VW-Reformpaket ist seit Jahren überfällig
Der Autobauer Volkswagen steht vor dem radikalsten Einschnitt seiner Unternehmensgeschichte: Bei der Kernmarke VW streicht der Konzern in den kommenden Jahren 30.000 Stellen, davon 23.000 in Deutschland. Parallel dazu sollen 9.000 Arbeitsplätze in neuen Betriebsfeldern geschaffen werden. Das ist ein zentrales Ergebnis des sogenannten Zukunftspakts. Wie positiv ist der Pakt?
Warum eigentlich erst jetzt? Das große Reformpaket, damit zwingend verbunden auch der Abbau von Jobs bei VW, ist seit Jahren überfällig. Der Konzernführung, den Miteigentümern, also der Familie Piëch/Porsche und dem Land Niedersachsen, selbst den Gewerkschaften war das seit Langem bekannt. Trotzdem ist bei Deutschlands größtem privaten Arbeitgeber nichts passiert. Man hatte sich eingerichtet.
Ohne die im vergangenen Jahr aufgeflogenen Abgasbetrügereien des Konzerns und den damit verbundenen Milliardenstrafen hätte VW wohl noch jahrelang vor sich hin gewurstelt. Immer knapp davor, dass die Modelle der Kernmarke VW - wie Golf oder Passat - zu einem Zuschussgeschäft werden. Um ein Beispiel zu nennen: Nur noch knapp 400 Euro verdient der Autobauer vor Steuern und Zinsen an einem 20.000 Euro teuren Golf - legt man die Bilanzzahlen des Konzerns zugrunde. Auch beim Passat sieht es nicht besser aus. Im Vergleich zu den Mitbewerbern sind das jämmerliche Zahlen.
Hohe Personalkosten sind eine Ursache der Misere
Ursache für die Misere sind die hohen Personalkosten bei VW, aber auch die große Fertigungstiefe. Es wird kaum mal günstig zugekauft, sondern meist teuer selber gebaut. Das durchschnittliche Gehalt eines Arbeiters bei VW ist zudem doppelt so hoch wie das beim Nachbarn, dem Reifenhersteller Continental.
Wo über ein Jahrzehnt kontinuierliche Veränderungen und Verbesserungen versäumt worden sind, muss irgendwann dann das große Besteck herausgeholt werden. Deshalb jetzt dieser Kraftakt. Dass das Unternehmen dazu erst unter dem Druck der Kosten für die Abgasaffäre fähig war, macht Sorge für die Zukunft. Zugleich stellt sich die Frage, ob der Konzern mit seiner Eigentümerstruktur wirklich gut aufgestellt ist. Welche niedersächsische Landesregierung kann es sich als Miteigentümer leisten, den notwendigen Abbau von Arbeitsplätzen zu fordern, wenn sie gleichzeitig die Gunst ihrer Wähler im Auge behält?
Weitere Sparrunden sind nötig
Wie notwendig eine Verschlankung bei VW ist, zeigt der Vergleich mit dem Konkurrenten Toyota. Beide Konzerne bauen annähernd gleich viele Autos. Während bei den Wolfsburgern aber 600.000 Menschen arbeiten, beschäftigen die japanischen Mitbewerber nur die Hälfte davon, etwa 300.000.
Vor diesem Hintergrund ist schon jetzt klar: Es wird weitere Sparrunden und Umstrukturierungen bei VW geben müssen. Das am Freitag vorgestellte Programm ist erst ein Anfang.
Die Umstellung auf Elektromobilität wird zu schweren Verwerfungen in der Autobranche - nicht nur bei Volkswagen - führen. Marken-Chef Herbert Diess sprach schon jetzt von einem "kommenden Sturm", der einen radikalen Wandel nötig mache. Diese Veränderungen wird VW nur überstehen, wenn Konzernführung und Aufsichtsrat sich in Zukunft deutlich reformfreudiger und dynamischer zeigen.