Sterben als Teil des Lebens: Letzte-Hilfe-Kurse
Knapp 800.000 Menschen sterben jährlich in Deutschland, dementsprechend viele müssen sich also zwangsläufig mit dem Tod beschäftigen, sei es mit dem eigenen oder dem eines Angehörigen. Doch genau davor haben die meisten Angst, sagt der Palliativmediziner Georg Bollig. Er hat deshalb vor drei Jahren in Deutschland das erste Mal sogenannte Letzte Hilfe-Kurse angeboten und Kursleiter ausgebildet. Dort soll Menschen die Angst vor dem Tod genommen werden. Zudem gibt es Tipps, wie man todkranken Familienmitgliedern die letzte Etappe ihres Lebens so angenehm wie möglich gestalten kann. Die "NDR-Info Perspektiven" haben einen Kurs in Großburgwedel bei Hannover besucht.
Für Kursleiterin Ursula Nacke gehört der Tod zum Alltag. Sie begleitet als Hospizkoordinatorin jeden Tag sterbende Menschen. Trotzdem kann sie die Schwierigkeiten vieler Menschen mit diesem Thema verstehen. Für sie ist völlig klar, warum wir nicht gerne über den Tod sprechen. "Das Leben ist endlich und wir freuen uns, dass es uns gut geht. Dann soll das endlos so weitergehen. Das wünscht sich wohl jeder." Dabei sei natürlich schon mit der Geburt klar, dass wir eines Tages sterben werden.
Vorsorgen für den eigenen Tod
Im Kursraum ist von bedrückter Stimmung nichts zu spüren. Das erste Modul des mehrstündigen Kurses haben die 20 Kursteilnehmer schon hinter sich. Es ging darum, Sterben als ein Teil des Lebens zu sehen. Als nächster Punkt auf der Agenda steht das Thema "Vorsorgen und Entscheiden." Hier wird besprochen, wie man für den eigenen Tod vorsorgen kann. Wenn ich mich nicht mehr äußern kann, wer soll für mich sprechen? Möchte ich zu Hause sterben oder im Krankenhaus?
"Menschen, die lebensendend erkrankt sind, möchten am liebsten zu Hause bleiben in ihrer vertrauten Umgebung mit ihnen bekannten Menschen. Das zu gewährleisten, fällt vielen schwer," erklärt die Kursleiterin. "Viele haben Sorgen, ob und wie sie das schaffen können. Es gibt offene Fragen zu den Medikamenten und zur Pflege. All diese Fragen kommen dann und da stehen sie erst mal alleine da."
Pflege erkrankter Angehöriger betrifft viele
Ursula Nacke fragt die Kursteilnehmer nach einer Patientenverfügung und ist erstaunt, wie viele sich melden: "Oh, schon ganz viele." 15 von 20 Teilnehmern heben die Hand. Hier wurde also schon vorgesorgt. Die meisten der Teilnehmer fürchten sich aber nicht vor dem eigenen Tod. Sie belastet eher der Umgang mit einem todkranken Familienmitglied. Die 77-jährige Helga Henze zum Beispiel pflegt fast täglich ihre Cousine: "Sie ist unendlich abgemagert, liegt fest im Bett, und braucht Hilfe beim Aufstehen. Eigentlich kann sie nichts mehr, aber sie will noch alles und das ist sehr schwer auszuhalten." Hier im Kurs lernt sie, die Vorwürfe ihrer Cousine nicht persönlich zu nehmen.
Nützlicher Rat, der den Alltag erleichtert
Auch Teilnehmer Hans-Jürgen Götze hat schon viele Sterbefälle in der eigenen Familie erlebt. Heute hat er erfahren, dass die Krankenkasse Kosten für Palliativdienste von Pflegekräften übernehmen kann, wie etwa das Waschen des Patienten oder die Medikamentengabe. "Ich sehe es jetzt um einiges leichter. Man weiß, dass es kommt. Man wünscht sich nur, dass es einigermaßen leicht geht." Auffällig ist, dass er der einzige Mann in der Runde ist.
Positives Gefühl bei einem schweren Thema
Das Thema "Abschied nehmen" ist der letzte Punkt des Letzte-Hilfe Kurses. Gleichzeitig ist es der schwerste. Kursleiterin Nacke sagt, es sei ein intimer Moment und manchmal auch ein schöner: "Wenn sich am Ende so eine Stille bemerkbar macht, dann ist das eigentlich eine großartige Erfahrung für alle. Das hört sich vielleicht auch ein bisschen schräg an, aber es gibt auch ganz viel Positives in diesem letzten Abschnitt. Es muss nämlich nicht so schlimm sein."