Friedenspflicht endet Sonntag: Stehen Warnstreiks bei VW an?
Warnstreiks beim Wolfsburger Autobauer Volkswagen werden immer wahrscheinlicher: Am Sonntag endet die Friedenspflicht. VW hat den "Zukunftsplan" der Arbeitsnehmerseite im Tarifstreit abgelehnt.
Für Samstagabend haben der VW-Betriebsrat und die IG Metall zu einer kleinen Demo vor dem Gewerkschaftshaus in Wolfsburg eingeladen. Der Arbeitnehmerseite geht es darum, die VW-Beschäftigten auf einen wohl bevorstehenden Arbeitskampf einzuschwören. Die IG Metall hatte bereits nach dem Ende der dritten Tarifrunde angekündigt, nach Auslaufen der Friedenspflicht am Samstag zu Warnstreiks aufrufen zu wollen. Einen konkreten Termin nannte die Gewerkschaft nicht. Es wären die ersten flächendeckenden Warnstreiks bei VW seit 2018.
VW hält "Zukunftsplan" für unzureichend
Am Freitag hatte der VW-Konzern den sogenannten "Zukunftsplan" der Arbeitnehmerseite abgelehnt. "Zwar können sich kurzfristig auch positive Effekte ergeben, jedoch führen die genannten Maßnahmen überwiegend zu keiner finanziellen nachhaltigen Entlastung des Unternehmens in den kommenden Jahren", teilte VW nach Abschluss einer Prüfung des Konzepts mit. Die Vorschläge der Arbeitnehmer seien zum Teil rechtlich nicht umsetzbar. Das gelte etwa für die vorgeschlagene Streichung der Boni für Manager. Man wolle aber mit der Arbeitnehmerseite im Dialog bleiben, "um gemeinsam tragfähige Lösungen zu erarbeiten". Nach dem Scheitern der dritten Tarifrunde war für den 9. Dezember ein neuer Termin für die Fortsetzung der Verhandlungen angesetzt worden.
Plan sollte 1,5 Milliarden Euro einsparen
IG Metall und Betriebsrat hatten vergangene Woche einen eigenen Plan für die Zukunft von Volkswagen vorgestellt. Dem Konzern stellten sie dabei eine Kostenentlastung von 1,5 Milliarden Euro in Aussicht. Dafür will die Gewerkschaft eine mögliche Tariferhöhung in einen Zukunftsfonds einbringen und vorerst nicht auszahlen. Im Gegenzug sollte VW auf Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verzichten.
IG Metall: Vorschlag "hart an der Grenze des Zumutbaren"
Ein Sprecher der IG Metall nannte die Ablehnung in einer Stellungnahme "bedauerlich". Das Konzept entspreche "sehr wohl einer Entlastung in der bezifferten Höhe". Man sei "hart an der Grenze des Zumutbaren für die Beschäftigten" einen riesigen Schritt auf die Arbeitgeberseite Volkswagens zugegangen. "Scheinbar fruchten stundenlange Excel-Präsentationen und eine valide Datenbasis beim Volkswagen-Vorstand nicht", heißt es in der Mitteilung, die die IG Metall am Freitag veröffentlichte.
VW will Lohn der Beschäftigten einkürzen
Der Wolfsburger Autobauer steckt tief in der Krise und will bei den Arbeitskosten entlasten, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Der Konzern fordert deswegen unter anderem einen Lohnverzicht der Beschäftigten von zehn Prozent sowie den Wegfall von Sonderzahlungen. VW-Markenchef Thomas Schäfer hatte jüngst davon gesprochen, die Kapazitäten an die "neuen Realitäten" anzupassen. An Kündigungen und Werksschließungen führe kein Weg vorbei.
In Indien droht eine Milliardenstrafe
Am Freitag wurde unterdessen bekannt, dass Volkswagen in Indien eine Strafzahlung von bis zu 2,8 Milliarden Dollar droht. Das Unternehmen soll seit 2012 insgesamt knapp 1,4 Milliarden Dollar zu wenig an Einfuhrzöllen gezahlt haben, heißt es in einem 95-seitigen Dokument der indischen Zollbehörden. Im Kern geht es um die Frage, ob VW in Indien ganze Bausätze importiert, die dann vor Ort endmontiert werden. Diese Praxis wird in der Branche als "Completely Knocked Down"-Produktion (CKD) bezeichnet. Nach den indischen Vorschriften fällt in diesem Fall ein Zollsatz von 30 bis 35 Prozent an. Für einzelne Autoteile dagegen liegt der Zollsatz zwischen 5 und 15 Prozent. Die indischen Behörden vermuten, dass Volkswagen die Importe bewusst wegen der Zollersparnis als Einzelteile deklariert, aber als CKD verwendet habe.