Weil: Niedersachsens Wirtschaft kommt an China nicht vorbei
Niedersachsen sucht die Nähe zu China - und umgekehrt. In der chinesischen Millionenstadt Hefei haben beide Seiten ihre Partnerschaft besiegelt.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist mit einer 60-köpfigen Delegation in der Partnerregion Anhui unterwegs. Handelskonflikte oder Strafzölle spielen bei dem Besuch keine Rolle. Die chinesischen Gastgeber in der Millionenmetropole Hefei geben sich alle Mühe, dass sich die Niedersachsen wohl fühlen: Ganze Straßenzüge werden für die Gäste abgesperrt, eine Polizei-Eskorte mit Blaulicht lotst Weil und seine Delegation von Termin zu Termin. Der Parteisekretär von Anhui, Han Jun, lädt zum festlichen Bankett, abgerundet von traditionellen chinesischen Tänzen. Danach wandern er und Weil im Huangshan-Gebirge. Für China sind die "gelben Berge" ein Symbol wie die Große Mauer oder der Fluss Jangste. "Anhui ist die treibende Kraft für Chinas Entwicklung", wirbt Parteisekretär Han Jun für seine Provinz. Ministerpräsident Weil lobt die "Atmosphäre der Aufrichtigkeit" zwischen den Partnern. Harmonie statt Handelskrieg. Per Vertrag besiegeln Han Jun und Stephan Weil, ihre Zusammenarbeit zu vertiefen.
Weil: Mit China im Gespräch bleiben
Bei seiner China-Reise wirbt Niedersachsens Ministerpräsident dafür, miteinander im Gespräch zu bleiben - und trotz unterschiedlicher politischer Ansichten auch ins Geschäft zu kommen. "Es ist eine schlechte Option, nicht mehr miteinander zu reden", sagt Weil. Die Ausgangslage ist kompliziert: Der Handelskonflikt zwischen China und den USA schaukelt sich hoch, Chinas Nähe zu Russland stört viele und mit Taiwan wächst schon das nächste Problem heran. Das China-Bild in Deutschland hat zuletzt mehr und mehr Kratzer bekommen: Viele fürchten eine zu große Abhängigkeit vom Riesen in Fernost. Unternehmen klagen über unfairen Wettbewerb, weil China seine Wirtschaft massiv subventioniert - nicht nur bei Elektroautos, sondern auch bei Solarzellen und anderen Hightech-Produkten. "De-Risking" ist das wirtschaftspolitische Gebot der Stunde. Es geht darum, Abhängigkeiten zu verringern. Trotz allem: Weil macht bei seinem Besuch klar, dass er China trotzdem als entscheidenden Handels- und Wirtschaftspartner sieht: "'De-Risking' heißt ja nicht, dass nicht mehr investiert werden kann." Oder anders ausgedrückt: etwas mehr Vorsicht - aber ohne China geht es nicht.
Niedersächsische Wirtschaft liebäugelt mit China
Während sich viele in Deutschland am liebsten von China lösen wollen, denken niedersächsische Wirtschaftsvertreter in Weils Delegation ganz offen darüber nach, ihr China-Engagement auszubauen. Ein Unternehmer aus Braunschweig kann sich vorstellen, eine Fertigung für Filteranlagen aufzubauen. Eine Firmeninhaberin aus dem Landkreis Gifhorn lobt, wie zupackend chinesische Unternehmen ihre Ziele angehen. Sie spricht von einer "Hands-on-Mentalität", die in Deutschland verloren gegangen ist. Auch Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der Industrie und Handelskammer (IHK) Hannover, warnt davor, sich abzunabeln. "Den Fortschritt, den es in China gibt, dürfen wir als Exportnation nicht aus den Augen verlieren", sagt Bielfeldt. "Dafür sind wie ja auch hier, und die Gespräche laufen positiv."
China als Fitnessprogramm für Volkswagen?
Die Delegation aus Niedersachsen hat auch noch einen Besuch des Volkswagen-Werks in der Provinzhauptstadt Hefei auf dem Plan. VW investiert dort Milliarden, um auf dem chinesischen Markt wieder erfolgreicher zu sein. Volkswagen will in Hefei erreichen, dass neue Modelle schneller auf den Markt kommen. Die Autos sollen digitaler und vernetzter sein - und auch wieder den Geschmack der Chinesen treffen. In China sind in kürzester Zeit viele neue Elektroanbieter auf den Markt gekommen, die die etablierten Hersteller unter Druck setzen. Im Straßenbild von Shanghai sind Autos von VW inzwischen selten zu sehen. Bei Volkswagen wächst die Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Deswegen ruht die Hoffnung nun auf dem Standort Hefei. Auch hier stehen die Zeichen also auf mehr China, nicht auf weniger. Für Volkswagen, sagt der Ministerpräsident Weil, könne China eine Art Trainingslager werden. Schneller und besser zu werden, sei für Volkswagen "Teil des Fitnessprogramms", so Weil. IHK-Hauptgeschäftsführerin Bielfeldt sieht es ähnlich. "China ist einfach ein Riesenmarkt", betont Bielfeldt. "Wer hier überlebt, ist weltweit vorzeigbar." Die Trainingspartner für die deutschen Unternehmen werden immer mehr: Pro Tag, sagt der Parteisekretär Han Jun, gründen sich in der Provinz Anhui fünf neue, internationale Hightech-Unternehmen.