Wärmepumpen und E-Autos: Stromnetze vor dem Kollaps?
Nach den Plänen der Bundesregierung sollen Wärmepumpen dabei helfen, den CO2-Ausstoß in Deutschland deutlich zu verringern. Doch bereits jetzt gibt es in niedersächsischen Städten und Kommunen Probleme bei der Umrüstung.
Bis 2030 sollen rund sechs Millionen Wärmepumpen und 15 Millionen Elektrofahrzeuge die Energiewende voranbringen. Ein Mammut-Projekt, denn aktuell gibt es gerade einmal 1,2 Millionen Wärmepumpen und in etwa genauso viele E-Autos. Einige Kritiker warnen angesichts solcher Zahlen vor einem drohenden Kollaps der Stromnetze. Denn schon jetzt zeigen sich erste Probleme beim Umrüsten auf größere Wärmepumpen, weil das Stromnetz vor Ort nicht dafür ausgelegt ist. Mancherorts müssen neue Umspannwerke und Trafohäuschen gebaut, dickere Ladekabel verlegt und neue Hausanschlüsse installiert werden.
Lieferprobleme, Fachkräftemangel und lange Genehmigungsverfahren
Der von der Bundesregierung vorgelegte Zeitplan für den Ausbau von Wärmepumpen und Ladestationen sei "herausfordernd", "ambitioniert", oder sogar "unrealistisch", sagten alle vom NDR Niedersachsen befragten Energieversorger und Wohnungsbauunternehmen. Das läge nicht am Willen oder an der technischen Machbarkeit, sondern an fehlenden Fachkräften, Lieferproblemen und nach wie vor zu langwierigen Genehmigungsverfahren.
Beispiel Lüneburg: Ein Jahr Wartezeit bis Inbetriebnahme
Auch die Wohnungsgenossenschaft Lüneburg hat diese Erfahrung gemacht. Ganz konkret in der Planckstraße. Die dort stehenden Mehrfamilienhäuser aus den 1960er-Jahren haben bereits Photovoltaik-Anlagen auf ihren Dächern. Die Wärmepumpen folgten - aber auch einige böse Überraschungen. Vorstand Ulf Reinhardt sagte dem NDR in Niedersachsen: "Im letzten Jahr schienen die größten Hürden immer noch der Handwerkermangel und die Lieferzeiten der Wärmepumpen zu sein. Mittlerweile haben wir gelernt: An jedem Standort, wo wir eine Wärmepumpe installieren, benötigen wir einen neuen Hausanschluss samt Trafohäuschen." Und das dauert. Dies liege zum einen an den langen Lieferzeiten für die Trafohäuser und zum anderen an langwierigen und aufwendigen Genehmigungsverfahren. Im Fall Planckstraße hat das dazu geführt, dass ein im vorigen Sommer bestelltes Trafohaus samt Wärmepumpe erst jetzt, nach einem Jahr, in Betrieb gehen konnte.
Immobilienunternehmen: Überforderung auf allen Seiten
Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der unter anderem die Interessen von Stadtwerken vertritt, sieht die aktuelle Entwicklung skeptisch. Pressesprecher Alexander Hauk sagte dem NDR: "Über das Ziel der Energiewende gibt es keinen Streit - aber über den Weg." Ähnlich formuliert es der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko: "In Deutschland haben wir einfach das Problem, dass alles auf einmal sehr schnell realisiert werden soll. Und das überfordert die Kapazitäten des Handwerks, es überfordert die Kapazitäten der Hersteller und es überfordert auch die Kapazitäten bei denjenigen, die die Investitionen leisten sollen."
Einige Versorgungsbetriebe winken ab
Laut Bundesregierung sollen ab 2024 pro Jahr 500.000 Wärmepumpen deutschlandweit installiert werden. Der NDR hat dazu mehrere Energieversorger in Niedersachsen gefragt: Ist das ein realistisches Ziel? Die Antwort der Stadtwerke Schneverdingen-Neuenkirchen dazu lautet: "Aufgrund der Lieferzeiten der Wärmepumpen und den verfügbaren Fachkräften - nach unseren Gesprächen mit Installateuren - realistisch: nein." Dieser Einschätzung schließen sich unter anderem auch die Stadtwerke Soltau, die Versorgungsbetriebe Hann. Münden und das Teutoburger Energienetzwerk an.
EWE und Enercity: Projekt Wärmepumpe "grundsätzlich möglich"
Die Netzbetreiber EWE in Oldenburg und Enercity in Hannover wiederum sagen, dass es "grundsätzlich möglich" sei, die Stromnetze so zu modernisieren, dass die nötigen Kapazitäten für den Hochlauf von Wärmepumpen und privaten Ladeeinrichtungen geschaffen werden. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die Stadtwerke Hameln Weserbergland haben unterdessen ausgerechnet, dass der Stromverbrauch bei einem Umbau aller wärmepumpenfähigen Gebäude um etwa 50 Prozent steigen würde.
Immobilienbranche ist kritisch
Deutlich kritischere Töne kommen aus der Immobilienbranche und von Genossenschaften: Die Wohn- und Eigenheim EG in Braunschweig schreibt zum Beispiel, dass bei ihr keine Wärmepumpen geplant seien. Denn schon bei einer Anfrage nach neuen Ladesäulen für Elektrofahrzeuge habe der Energieversorger abgewunken. Das Vorhaben ließe sich "aufgrund der Hausanschlüsse so nicht umsetzen". Und es wäre verwunderlich, wenn diese Stromkapazität für Wärmepumpen vorhanden wäre.
Baugenossenschaft: "Zweifel an der praktischen Umsetzbarkeit"
Ähnlich äußerte sich die Baugenossenschaft Landkreis Osnabrück. Angesprochen auf den Wärmepumpen-Boom und die Ziele der Bundesregierung heißt es knapp: "Wir haben (jedoch) große Zweifel an der praktischen Umsetzbarkeit, sowohl im Hinblick auf das erforderliche Personal, die Hardware, die Kosten sowie die vorhandene elektrische Infrastruktur."