Abgasskandal: 2,1 Millionen Audi-Fahrzeuge betroffen
Der Abgasskandal bei Volkswagen zieht immer weitere Kreise: Auch 2,1 Millionen Fahrzeuge der VW-Tochter Audi sind von den Manipulationen betroffen. Das bestätigte ein Audi-Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters. In der Region Westeuropa gehe es um 1,42 Millionen Wagen, in Deutschland um 577.000. In den USA betreffe die Manipulation der Abgastechnik rund 13.000 Fahrzeuge, so der Audi-Sprecher. Der fragliche Motor sei in den Varianten mit 1,6 und 2 Litern Hubraum als Turbodiesel in den Typen A1, A3, A4 und A6, dem Sportwagen TT sowie den Geländewagen Q3 und Q5 verbaut worden. Der Volkswagen-Konzern hat die verbotene Software weltweit in elf Millionen Fahrzeugen verbaut, betroffen sind auch Fahrzeuge der Marke Skoda.
Wusste VW schon seit Jahren von Manipulationen?
Unterdessen war am Wochenende bekannt geworden, dass es bei Volkswagen schon vor Jahren Warnungen vor Abgas-Manipulationen gegeben hatte. Bereits 2011 soll ein VW-Techniker vor illegalen Praktiken in Zusammenhang mit Abgaswerten gewarnt haben. Das berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS). Sie beruft sich dabei auf Aufsichtsratskreise und einen Prüfbericht der internen Revision des Unternehmens. Unklar sei, warum diese Warnung folgenlos geblieben ist und wer alles davon wusste. Dem Bericht zufolge erfuhr der Aufsichtsrat in seiner Sitzung am Freitag davon. Sollte Managern nachgewiesen werden, dass sie in den Skandal direkt verwickelt sind, müssten sie mit strafrechtlichen Konsequenzen und Schadenersatzforderungen rechnen. Ein Volkswagen-Sprecher wollte den Bericht am Sonntag nicht kommentieren. "Wir ermitteln auf Hochtouren und werden die Ergebnisse, sobald wir sie haben, bekanntgeben", sagte ein VW-Sprecher.
Autozulieferer Bosch warnt VW schon 2007
Eine noch frühere Warnung hat es offenbar von dem Autozulieferer Bosch gegeben. Wie die "Bild am Sonntag" berichtet, ist die interne Revision des Fahrzeugherstellers bei den Untersuchungen in der Abgas-Affäre auf ein brisantes Dokument gestoßen. Demnach hat Bosch bereits 2007 in einem Schreiben an den VW-Konzern vor einer illegalen Verwendung seiner Technik zur Abgasnachbehandlung gewarnt. Bosch habe die Software an VW geliefert, die allerdings nur für Testzwecke und nicht für den normalen Fahrbetrieb vorgesehen gewesen sei. Der Zeitung zufolge teilte der Zulieferer damals den Wolfsburgern mit, dass der geplante Einsatz gesetzeswidrig sei. Bosch äußerte sich am Sonntag nicht dazu. "Wir sind gegenüber VW zu Vertraulichkeit verpflichtet", sagte ein Bosch-Sprecher in Stuttgart.
Zuvor hatten sich dem "Bild"-Bericht zufolge bereits der damalige VW-Markenchef Wolfgang Bernhard und Motorenchef Rudolf Krebs für das sogenannte Ad-Blue-System bei Diesel-Motoren ausgesprochen. Das sei die "einzige technische Möglichkeit, die Abgastests in Amerika zu bestehen", schreibt die Zeitung. Offenbar wurde damals auf den Einsatz des Systems, bei dem Wasser und Harnstoff die Stickoxide unschädlich machen, verzichtet.
Kraftfahrtbundesamt fordert Zeitplan für Umrüstaktion
Unterdessen hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) den Druck auf Volkswagen erhöht. Das KBA fordert von VW einen konkreten Zeitplan für die Beseitigung der Manipulationen. Bis zum 7. Oktober soll VW verbindlich erklären, wann die Dieselautos die verbindlichen Abgaswerte halten werden. VW hatte am Sonnabend zugesagt, die Umrüstaktion der betroffenen Autos zügig voranzutreiben. Weltweit haben rund elf Millionen Dieselfahrzeuge die manipulierte Software eingebaut. "Wir werden den Behörden in der nächsten Woche Lösungsvorschläge für technische Maßnahmen vorstellen, diskutieren und abstimmen", sagte ein Konzernsprecher dem NDR am Sonntag. "Im Anschluss werden wir einen Zeitplan erstellen, um die Fahrzeuge der betroffenen Kunden umzurüsten." Dies werde mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Wie Volkswagen konkret vorgehen will, ist indes noch nicht klar. Für jeden Markt solle die Aktion mit den jeweiligen Behörden abgestimmt werden. "Das kann eine Rückrufaktion sein, aber auch eine Serviceaktion", so ein Sprecher.
"Es sind gewaltige Kosten"
Alle weltweit betroffenen elf Millionen Autos sind nach Angaben des Konzern mittlerweile identifiziert. Die Halter würden schriftlich informiert. Sie könnten mit den betroffenen Wagen erst einmal weiterfahren. Die Kosten für die Nachbesserungen übernimmt VW - und diese dürften angesichts der hohen Zahl betroffener Fahrzeuge immens sein. Das bestätigt auch der Konzernsprecher: "Es sind gewaltige Kosten, aber es ist völlig selbstverständlich, dass die Kunden nicht auf den Kosten sitzengelassen werden." Rund fünf Millionen der von der Manipulation betroffenen Autos tragen das Emblem der Kernmarke VW. Dabei handele es sich Volkswagen zufolge um unterschiedliche Modelle aus mehreren Baujahren, etwa den Golf der sechsten Generation, den Passat der siebten Generation und die erste Generation des Tiguan. Neuwagen mit der Euro 6 Abgasnorm seien von den Manipulationen aber ausgenommen.
Politik nimmt Müller in die Pflicht
Noch vor der Ankündigung hatte die SPD-Bundestagsfraktion den neuen VW-Chef Matthias Müller in die Pflicht genommen und auf eine großangelegte Rückrufaktion gepocht. "Volkswagen muss die manipulierten Fahrzeuge in Deutschland sofort und freiwillig in die Werkstätten rufen und die Manipulation beheben", sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sören Bartol der "Bild" (Sonnabendausgabe). Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, schloss sich der Forderung an: "VW wird den Abgas-Skandal nur überstehen, wenn der Konzern alle Manipulationen veröffentlicht und alle betroffenen Fahrzeuge zurückruft und umweltgerecht umrüstet."
Schweiz verbietet Verkauf von betroffenen Modellen
In den USA drohen dem Konzern Schadenersatzklagen, eine Milliardenstrafe und eine Rückrufaktion. In der Schweiz haben die Behörden unterdessen den Verkauf von möglicherweise betroffenen Dieselmodellen verboten. Dies teilte das Bundesamt für Straßen (Astra) am Freitagabend mit. Nicht betroffen seien Fahrzeuge, die bereits "in Verkehr gesetzt sind". Derweil haben die Behörden in den USA und in der EU schärfere Abgas-Test angekündigt. Der Schadstoffausstoß werde künftig nicht nur im Testlabor geprüft, sondern auch im Straßenverkehr.
Konzern steht vor Generalüberholung
Neben den finanziellen Folgen des Abgas-Affäre muss Volkswagen sich auch intern großen Herausforderungen stellen. Der Konzern soll komplett umgebaut werden, kündigte der Aufsichtsrat an. Ein erster Schritt war der am Freitagnachmittag vollzogene Wechsel an der Spitze - anstelle Martin Winterkorns leitet nun der ehemalige Porsche-Chef Matthias Müller die Geschicke des Konzerns. Der frischgebackene VW-Vorstandsvorsitzende ließ dann auch umgehend erste Änderungen verlauten: Unter seiner Führung werde Volkswagen strengere interne Verhaltensregeln und Richtlinien umsetzen. "Die strengsten der gesamten Branche", so Müller. Außerdem solle der Konzern mit seinen zwölf Marken neu gegliedert werden. Doch bevor dies geschehe, würden die Machenschaften Einzelner aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen - "schonungslos und ohne Rücksicht". Mehrere Führungskräfte sollen bereits beurlaubt sein. Nach Informationen des NDR müssen Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg, Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und VW-Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer den Konzern verlassen. Sie gelten als Verantwortliche, die von der Betrugs-Software wussten, sie geduldet haben oder sie sogar eingeführt haben.