies ist in den USA nun vorbei. Länder in Europa und insbesondere Deutschland haben eine enorme Chance.
Haben Sie Ängste oder bleiben Sie ruhig?
Wodtke: Ich habe echte Angst um mein Land, um meine Kollegen in den USA und um die Studierenden aller Fachrichtungen. Im Nachhinein ist es mir klar geworden, dass meine Entscheidung, 2009 nach Deutschland zu kommen, die beste meines Lebens war.
Interview und Übersetzung aus dem Englischen: Jan Fragel
