Zu wenige Hausärzte: Niedersachsen kündigt Offensive an

Stand: 19.02.2025 21:10 Uhr

In Niedersachsen sind laut Kassenärztlicher Vereinigung (KVN) Hunderte Hausarztpraxen unbesetzt. Mit einem Zehn-Punkte-Plan steuern Landesregierung und Verbände nun gegen.

von Jule Lampe

Eine Hausärztin oder einen Hausarzt braucht jeder von uns früher oder später. Doch der Hausärztemangel in Niedersachsen ist akut und spitzt sich seit Jahren zu. "Hausärzte sind das Rückgrat im Gesundheitssystem und das bricht uns weg", sagt Nils Schneider bei der Vorstellung des Vorhabens am Mittwoch in Hannover. Er ist Direktor des Instituts für Allgemein- und Palliativmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und hat an dem Plan mitgearbeitet. "Das ist ein großer Schritt für uns, denn der Zehn-Punkte-Plan liefert statt Einzelmaßnahmen gleich eine Reihe von Ansätzen“, sagt er. Zudem seien eine Reihe von weiteren Akteuren beteiligt gewesen, darunter das Wissenschaftsministerium, das Gesundheitsministerium, die KVN und die Universitäten.

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Das Medizinstudium als Teil der Lösung

Eine Million Euro stellt das Gesundheitsministerium für die Umsetzung des Aktionsplans zur Verfügung. "Wir drehen bewusst an unterschiedlichen Stellschrauben", sagt Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD). Das sei auch im Aktionsplan erkennbar. So soll zunächst die Zahl der Medizinstudienplätze erhöht werden. Die Universitätsmedizin Oldenburg wird zum Wintersemester 2026/27 gleich 80 zusätzliche Plätze anbieten. "Wir haben unsere Bereitschaft gezeigt, auch an den anderen Standorten die Plätze jeweils um 50 Plätze zu erhöhen", erklärt Wolfgang Brück von der Universität Göttingen. Doch dafür kann das Wissenschaftsministerium bisher kein Geld zur Verfügung stellen. "Ein Medizinstudienplatz kostet rund 250.000 Euro, plus Investitionskosten in Gebäude und Ausrüstung. Deswegen gibt es diese enormen Begrenzungen im Haushalt", sagt Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD).

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Zehn-Punkte-Aktionsplan für mehr Hausärzte in Niedersachsen

Hier geht es zur 40 Seiten fassenden Langfassung des Plans, den das Land am Mittwoch vorgestellt hat. Download (1 MB)

Stärkerer Fokus auf Allgemeinmedizin

Dennoch sollen auch an den Standorten Göttingen und Hannover die Auswirkungen des Zehn-Punkte-Plans spürbar sein. So soll innerhalb der Ausbildung ein stärkerer Fokus auf die Allgemeinmedizin gelegt werden, die als größtes Fachgebiet in der Medizin häufig unterrepräsentiert sei. "Für viele Studierende klingt es zunächst auch nicht spannend, in einer Hausarztpraxis zu arbeiten. Doch, wenn sie es dann tun, sind sie oft begeistert“, sagt Schneider von der MHH. Es fehle schlichtweg an Berührungspunkten.

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Bessere Versorgung auf dem Land

Besonders dramatisch ist die Versorgungslage in ländlichen Regionen. Die Landespolitik versucht deshalb seit einigen Jahren mit einer Landarztquote gegenzulenken, die einen leichteren Zugang zum Medizinstudium ermöglicht, wenn junge Ärzte sich anschließend verpflichten, auf dem Land zu praktizieren. Mit einem neu geschaffenen Mentoren-Programm sollen diese Studierenden in Zukunft Ansprechpartner erhalten. "Wenn man Ärztinnen und Ärzte hat, können diese den Studierenden in schweren Zeiten unter die Arme greifen", so Schneider. Das würde die Abbruchquote verringern und Studierende leichter an die Arbeit auf Land heranführen.

Mehr Möglichkeiten für Quereinsteiger

Bis die Ausbildung oder die Landarztquote echte Ergebnisse liefert, vergehen jedoch einige Jahre. Der Zugang von Quereinsteigern gewinnt daher zunehmend an Bedeutung bei der Gewinnung von Fachkräften. "Wenn ein Arzt seine chirurgische Karriere beenden möchte, kann er durch eine zweijährige Fortbildung anschließend als Allgemeinmediziner arbeiten", erklärt Minister Philippi (SPD). Das soll vor allem schnell Abhilfe schaffen und Kollegen entlasten.

Ein Stethoskop liegt auf einem Stapel Patientenakten © picture alliance  / empics Foto: Anthony Devlin
Der wachsende Ärztemangel ist in Niedersachsen seit Jahren bekannt.
Entlastung für Ärzte

"Über 70 Prozent der Hausärzte sind über 50 Jahre alt", erklärt Thorsten Schmidt von der KVN. Viele dieser Ärzte wollen - Stand jetzt - allerdings nicht bis zur Rente arbeiten. Das läge vor allem an den bürokratischen Auflagen und an den wachsenden Anforderungen an die Ärzte. So verbringe ein Arzt rund 62 Arbeitstage im Jahr mit Bürokratie und Anfragen. Gleichzeitig steige der Druck bei der eigentlichen Arbeit. "Die Anzahl der Patienten pro Arzt steigt durch den Mangel natürlich extrem an", sagt Thorsten Schmidt. Er begrüßt daher die Pläne, Bürokratie weiter abzubauen und auch medizinische Assistenzberufe stärker zu fördern. "Das ist natürlich eine Entlastung und das Berufsfeld der medizinischen Fachangestellten gewinnt zudem an Anerkennung". Denn durch Weiterbildung sei so auch ein Aufstieg möglich und damit auch weitere Zuständigkeiten.

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Hallo Niedersachsen | 19.02.2025 | 14:00 Uhr

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