Betrug und Vertuschung: Ein Jahr VW-Abgas-Skandal
Der Abgas-Skandal ist noch längst nicht ausgestanden, aber bei VW will man am liebsten nur noch in die Zukunft blicken. Damit so ein Betrug nicht noch einmal passieren kann, hat sich der Konzern einen Wandel verordnet: Mehr Kontrollen, neue Abläufe und auch gleich die Neuerfindung der Unternehmenskultur. VW müsse mutiger und offener werden - auch für Kritik, so Christine Hohmann-Dennhardt, Konzern-Vorstand für Recht und Integrität: "Und zwar Kritik nicht nur von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben. Da muss man als Führungskraft auch bereit sein, sich das anzuhören", so Hohmann-Dennhardt. Man müsse sich auch Fehler eingestehen können und sagen können: "Vielleicht habe ich auch was falsch gemacht."
Klagen über Klagen
Kurz vor Ablauf einer möglichen Verjährungsfrist am 18. September häuften sich derweil die Klagen gegen das Unternehmen. Auch der milliardenschwere Vermögensverwalter Blackrock, der weniger als fünf Prozent der VW-Anteile hält, fordert wegen Kursverlusten etwa zwei Milliarden Euro Schadenersatz. Beim Landgericht Braunschweig liegen bereits mehrere Hundert vergleichbare Klagen mit einem Gesamtstreitwert von etwa vier Milliarden Euro. Die Kläger geben an, dass VW früher über den Abgasbetrug hätte informieren müssen, dann hätten die Anleger ihre Aktien entweder billiger bekommen oder gar nicht erst gekauft. Auch die Länder Baden-Württemberg und Hessen haben angekündigt, Schadenersatzklagen einzureichen. Ähnlich wie Bayern hatten die Länder in Fonds mit VW-Aktien investiert, um die Pensionen von Landesbeamten zu sichern.
Wer wusste von dem Betrug?
Die spannende Frage, wer vor Jahren den Abgas-Betrug angeordnet und wer davon gewusst hat, wird seit Monaten hinter verschlossenen Türen aufgearbeitet. Justizbehörden in Deutschland und den USA ermitteln. Parallel hat eine von VW angeheuerte US-Anwaltskanzlei Millionen von E-Mails und Akten ausgewertet. Der interne Bericht zur Aufklärung ist praktisch abgeschlossen, aber VW wurde von den US-Behörden zum Schweigen verdonnert. Der Auto-Analyst Frank Schwope von der Nord/LB glaubt nicht mehr an die versprochene Aufarbeitung des Betrugs: "Natürlich wird man nicht brutalstmöglich aufklären. Ich habe noch nie erlebt, dass in einer Krise von solchen Dimensionen krasse Aufklärung geleistet wurde", so Schwope. "Kommunikationsberater werden immer sagen, größtmögliche Transparenz walten zu lassen, aber in der Praxis sieht das gezwungenermaßen immer anders aus."
Debatte um Arbeitsplätze
Inzwischen ist bei Volkswagen eine Debatte um Arbeitsplätze entbrannt. Management und Betriebsrat verhandeln, wie Personal eingespart werden kann. Es stehe ein hartes Fitnessprogramm an, heißt es bei VW. Niedersachsens Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsratsmitglied Olaf Lies (SPD) betonte aber, dass es nicht um Kündigungen gehe: "Es geht nicht um die Frage von Reduzierung von aktueller Beschäftigung, sondern perspektivisch darum, möglicherweise nicht mehr jede Stelle wiederzubesetzen", so Lies.
Mehr Autos verkauft als vor einem Jahr
Doch es gibt auch ein paar gute Nachrichten für die Wolfsburger: Knapp ein Jahr nach Bekanntwerden des Abgasskandals hat Volkswagen mehr Autos verkauft als vor zwölf Monaten. Im August lieferte der Konzern weltweit rund 759.000 Autos aus und damit 6,3 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, wie der Konzern am Freitag mitteilte. In den USA, wo der Skandal aufgedeckt wurde, verkaufte der Konzern insgesamt 54.300 Fahrzeuge und damit 3,8 Prozent weniger als im August 2015. Die Marke VW verbuchte einen Rückgang um rund neun Prozent. Erfreulich entwickelten sich laut Unternehmen vor allem das Geschäft in China. Dort legten die Verkäufe im August um fast 20 Prozent auf knapp 324.000 Fahrzeuge zu.