Betriebsratschefin Cavallo: "Aus meiner Sicht gab es Strategiefehler"

Stand: 06.09.2024 10:36 Uhr

Pfeifkonzerte und deutliche Worte: Bei der VW-Betriebsversammlung in Wolfsburg machten Arbeitnehmer ihrem Ärger über die Sparpläne Luft. Betriebsrat und Gewerkschaft sagen: Standortschließungen kommen nicht infrage.

"Wir erwarten, dass wir zügig an den Verhandlungstisch treten, um Klarheit zu schaffen, wie es hier weitergehen soll." Das sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo am Mittwoch im Anschluss an die VW-Betriebsversammlung. Nur über Arbeitskosten und Standortschließungen zu sprechen, sei zu kurz gegriffen. "Aus meiner Sicht gab es Strategiefehler", so Cavallo weiter. Denn Einstiegsmodelle würden in der Elektromobilität fehlen. "Das ist Managementverantwortung, dass die nicht rechtzeitig auf den Weg gebracht wurden." Nun brauche es einen Zukunftsplan und gute Automodelle, die die Kunden "uns aus den Händen reißen". Dafür müssten von Unternehmensseite die richtigen Strukturen geschaffen werden. Das Thema Standortschließungen sei für sie keins: "Wir reden nicht über Standortschließungen. Entsprechend reden wir auch nicht darüber, welche Standorte betroffen sein könnten."

Videos
Gewerkschaftsmitglieder bei einer Protestaktion © Screenshot
3 Min

VW-Konzern informiert Belegschaft über Sparkurs

Bei einer Betriebsversammlung hat der Vorstand erklärt, wie ernst die Lage sei. Reporterin Hilke Janssen berichtet aus Wolfsburg. 3 Min

"Massenentlassungen müssen vom Tisch"

"Werkschließungen und Massenentlassungen müssen so schnell wie möglich wieder vom Tisch", sagte auch Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, nach der Betriebsversammlung. Das gehöre nicht in den Werkzeugkasten. Dass die Äußerungen der Sparpläne Anlass zur Sorge seien, stehe außer Frage. Er sei in der derzeitigen Situation dennoch "sehr, sehr zuversichtlich". An der Betriebsversammlung haben laut Cavallo rund 25.000 Mitarbeitende in der Halle und vor Leinwänden teilgenommen. "Es war also ein riesiger Andrang." Wegen eines Pfeifkonzerts sei der VW-Vorstand zunächst nicht zu Wort gekommen.

VW-Finanzchef: Wir geben in der Marke mehr Geld aus, als wir einnehmen

Auf der Betriebsversammlung sagte VW-Finanzchef Arno Antlitz zuvor: "Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber diese Zeit müssen wir nutzen." Es werde seit geraumer Zeit mehr Geld ausgegeben als eingenommen werde. Auf Dauer gehe das nicht gut. Mit den Einsparungen sollen Mittel freigesetzt werden, die für neue Produkte gebraucht werden. "Dafür brauchen wir jetzt Geld, um kräftig zu investieren", bekräftigte Markenchef Thomas Schäfer. Er sprach davon ein, in ein "Modellfeuerwerk" zu investieren. "Dann werden wir es sein, die die Voraussetzungen geschaffen haben, damit auch die nächsten Generationen hier in Deutschland für Volkswagen arbeiten können", so Schäfer.

Existenzängste bei den Beschäftigten

Die Betriebsversammlung war mit scharfem Protest der Belegschaft gestartet. Die Beschäftigten hätten große Sorgen bis hin zu Existenzängsten, hatte Betriebsratschefin Cavallo im Vorfeld gesagt. Bisher habe der Betriebsrat die laufenden Sparmaßnahmen mitgetragen - auch den Stellenabbau mit Altersteilzeitregelungen und Abfindungsprogrammen. Doch das reiche aus Sicht der Konzernspitze nicht mehr aus, um die gesetzten Einsparziele zu erreichen. Am Montag hatte VW drastische Sparpläne bei der Kernmarke verkündet. Erstmals stehen demnach in Deutschland ganze Werke auf dem Prüfstand.

Sparpläne von VW: Politiker reagierten besorgt

Weitere Informationen
Dunkle Wolken ziehen über ein VW-Logo © picture alliance / dpa Foto: Julian Stratenschulte

Analyse zur VW-Krise: In Wolfsburg fehlt die zündende Idee

Ein drastisches Sparprogramm soll Europas größten Autohersteller wieder auf Kurs bringen. Doch es sind Zweifel angebracht. extern

Das "Handelsblatt" berichtet, dass es bei den geplanten Ergebnisverbesserungen derzeit eine Lücke von zwei bis drei Milliarden Euro gibt. Auf die am Montag von VW angedrohten Sparpläne hatten auch Gewerkschaften und Politiker teils besorgt reagiert. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte dem Sender ntv: "Es ist jetzt Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Standorte, und zwar alle Standorte, gesichert werden und dass betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden".

Emdens VW-Betriebsratschef: "Absoluter Schlag in die Magengrube"

Am VW-Standort Emden ist eine Betriebsversammlung für Donnerstag angekündigt. Der dortige Betriebsratschef Manfred Wulff sagte dem NDR Niedersachsen, dass die Planungen des VW-Vorstands ein "absoluter Schlag in die Magengrube" seien. 30 Jahre habe man Krisen bei Volkswagen am Verhandlungstisch lösen können, jetzt sei es keine Partnerschaft mehr, so Wulff. Der Konzern habe Strategien verkehrt eingeschätzt - so gebe es unter anderem keine E-Auto-Einstiegsmodelle bei VW. Für Donnerstag kündigte Wulff an, dass es laut werden würde. VW-Markenchef Thomas Schäfer werde vor Ort sein und ihn wolle man fragen, was die Vorstandspläne für das Werk in Emden bedeuten werden, so der Betriebsratschef.

Weitere Informationen
Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) © picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd Foto: Rolf Vennenbernd
7 Min

Lies: Kann mir Niedersachsen ohne Automobilindustrie nicht vorstellen

Das große Ziel ist es, dass die Standorte erhalten bleiben und Beschäftigung gesichert ist, erklärt Olaf Lies (SPD), niedersächsischer Wirtschaftsminister. 7 Min

Die Volkswagen-Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo gibt ein Pressestatement ab. © NDR
31 Min

Betriebsratsvorsitzende Cavallo: "VW-Belegschaft will kämpfen"

Daniela Cavallo trat nach der Betriebsversammlung in Wolfsburg vor die Kameras. Das Statement in voller Länge. 31 Min

Elektroauto an der Ladestation. © fotolia Foto: estations
6 Min

Experte Falck zur Lage bei VW: E-Autos benötigen weniger Arbeit (04.09.2024)

Industrieökonom Oliver Falck vom ifo-Institut sagte auf NDR Info, Elektro-Kleinwagen würden zudem eher nicht in Deutschland hergestellt - Volkswagen habe also Überkapazitäten. 6 Min

Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, spricht bei einer Pressekonferenz. © picture alliance / dpa | Sina Schuldt Foto: Sina Schuldt

Werkschließungen bei VW? Die Reaktionen aus Niedersachsen

Laut VW ist die Lage "äußerst angespannt". Die Werke bangen um Jobs. IG Metall und Betriebsrat kündigen Widerstand an. Bildergalerie

Das VW-Logo ist an einem Gebäude im Volkswagenwerk in Osnabrück zu sehen. © picture alliance / dpa Foto: Philipp Hülsmann

Werkschließungen und Entlassungen? Sorge um Jobs in VW-Werken

Gebangt wird unter anderem in Osnabrück. VW-Betriebsratschefin Cavallo kündigte "massiven Widerstand" gegen den Sparkurs an. (03.09.2024) mehr

Mehrere Volkswagen Golf befinden sich im VW Werk in der Endmontage © picture alliance/dpa Foto: Moritz Frankenberg

Sparkurs bei VW: Neue Perspektiven für Beschäftigte?

Dafür richtet der Konzern an allen Standorten eine "Perspektivwerkstatt" ein. Im Oktober soll das Angebot starten. (31.08.2024) mehr

Blick auf das VW-Markenhochhaus in Wolfsburg. © picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte Foto: Julian Stratenschulte

Sinkende Nachfrage: Werke von VW nicht ausgelastet

Der Konzern hat sich deshalb von Leiharbeitern getrennt und Schichten gestrichen. Die Lage sei angespannt, so der Betriebsrat. (08.08.2024) mehr

Das VW-Logo auf dem Dach des Markenhochhauses Volkswagen in Wolfsburg. © picture alliance/Fotostand/Matthey Foto: Matthey

Volkswagen: "Effizienzprogramm" soll bis Weihnachten stehen

Am Mittwoch wurden weitere Sparmaßnahmen benannt. Unter anderem soll auf ein 800-Millionen-Euro-Neubau verzichtet werden. (06.12.2023) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 04.09.2024 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

VW

Wolfsburg

Mehr Nachrichten aus der Region

Ein Neugeborenes trinkt an der Brust der Mutter © Colourbox Foto: Sergey Novikov

Muttermilch spenden: Ab sofort in Göttingen möglich

Die Muttermilch wird für die Versorgung von Frühchen und Neugeborenen an der Universitätsmedizin Göttingen genutzt. mehr

Aktuelle Videos aus Niedersachsen