Tarifgespräche: Volkswagen will massive Entgeltreduzierung
Die zweite Verhandlungsrunde zum VW-Haustarif ist ergebnislos zu Ende gegangen. Volkswagen fordert von den Beschäftigten zehn Prozent Lohnverzicht. Außerdem sollen Prämien für Dienstjubiläen wegfallen.
Zuvor hatte VW einen Gewinneinbruch bekanntgegeben. "Wir brauchen dringend eine Arbeitskostenentlastung, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Hierfür ist ein Beitrag auch der Beschäftigten erforderlich", sagte VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel nach der zweiten Verhandlungsrunde am Mittwoch in Wolfsburg. Neben einer zehnprozentigen Entgeltreduzierung fordere das Unternehmen auch einen Verzicht auf Sonderzahlungen, so Meiswinkel, Personalvorstand der Kernmarke. Nur durch Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen sei das Unternehmen fähig, selbstständig in die Zukunft zu investieren. "Nur wenn wir gemeinsam getragene Lösungen haben zur Erreichung dieses finanziellen Ziels, können wir uns auch die Diskussion zu Perspektiven der Standorte und einer Beschäftigungssicherung vorstellen."
Kein Bonus für langjährige Mitarbeiter mehr?
Zu den Sonderzahlungen, die zur Debatte stehen, gehören offenbar auch Prämien für Dienstjubiläen. "Wir haben diesen Vorschlag gemacht", sagte eine Unternehmenssprecherin. Nach derzeitigem Tarifvertrag wird für die 25-jährige Werkszugehörigkeit das 1,45-fache eines Monatsverdienstes und nach 35 Jahren das 2,90-fache eines Monatsverdienstes zusätzlich brutto ausgezahlt. Laut Betriebsrat stehen Tausende VW-Beschäftigte kurz vor Zahlung dieser Jubiläums-Prämien. Zunächst hatten das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) und "Business Insider" darüber berichtet.
Gewerkschaft spricht von "Giftliste" an Einsparungen
Thorsten Gröger, Verhandlungsführer der IG Metall, bezeichnete die Pläne von Volkswagen als "sowohl in der Form als auch in der jeweiligen Größenordnung nicht akzeptabel". Die Forderung eines Gehaltsverzichts sei ein "dreister Griff in die Tasche der Beschäftigten". VW habe eine lange "Giftliste" an Einsparungen vorgelegt, darunter neben der Entgeltreduzierung auch tarifliche Nullrunden und eine Reduzierung der Zahl der Ausbildungsplätze von 1.400 auf 600. Die Ankündigung von VW, über Pläne zur Beschäftigungs- und Standortsicherung sprechen zu wollen, sei die "Mindestvoraussetzung" dafür gewesen, dass die Gewerkschaftsseite die Verhandlungen nicht sofort abgebrochen habe, sagte Gröger weiter.
Friedenspflicht endet am 1. Dezember
Im Vorfeld der rund sechsstündigen Gespräche hatte Gröger auf das Ende der Friedenspflicht zum 1. Dezember verwiesen, danach seien Warnstreiks möglich. Die IG Metall und der VW-Betriebsrat sind mit einer Forderung von sieben Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten in den westdeutschen Werken in die Tarifgespräche gegangen.
Betriebsrat fordert einen "Masterplan"
Die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo forderte einen "Masterplan". "Wir sind nicht bereit, über Arbeitskostenziele isoliert zu sprechen", so Cavallo. Die Betriebsratschefin dämpfte die Hoffnungen auf eine schnelle Einigung am Verhandlungstisch. Werkschließungen und Massenentlassungen seien nach wie vor nicht vom Tisch. "Dementsprechend warne ich auch davor, das als eine erste Annäherung zu interpretieren", sagte sie. Am Mittwoch sei "allenfalls der Startschuss für einen Marathon gefallen". Nach Angaben beider Seiten wurden drei Verhandlungsgruppen gebildet, um in den kommenden Wochen weiter miteinander zu sprechen. Am 21. November soll es demnach eine dritte Verhandlungsrunde geben.
Olaf Lies: Land lehnt Werkschließungen ab
Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) forderte vom VW-Vorstand einen konkreten Plan ohne betriebsbedingte Kündigungen und Werkschließungen. Das Land Niedersachsen, das mit 20 Prozent an Volkswagen beteiligt ist, lehne es ab, Standorte zu schließen. "Den Plan muss man haben und dann muss man sagen, welche Modelle bauen wir wo, welche Stückzahlen brauchen wir." Das müsse bei den Gesprächen über einen Haustarif verhandelt werden. Lies kritisierte außerdem, dass die Bundesregierung die Kaufprämie für E-Autos im vergangenen Jahr abgeschafft hatte. "Die Art und Weise, wie dort gestrichen worden ist, ohne darüber nachzudenken, was das für Konsequenzen hat, war absolut fehlerhaft, das muss korrigiert werden", sagte Lies.
VW verzeichnet Gewinneinbruch von 63,7 Prozent
Der VW-Konzern hat im dritten Quartal dieses Jahres deutlich weniger verdient, wie der Autobauer aus Wolfsburg am Mittwoch mitteilte. Im Vergleich zum Vorjahr fiel der Gewinn nach Steuern mit rund 1,6 Milliarden Euro um 63,7 Prozent geringer aus. Damit sind die Werte laut VW schwächer als von Analysten erwartet. Grund für den Einbruch sind demnach hohe Kosten und der Absatzrückgang vor allem in China, dem wichtigsten Markt für Volkswagen. Zwar gab es den Angaben zufolge in den ersten neun Monaten des Jahres ein Wachstum der Fahrzeugverkäufe in Nordamerika (4 Prozent mehr) und Südamerika (plus 16 Prozent). In China gab es hingegen einen Rückgang um zwölf Prozent, in Westeuropa um ein Prozent.
VW-Finanzchef Antlitz: "Dringender Bedarf von Kostensenkungen"
Volkswagen sprach am Mittwoch von einem "herausfordernden Marktumfeld". Nach neun Monaten belaufe sich die Rendite der Kernmarke VW auf nur noch zwei Prozent. "Dies zeigt den dringenden Bedarf von erheblichen Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen", sagte VW-Finanzchef Arno Antlitz. Der Autobauer ringt seit Jahren darum, wettbewerbsfähig zu bleiben. Die VW-Aktie liegt seit 2021 im Abwärtstrend. Volkswagen hatte den eingeschlagenen Sparkurs daher zuletzt verschärft: Laut Betriebsrat sollen mindestens drei VW-Werke in Deutschland geschlossen und der Rest verkleinert werden. Zehntausenden Beschäftigten soll gekündigt werden, auch deutliche Gehaltseinbußen stehen im Raum.