Stand: 09.09.2016 15:01 Uhr

Abgas-Skandal kostet VW bis zu 35 Milliarden Euro

Von bis zu 35 Milliarden Euro ist die Rede, manche sprechen gar von 50 Milliarden Euro - wegen der Manipulation von Dieselmotoren erwarten den Volkswagen-Konzern Kosten in Milliardenhöhe. Wie viel genau VW letztlich für Strafzahlungen, Gerichtskosten, Rückrufe und Aktionärsklagen zahlen muss, ist zwar noch unklar. Die Schätzungen der meisten Analysten aber bewegen sich im Bereich von 20 und 35 Milliarden Euro, die der Wolfsburger Autobauer am Ende bezahlen muss. Eine Zahl steht immerhin schon mehr oder weniger fest: In den USA muss VW etwa 15,3 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 13,6 Milliarden Euro) aufbringen.

Weitere Informationen
Der Auspuff eines VW-Passats ist am 25.09.2015 vor dem Volkswagenwerk in Wolfsburg zu sehen. © dpa - Bildfunk

Die VW-Abgas-Affäre: Eine Chronologie

Der Abgas-Skandal hat VW in die schwerste Krise der Firmengeschichte gestürzt. Was ist bislang geschehen? mehr

Entschädigung für US-Händler

Neben diesen Kosten für die Einigung mit Hunderten amerikanischen Sammelklägern, Behörden und US-Bundesstaaten sind allein gut zehn Milliarden Dollar für den Rückkauf manipulierter Dieselautos veranschlagt - dabei geht es um 475.000 Fahrzeuge mit 2,0-Liter-Motoren. Die tatsächlichen Kosten hängen davon ab, wie viele Dieselbesitzer ihre Wagen zurückgeben und ob die US-Behörden eine Umrüstung genehmigen. Mindestens 1,2 Milliarden Dollar will VW laut Insidern seinen rund 650 US-Händlern als Entschädigung zahlen, weil sie seit fast einem Jahr keine Dieselautos mehr verkaufen durften. Und mit dem US-Justizministerium laufen derzeit Verhandlungen über eine Strafzahlung. Laut "Wall Street Journal" könnte dem deutschen Autobauer eine Strafe von mehr als 1,2 Milliarden Dollar aufgebrummt werden. Einige US-Bundesstaaten wollen zudem zivilrechtlich versuchen, einen höheren Schadensersatz durchzusetzen, weil sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar.

Entscheidung über 3,0-Liter-Diesel im November

Keine Einigung gibt es weiterhin für die rund 85.000 größeren Fahrzeuge mit Drei-Liter-Dieselmotor. VW zeigt sich zuversichtlich, dass eine Reparatur gelingen kann. Bis Ende Oktober hat das Gericht in San Francisco unter Richter Charles Breyer Volkswagen Zeit gegeben, um Lösungsvorschläge einzureichen. Sollte Volkswagen gezwungen werden, auch diese teureren Wagen zurückzukaufen, würde das weitere Milliarden verschlingen. Analysten schätzten diese Kosten auf umgerechnet bis zu 2,5 Milliarden Euro.

Entschädigung auch in Europa?

Für die Umrüstung der rund 8,5 Millionen Dieselautos in Europa rechnen Experten mit Kosten von gut einer bis drei Milliarden Euro. Der Auto-Analyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI rechnet zudem damit, dass sich schrumpfende Marktanteile von Volkswagen und geringere Preise im Ergebnis bemerkbar machen werden. Autobesitzer klagen zudem vor mehreren deutschen Gerichten wegen überhöhter Stickoxidwerte auf Rückabwicklung des Kaufs oder Schadensersatz. Allein vor dem Landgericht Braunschweig sind rund 70 solcher Klagen anhängig. Eine Entschädigung der europäischen Kunden lehnt VW ab, trotz Forderungen nach einem ähnlichen Vergleich wie in den USA. Sollten diese dennoch fällig werden, könnte das Volkswagen finanziell das Genick brechen, fürchten Experten. Der Auto-Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von einem Wertverlust in einer Größenordnung von 500 Euro je Fahrzeug aus. "Es ist schwierig zu sagen, ob VW am Ende doch einen symbolischen Betrag zahlen wird." Branchen-Experte Ellinghorst glaubt jedoch nicht, dass die Kunden in Europa Geld sehen werden.

Bildergalerie
Der VW-Kunde Stefan Ader und ein Techniker vom Rollenprüfstand stehen vor einem VW Amarok. © NDR Foto: Björn Siebke

VW-Rückruf: Amarok im vorher-nachher-Vergleich

Die ersten Autos von Volkswagen haben den Rückruf hinter sich. VW hatte versprochen, dass die Autos keine Leistung verlieren. Stimmt das? Wir haben es getestet. Bildergalerie

Müller: "Wir haben die ganze Welt am Hals"

In Italien brummte die Wettbewerbsbehörde VW eine Strafe von bis zu fünf Millionen Euro auf, in Großbritannien forderte der Umweltausschuss vom Parlament eine härtere Gangart gegen VW. Die Probleme für VW beschränken sich jedoch nicht auf die USA und Europa. "Wir haben die ganze Welt am Hals", sagte Konzernchef Matthias Müller unlängst. Südkorea, zweitgrößter Markt für Dieselfahrzeuge in Asien, zog die Zulassungen für VW- und Audi-Modelle zurück und verhängte eine Strafe von umgerechnet 14,3 Millionen Euro. In Australien fordern Besitzer von VW-Dieselautos Entschädigung von umgerechnet 6.700 Euro pro Fahrzeug, die Verbraucherschutzbehörde klagt ebenfalls gegen VW. Auch in Kanada ringt der Konzern noch um die Beilegung des Abgas-Skandals. Würde das US-Entschädigungmodell auf den nördlichen Nachbarn übertragen, müsste der Konzern womöglich mit einer weiteren Belastung in Milliardenhöhe rechnen.

Selbst Anwälte kosten bis zu einer Milliarde Euro

Weltweit sieht sich Volkswagen zudem mit milliardenschweren Schadensersatzklagen von Investoren und Kleinaktionären konfrontiert. Sie werfen Volkswagen vor, zu spät über das Ausmaß des Abgas-Skandals informiert zu haben und wollen einen Ausgleich für Kursverluste durchsetzen. Zu den Klägern gehören große US-Pensionsfonds, der Norwegische Staatsfonds, aber auch der Versicherungskonzern Allianz und die Dekabank. Das Land Bayern hat ebenfalls angekündigt, wegen Kursverlusten seines Pensionsfonds für die Landesbeschäftigten vor Gericht zu ziehen. Hessen und Baden-Württemberg prüfen einen solchen Schritt. Beim Landgericht Braunschweig liegen 290 Schadensersatzklagen mit Forderungen von zusammen rund vier Milliarden Euro. Nicht zuletzt die Scharen von Anwälten, die Volkswagen weltweit beschäftigt, verschlingen Geld. Auto-Experte Pieper geht von bis zu einer Milliarde Euro aus, sein Kollege Ellinghorst schätzt die Anwaltskosten auf mehrere Hundert Millionen.

Weitere Informationen

VW: Keine Vier-Tage-Woche in Emden

Wieder schlechte Nachrichten für VW-Mitarbeiter in Emden: Der Standort ist nicht ausgelastet. Eine Vier-Tage-Woche soll es zwar nicht geben, dafür aber arbeitsfreie Wochen. (08.09.2016) mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Hannover | 09.09.2016 | 14:30 Uhr

Mehr Nachrichten aus der Region

Ein Neugeborenes trinkt an der Brust der Mutter © Colourbox Foto: Sergey Novikov

Muttermilch spenden: Ab sofort in Göttingen möglich

Die Muttermilch wird für die Versorgung von Frühchen und Neugeborenen an der Universitätsmedizin Göttingen genutzt. mehr

Aktuelle Videos aus Niedersachsen