Stadt Goslar sucht Schlaglöcher mithilfe von KI

Stand: 04.04.2024 06:32 Uhr

Die besondere Witterung im Harz greift den Asphalt auf Goslars Straßen an. Eine neue Software mit künstlicher Intelligenz (KI) soll helfen, Schlaglöcher schneller und besser zu finden.

von Tino Nowitzki

Bumms - und noch mal bumms! Wenn Stadtmitarbeiter Maik Eckhardt mit seinem weißen Kastenwagen durch die Innenstadt von Goslar rollt, dann kann er den Zustand der Straßen alle paar Meter tief im Steißbein fühlen: Schlaglöcher, wohin man guckt. Und nicht nur das: Risse, Fugen, ganze Stücke, die aussehen, als hätte sie jemand aus dem Asphalt gebissen. "Goslars Straßen sind echt nicht gut", muss auch der Verwaltungs-Angestellte zugeben. Das Problem: Schlechte Grundsubstanz treffe auf die unnachgiebige Witterung im Harz - mit langen, nasskalten Wintern. Und deshalb klickt es in Maik Eckhardts Kastenwagen unentwegt. Ein Smartphone - angebracht an der Frontscheibe - macht alle vier Meter ein Foto von der Straße. Sie ist Teil der neuen KI-Strategie gegen Schlaglöcher.

Digitale Straßenkarte: Nur Narbe oder Krater?

Ein bisschen ist es wie bei Google Maps: Das Smartphone erstellt mittels der Fotos eine digitale Karte der Stadt. Nur, dass es hier ganz konkret um den Zustand der Straßen geht. Denn die Fotos liefern wichtige Daten: Wie viele Risse hat der Asphalt, wie groß sind sie? Wurde schon einmal geflickt und wo sind die Narben? Sind Schlaglöcher golfballgroß oder schon Krater? Mehr als 300 Straßenkilometer sind Maik Eckhardt und seine Kollegen in wenigen Wochen bereits klickenderweise abgefahren. Imposant - aber künstliche Intelligenz ist das noch nicht.

Schulnoten für Asphalt - bisher ein Viertel in schlechtem Zustand

Die kommt erst in der Stadtverwaltung ins Spiel. Hier laufen die Daten der Smartphones zusammen. Eine spezielle Software hat sie da bereits gebündelt, analysiert und aufbereitet - und spuckt sie in Kartenform auf einem Rechner aus. Sebastian Heim kann so auf jeden x-beliebigen Meter Straße klicken und so nicht nur optisch sehen, wie es um den Asphalt bestellt ist. Die KI bewertet den entsprechenden Punkt auch mittels der Noten 1 (sehr gut) bis 5 (desolater Zustand). "Rund ein Viertel der Straßenkilometer, die wir abgefahren sind, sind im schlechten Zustand", sagt der Leiter von Goslars Betriebshof dem NDR Niedersachsen.

KI statt Zettel und Stift

Das wussten Goslars Autofahrer schon vorher. Was bringt die KI also? "Wir können damit viel schneller und in regelmäßigeren Abständen erkennen, wo die krassen Problembereiche sind", sagt Sebastian Heim. Denn zuvor mussten stets mit Zettel und Stift ausgerüstete Mitarbeiter ausschwärmen und die Stadt nach Löchern absuchen. Dann wurden sie händisch bemessen, aufgeschrieben und irgendwo abgeheftet - ein langer Vorgang, der oft Monate dauerte. Und wenn dann die Asphaltkolonne ausrückte, war die Lage vor Ort oft schon anders. Aber nicht nur schneller soll es gehen - auch sicherer: "Wenn Bürger sich einen Reifen oder ein Rad kaputt fahren, dann müssen wir als Stadt natürlich nachweisen können, dass die Straße sicher war", so Heim. Heißt: Genaue Daten machen jeden Schlagloch-Schadensfall nachprüfbar. Für Autofahrer und die Stadt.

40.000 Euro jährliche Kosten

40.000 Euro lässt sich die Stadt Goslar die künstliche Intelligenz kosten - pro Jahr und im Abo. Wäre das Geld nicht auch gut in den Straßenausbau investiert gewesen? "Vielleicht", sagt Betriebsleiter Heim dem NDR Niedersachsen, "aber wir haben mit den Daten eben auch Synergie-Effekte für andere Verwaltungsbereiche." Denn mit ein paar Klicks spuckt die KI noch viel mehr Informationen aus: Welche Straßenschilder erneuert werden müssen oder wo der Winterdienst am dringendsten gebraucht wird. Selbst der Zustand von Sitzbänken oder Bushaltestellen sei ablesbar.

Segen für die Schlagloch-Stopfer

Zunächst liegt der Fokus aber auf Goslars Schlaglöchern - und die werden von "Asphaltkolonnen" beseitigt. Auch denen hilft offenbar die KI: "Ich gucke sofort morgens auf mein Handy, weiß, wohin ich fahren muss und zack! - kann ich alles sofort abarbeiten", sagt Schlagloch-Stopfer Marcus Jähnichen dem NDR Niedersachsen. Manchmal heiße das: Einen Riss notdürftig flicken und manchmal muss eben das große Besteck ran und der Asphalt grunderneuert werden. Was wo wann und wie dringlich erledigt werden muss - eine auf den KI-Daten basierte Prioritätenliste mache das deutlich effizienter. Und das ist auch nötig, denn für mehr als 300 Straßenkilometer sind in Goslar ganze drei Asphaltkolonnen zuständig - mehr sind auch erst einmal nicht in Aussicht.

Weitere Informationen
Das Bild zeigt einen Arbeiter während der Fertigung von Verpackungsmaterial. © NDR

Mit KI Umwelt-Ressourcen sparen? Firma in Dissen als Vorreiter

KI birgt großes Potenzial für den Umweltschutz. Ein Unternehmen im Teutoburger Wald zeigt, wie sie eingesetzt werden kann. (08.03.2024) mehr

KI-System erkennt Heringe und Plattfisch im Schleppnetz © Thünen-Institut für Ostseefischerei Foto: Dr. Daniel Stepputtis

Überfischung in der Ostsee: Smarte Netze sollen helfen

Forscher entwickeln eine künstliche Intelligenz, die selbst entscheidet: Bleibt der Fisch im Netz oder nicht? (24.11.2023) mehr

Künstliche Intelligenz im Ziegenstall - ein Projekt aus Dummerstorf. © FBN Foto: Isabel Haberkorn

Neues Projekt: KI zur Verbesserung des Tierwohls in der Nutztierhaltung

Ziegen und Künstliche Intelligenz - damit befasst sich jetzt das Forschungsinstitut für Nutztierbiologie in Dummerstorf bei Rostock. (26.07.2023) mehr

Viele Dokumente der Staatsanwaltschaft Hannover auf verschiedenen Stapeln. © NDR Foto: Julius Matuschik

KI im Gericht: Justizministerium testet künstliche Assistenz

Personalmangel trifft Digitalisierung: An zwei Landgerichten in Niedersachsen wird eine Künstliche Intelligenz getestet. (23.06.2023) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 03.04.2024 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Künstliche Intelligenz (KI)

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen

Eine Kerze, Blumen und einer Spielzeugfigur stehen an den Feuerwehrgebäude in Warle. © NDR

Neunjähriger aus Niedersachsen stirbt bei Anschlag in Magdeburg

Der Junge lebte seit dem Frühjahr in Warle im Landkreis Wolfenbüttel. Er war in der Kinderfeuerwehr des Ortes aktiv. mehr