Eine Person hält in einem Labor eine Glasschale mit Lithiumchlorid in den Händen. © Uwe Anspach/dpa

Wie es um einen möglichen Lithium-Abbau im Norden steht

Stand: 05.08.2024 14:41 Uhr

Lithium ist vor allem für die Herstellung von Batterien für E-Autos, Laptops, Handys und Energiespeicher wichtig. Doch Deutschland ist bei dem Rohstoff von anderen Ländern abhängig. Abhilfe könnten heimische Lithium-Quellen schaffen - auch in Norddeutschland.

von Nele Rößler und Claudia Plaß

Große Lithium-Vorkommen befinden sich vor allem in Chile und Australien, größter Verarbeiter ist China. Aber auch in Europa gibt es Lithium. Das soll helfen, die EU bald unabhängiger von Importen zu machen. Kürzlich ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) deswegen nach Serbien gereist. In Niedersachsen wird unterdessen seit mehreren Jahren zu einem möglichen Lithium-Abbau geforscht.

Forschungsprojekt mit Proben aus der Lüneburger Heide

Im Rahmen des Forschungsprojekts der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) werden Wasserproben aus der Lüneburger Heide nach Hannover transportiert. Sie stammen aus Tiefenwasser, fast 4.000 Meter unter der Erde. Bei der BGR werden die Proben auf ihren Lithium-Gehalt untersucht.

"Wir hatten hier in Norddeutschland vor Millionen Jahren einen Ur-Ozean", erklärt der Geologe und Projektleiter bei der BGR, André Stechern. Im sogenannten Norddeutschen Becken befindet sich heißes Tiefenwasser, interessant für die Erdwärme-Nutzung: Bei der Geothermie geht es darum, die heißen Wasser-Reservoirs aus der Tiefe anzubohren, an die Oberfläche zu pumpen und daraus Strom oder Heizenergie zu gewinnen.

Wie viel Lithium ist im Tiefenwasser enthalten?

Das Tiefenwasser enthält auch Lithium. Dies will man künftig nutzen - indem man den Rohstoff aus dem Wasser extrahiert, bevor es wieder tief in das Erdinnere befördert wird. Für das Forschungsprojekt dient eine ehemalige Gasbohrung. "Mittlerweile ist sie eine Geothermie-Forschungsbohrung", sagt Stechern. Um zu wissen, ob sich der Lithium-Abbau lohnt, muss klar sein, wie viel davon im Tiefenwasser vorhanden ist und wie es sich am besten herausfiltern lässt.

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Im Labor geschieht das mit einem Verfahren, das sich optische Emissionsspektrometrie nennt. Die Methode basiert darauf, dass angeregte Atome elektromagnetische Strahlung aussenden - damit kann bestimmt werden, wie die Wasserproben zusammengesetzt sind. Im Labor strahlen schließlich die einzelnen Elemente in verschiedenen Farben. Lithium strahlt rötlich.

Vielversprechende erste Ergebnisse

Noch dauert das Forschungsprojekt der BGR an. Erste Ergebnisse zeigen: Ein Liter Tiefenwasser enthält etwa 192 Milligramm Lithium. In einem recht schnellen Verfahren können laut Projektleiter Stechern 70 Prozent davon herausgefiltert werden. Werte, die interessant seien für Unternehmen, die einen Lithium-Abbau erwägen, so Stechern. Aus einem Bohrstandort könnte pro Jahr so viel gewonnen werden, dass es für etwa 5.000 bis 10.000 E-Auto-Batterien reicht. Für den gesamten norddeutschen Raum lässt sich die Menge noch nicht beziffern. Unter anderem kommt es darauf an, wie viele Standorte künftig genutzt werden.

Die Lithium-Förderung aus Tiefenwasser in Norddeutschland könnte einen Beitrag zur Rohstoff-Unabhängigkeit von anderen Ländern leisten. Würde man das Potenzial aus dem Norddeutschen Becken mit einem weiteren, ähnlichen Projekt im Oberrheingraben in Süddeutschland zusammennehmen, könnten womöglich 10 bis 30 Prozent des jährlichen Bedarfs für die Batterie-Produktion in Deutschland gedeckt werden, sagt Projektleiter Stechern.

Kritik von Umweltschützern - Forscher kontern

Blick aus der Luft auf die riesigen Solebecken einer Lithium-Mine in der Atacama-Wüste in Chile. © picture alliance / AA Foto: Lucas Aguayo Araos
Blick aus der Luft auf eine Lithium-Mine in der Atacama-Wüste in Chile: Das Land zählt zu den größten Lithium-Produzenten der Welt.

Umweltschützer sind skeptisch. Sie fordern, dass weder in der Lüneburger Heide noch in anderen norddeutschen Regionen gebohrt wird: Es handele sich um ökologisch bedeutsame Regionen mit einer hohen Biodiversität. Viel Kritik gibt es zudem vor allem am Lithium-Abbau aus Salzseen in Chile - wo Wasser gezielt verdampft wird und der Abbau die Umwelt schädigt. Die BGR und andere Forscher weisen aber darauf hin: Im Vergleich dazu ist eine Nutzung aus dem Tiefenwasser eine umweltschonende Lösung.

Wichtig sei allerdings, dass sich das Grundwasser nicht mit dem Tiefenwasser vermischt. Es ist sehr salzhaltig und enthält teilweise Elemente, die schädlich für die Umwelt sind. Deshalb dürfe das hochgepumpte Tiefenwasser keinesfalls in Seen und Flüssen entsorgt werden, sagt Thilo Hofmann, Umweltwissenschaftler an der Universität in Wien. Der Abbau darf also nur in einem geschlossenen Kreislauf mit dichten Bohrlöchern geschehen. Deshalb muss es strenge Umweltauflagen für die Lithium-Förderung aus Tiefenwasser geben. Dass diese in Deutschland zuverlässiger eingehalten werden als im Ausland - davon ist Thilo Hofmann überzeugt.

Mehrere Erlaubnisse zur Lithium-Aufsuchung vergeben

Auf norddeutsches Lithium setzen offenbar auch mehrere Unternehmen. Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Niedersachsen hat bereits vier Erlaubnisse zur Aufsuchung von Lithium vergeben. Darunter befindet sich eine Firma aus München, auch die Stadtwerke Munster-Bispingen haben eine entsprechende Erlaubnis erhalten. Dabei handelt es sich noch nicht um eine Bewilligung zum Abbau selbst, sondern darum, sich die entsprechenden grundlegenden Rechte zu sichern. Die Stadtwerke wollen einen möglichen Lithium-Abbau nach eigenen Angaben mit einem Geothermie-Projekt verbinden. Die Idee dahinter: einen Rohstoff aus der Region nachhaltig zu gewinnen und ihn möglicherweise an die Industrie weiterzuverkaufen. Eine erste Bohrung ist frühestens für Ende 2026 geplant.

Noch ist nicht klar, ob der geplante Lithium-Abbau langfristig wirtschaftlich ist. Eine wichtige Rolle wird die Entwicklung des Lithium-Preises spielen, ebenso die Kosten für Abbau und Produktion in Deutschland. Lithium steht zudem direkt mit der Entwicklung von Batterien in Verbindung. Derzeit werden auch schon Batterien entwickelt, die ohne Lithium auskommen. Viele Experten gehen aber davon aus, dass der Bedarf an Lithium-Ionen-Batterien weiter steigt.

Lithium-Raffinerie in Emden soll 2026 in Betrieb gehen

Darauf weisen auch weitere Projekte in Norddeutschland hin: In Emden ist derzeit eine Lithium-Raffinerie geplant, voraussichtlich Ende 2026 soll sie ihren Betrieb aufnehmen. Die Produktion soll den Batterie-Bedarf von 850.000 Elektro-Fahrzeugen decken. Ob dort auch Lithium aus Norddeutschland verarbeitet wird? Im niedersächsischen Wirtschaftsministerium hat man angesichts des derzeitigen Planungsstandes keine "gesicherten Informationen" zu konkreten Lithium-Quellen für die Raffinerie. Grundsätzlich könnten aber "auch in Norddeutschland geförderte Lithiumchloridlösungen" genutzt werden.

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NDR Info | Wirtschaft | 05.08.2024 | 07:36 Uhr

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