Sparhaushalt des Bundes: Jugendwerkstätten vor dem Aus?
Der Bund will im nächsten Jahr Millionen bei den Jobcentern einsparen. Kürzungen, die auch die Jugendwerkstätten in Niedersachsen treffen. Sie sind auf die Zuschüsse der Jobcenter angewiesen.
Der 14-jährige Hauke repariert in der Werkstatt ein altes Damenfahrrad, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Jeder Handgriff sitzt. Im Nu hat er Schutzbleche angebracht, einen neuen Sattel und einen Trinkflaschenhalter. Er ist hier bei der Jugendwerkstatt von "Labora" in Barsinghausen, erzählt er, "weil ich nicht mehr so gut mit mehreren Leuten in einem Klassenraum sitzen kann". Er sei Anfang des Jahres psychosomatisch erkrankt. In der Werkstatt lerne er, was er im Leben gebrauchen könne.
Bei "Labora" fallen zwei Stellen weg
Doch nur noch bis zum Sommer kommenden Jahres ist dieser Teil der Jugendwerkstatt finanziell abgesichert. Was dann kommt, ist unklar. Ein anderer Bereich, das Beratungscafé, muss zum Jahresende schließen. Zwei Stellen werden gestrichen. Das Jobcenter hat für 2025 keine neuen Plätze mehr geordert.
Defizit von fast 30 Millionen Euro
Das Jobcenter der Region Hannover ist das zweitgrößte der Republik. Hier bekommen rund 16.300 junge Menschen ihr Bürgergeld. Im kommenden Jahr hat das Jobcenter aber fast 30 Millionen Euro weniger als in diesem Jahr zur Verfügung. Das wirke sich auf Angebote für alle Altersgruppen aus, eben auch auf die für junge Menschen, sagt Ana Paula Büsse, Chefin der Behörde. Von den 207 Plätzen, die das Jobcenter in zwölf Jugendwerkstätten in der Region Hannover eingekauft hat, werden jetzt nur noch 142 eingeplant. Fast ein Drittel der Plätze fallen weg. Auf diesen Plätzen wurden im laufenden Jahr insgesamt 547 Jugendliche und junge Erwachsene unterschiedlich lang betreut.
Weniger Hilfe für junge Menschen
Jobcenter-Chefin Büsse bedauert, nun weniger jungen Menschen Hilfe anbieten zu können. "Die finanzielle Situation und die daraus folgenden Konsequenzen sind für uns alle sehr unbefriedigend", so Büsse. "Es werden in der Folge weniger Menschen durch geeignete Angebote unterstützt, was den Weg in Ausbildung und Beruf zusätzlich erschweren kann." Für "Labora"-Geschäftsführerin Daniela Möhlenbrock eine schwere Situation: "Wir sind hier ganz alleine mit diesem tagesstrukturierenden Angebot in Barsinghausen. Wenn es uns nicht mehr gibt, werden viele junge Menschen hier nicht mehr wissen, wo sie hingehen sollen."
Mehr als 90 Werkstätten in Niedersachsen
Geringe Bildung, persönliche Probleme und keine Perspektive - das ist eine Gemengelage, die die jungen Menschen in den Jugendwerkstätten teilen. In Niedersachsen gibt es mehr als 90 Werkstätten unterschiedlicher Träger. Sie bereiten junge Menschen mit sozialen Schwierigkeiten auf den Einstieg ins Berufsleben vor. Dabei geht es um Probleme, die sich häufig überlagern. Die meisten haben keinen Schulabschluss, Verhaltensprobleme, psychische Belastungen. Sie benötigen ein niedrigschwelliges Angebot, wo sie ihre Schulpflicht erfüllen können, Tagesstruktur erlernen und auf ihr Berufsleben vorbereitet werden.
In Niedersachsen zahlt die NBank
Die Finanzierung der Werkstätten ist in den Ländern unterschiedlich geregelt. In Niedersachsen zahlt die landeseigene Förderbank, die NBank, den Löwenanteil. Dazu kommt Geld von den Kommunen und den Jobcentern. Die Jobcenter kaufen jedes Jahr neu Plätze und Programme ein.
Diakonie-Chef spricht von "fataler Fehlentscheidung"
Wenn jetzt weniger Plätze eingekauft werden, drohe einigen Einrichtungen die Schließung, warnt Diakonie-Chef Joachim Lenke und spricht von einer fatalen Fehlentscheidung. Es sei kurzsichtig, gerade bei jungen Menschen zu sparen, die dann Bürgergeldbezieher blieben. Auch Gerhard Tepe, Caritasdirektor in Oldenburg und Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege betont, der Betrieb der Werkstätten sei ohne die Jobcenter nicht möglich. Benachteiligte Jugendliche blieben ohne diese Angebote häufig vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Die Werkstätten fördern nicht nur die berufliche Qualifikation, sondern auch die persönliche Entwicklung und die soziale Integration.
Jungen Menschen droht Abwärtsspirale
Ein bundesweites Bündnis der Jugendsozialarbeit der Kirchen spricht in einer offenen Stellungnahme von einer drohenden Eskalation. Das reduzierte Budget werde gravierende Auswirkungen auf die Gestaltung der sozialen Infrastruktur haben. Junge Menschen ohne Schulabschluss oder Berufsaussichten seien einer Abwärtsspirale ausgesetzt, an deren Ende Langzeitarbeitslosigkeit, Armut und sozialer Ausschluss stünden.
Viele haben keinen Berufsabschluss
Bundesweit haben fast 2,9 Millionen junge Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss - ein neuer Höchststand. Auch die aktuelle Landesstatistik für Niedersachsen weist alarmierende Zahlen aus. Demnach war 2023 von den Kindern und Jugendlichen unter 18 über 20 Prozent von Armut bedroht und bei den jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren nahezu jeder Vierte.
Verlässliche Finanzierung nötig
Für "Labora"-Chefin Daniela Möhlenbrock steht fest: Die Finanzierung der Werkstätten war immer schwierig - verschiedene Geldgeber, verschiedene Förderzeiträume. Betreiber wüssten in einem Jahr selten, wie es im kommenden Jahr weitergehe. "Wir brauchen für alle Jugendwerkstätten eine verlässliche Finanzierung, die nicht an kurze Zeiträume gebunden ist", so Möhlenbrock.