Nun doch: VW-Mitarbeitern droht Jobverlust
Kostet der VW-Abgas-Skandal jetzt weit mehr Beschäftigten den Job als "nur" einigen Top-Managern? Bei Volkswagen droht offenbar ein breiter angelegter Arbeitsplatzabbau. Der Vorstand diskutiere über eine Reduzierung der Leiharbeit, teilte der VW-Betriebsrat am Sonnabend mit. Am 6. Oktober hatte Konzern-Betriebsratchef Bernd Osterloh in Wolfsburg noch versichert, dass durch den Abgas-Skandal vorerst keine Jobs gefährdet seien. Dies gelte sowohl für die Stammbelegschaft als auch für Leiharbeiter. Der neue VW-Chef Matthias Müller wollte eine solche Garantie allerdings nicht abgegeben. Ein Sprecher der Arbeitnehmervertretung sagte nun wörtlich: "Als Betriebsrat werden wir alle Möglichkeiten unterstützen, um die Arbeitsplätze unserer Kolleginnen und Kollegen mit Leiharbeitsverträgen zu sichern. Wir wissen, dass der Vorstand andere Szenarien diskutiert."
Designierter Gewerkschaftschef droht mit Widerstand
Derweil kündigte der designierte IG Metall-Chef Jörg Hofmann im Interview mit der "Bild am Sonntag" (BamS) seinen Widerstand gegen die Sparpläne der VW-Konzernspitze an. "Die Belegschaften bei VW und bei den Zulieferern treffen an dem Skandal keine Schuld", sagte Hofmann. "Es macht mich wütend, dass die Beschäftigten jetzt Angst um ihre Zukunft haben müssen." Die Gewerkschaft werde alles tun, damit die Belegschaft nicht ausbaden müsse, was Manager angerichtet hätten. Der 59-Jährige stellt sich am Dienstag für den Chefposten der Gewerkschaft zur Wahl. Hofmann soll dann im VW-Aufsichtsrat den derzeitigen Vize-Aufsichtsratschef Berthold Huber beerben, wie es in Gewerkschaftskreisen hieß.
Konzern schließt Skandal-Folgen für Produktion und Jobs nicht aus
Der Konzern nahm am Sonnabend zur Situation Stellung und schloss Folgen für Produktion und Jobs nicht ausdrücklich aus. "Zurzeit ist die Entwicklung der Absatz- und Beschäftigungssituation nicht absehbar", so ein VW-Sprecher . "Sollte sich ein vorübergehender Beschäftigungsrückgang ergeben, wird Kurzarbeit wie in der Vergangenheit eine sinnvolle Möglichkeit sein", hieß es weiter. Der Sprecher betonte allerdings, dass der Vorstand auch in dieser Krise alles unternehme, "die Beschäftigung der Volkswagen-Mitarbeiter zu sichern".
Kurzarbeit seit Wochen im Gespräch
Für den Betriebsrat ist die Reduzierung der Leiharbeit keine Option. Stattdessen sollte es eine Kurzarbeiterregelung für die Leiharbeiter geben. Damit unterstützt der Betriebsrat einen Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Man sei der Bundesregierung dankbar, dass sie die Arbeitnehmer bei Volkswagen im Auge behalte, die diese Krise nicht verursacht hätten, so der Betriebsrat. Die Union lehnte Gabriels Vorstoß allerdings ab. Die meisten Leiharbeiter werden von der VW-eigenen Tochter Autovision Zeitarbeit verliehen. Bisher übernimmt der Konzern Leiharbeiter nach 36 Monaten in die Stammbelegschaft. Dadurch haben in der Vergangenheit Tausende von ihnen feste Arbeitsverträge bekommen. Weltweit zählt der VW-Konzern rund 600.000 Mitarbeiter.
Ganzseitiges Schuldeingeständnis
Während fast täglich neue Details zum Abgas-Skandal bekannt werden, übte sich der Konzern unterdessen in schonungsloser Selbstkritik. In der eigenen Mitarbeiterzeitung "autogramm" druckte der Wolfsburger Konzern unter der Schlagzeile "60 Jahre Vertrauen sind weg" ein ganzseitiges Schuldeingeständnis mit folgendem Wortlaut ab:
"Wir haben das wichtigste Teil unserer Autos kaputt gemacht: Ihr Vertrauen. Wir haben gerade einen großen Fehler gemacht. Wir haben Ihr Vertrauen beschädigt. Vertrauen, das wir über 60 Jahre aufgebaut haben. Jedes Mal, wenn Sie eines unserer Fahrzeuge gekauft haben, haben Sie an uns geglaubt. Und trotzdem haben wir Sie nun enttäuscht. Darum werden wir jetzt vor allem eins tun: auf unsere Worte Taten folgen lassen. Denn wir werden eine Lösung für jeden betroffenen Kunden finden. Und wir werden nicht aufhören zu arbeiten, bis wir Ihr Vertrauen wiedererlangt haben."
Weltweiter "Kniefall" findet vorerst online statt
Laut eines Konzernsprechers ist der Text Teil einer auf die internationalen Märkte ausgerichteten Kampagne, die online bereits Verbreitung fand. In Deutschland sei der Text mit Ausnahme der Mitarbeiterzeitung noch nicht abgedruckt. Ob die Anzeige auch hierzulande eine weitere Verbreitung findet, sei noch nicht entschieden. Erste Überlegungen gebe es aber.
Erstmals rückt eine Frau in den Vorstand
Derweil geht der Umbau der Konzernspitze bei Volkswagen weiter. Am Freitag gab das Unternehmen bekannt, dass mit der früheren Verfassungsrichterin und Daimler-Vorstandsfrau Christine Hohmann-Dennhardt erstmals eine Frau in den Vorstand berufen wird. Hohmann-Dennhardt soll ab dem 1. Januar das neu geschaffene Ressort "Integrität und Recht" leiten.
Volkswagen hatte Abgaswerte mit einer Software manipuliert. Der Skandal gipfelte in der größten Firmenkrise der VW-Geschichte. Allein in Europa rufen die Wolfsburger ab nächstem Jahr 8,5 Millionen Diesel-Fahrzeugen zu Nachbesserungen zurück in die Werkstätten.