Die App "KonterBUNT" ist auf einem Handy geöffnet. © NDR Foto: Viktoria Koenigs

Platte "Stammtischparolen" mithilfe einer App kontern

Stand: 03.10.2024 14:26 Uhr

Die App "KonterBUNT" hilft, souverän auf menschenfeindliche Aussagen zu reagieren. Im NDR-Interview erklärt eine Mitentwicklerin, warum das wichtig ist für die Demokratie - und wie es am besten gelingen kann.

"Erfolgreiche Frauen haben sich bloß hochgeschlafen", "Seit die Flüchtlinge da sind, steigt die Kriminalität", "Die Juden kontrollieren die Welt": Auf solche diskriminierenden und pauschalisierenden Aussagen gelassen und souverän zu antworten, kann schwerfallen. Gleichzeitig würden - unter anderem durch den Rechtsruck in Europa - diskriminierende Sprüche mehr, sagt Daniela Kallinich von der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung (NLpB). Gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt hat die NLpB die App "KonterBUNT" entwickelt, mit der trainiert werden kann, gegen Stammtischparolen zu argumentieren. NLpB-Referentin Daniela Kallinich hat die App mitentwickelt. NDR.de hat mit ihr gesprochen:

Frau Kallinich, was sind Stammtischparolen und warum sollte man darauf reagieren?

Daniela Kallinich, Referentin bei der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung. © Sebastian Wolligandt | supertrampmedia Foto: Sebastian Wolligandt
Daniela Kallinich hat die App "KonterBUNT" mitentwickelt. Gerade zu Zeiten des aufkommenden Rechtsrucks sei es wichtig, auf diskriminierende Aussagen zu reagieren.

Daniela Kallinich: Stammtischparolen sind Aussagen, die pauschalisieren, die menschenfeindlich sind und Personen in eine Schublade stecken, die vermeintlich ähnlich oder gleich sind. Wenn solche Aussagen still von allen hingenommen werden, dann gilt auf einmal: "Ach so, das kann man sagen". Dadurch verschiebt sich die Grenzen des Sagbaren. Wir finden es wichtig, dass man einschreitet. Dadurch wird auch umstehenden Menschen aufgezeigt, dass hier eine Grenze überschritten wurde. Denn oft finden solche Gespräche nicht in Zweiersituationen statt, sondern im Bus, in der Kassenschlange im Supermarkt oder eben am Stammtisch.

Welche Tipps haben Sie, um souverän dagegen zu argumentieren?

Kallinich: Ein typisches Beispiel ist, dass man nachfragt - beispielsweise: Kennst du jemanden, den das betrifft? Hast du das wirklich schon mal erlebt? Wo hast du das denn schon mal gemacht oder gesehen? Dadurch kann man vielen Leuten den Wind aus den Segeln nehmen. Aus unserer Sicht ist es sehr wichtig, dass man nicht selbst aggressiv oder provokant antwortet. Das kann gefährlich werden. Außerdem möchte man Umstehende auch überzeugen. In dem Moment, in dem ich selbst patzig oder unverschämt werde, gehen die Sympathiepunkte vielleicht zu der Person, die die Parole geäußert hat. Aber wir möchten nicht vorschreiben, wie man reagiert - die Hauptsache ist, dass man reagiert.

Wie kann die App "KonterBUNT" auf solche Situationen vorbereiten?

Kallinich: Oft gibt es Situationen, in denen man so eine Parole hört und eigentlich etwas sagen möchte. Doch dann hat man einen Knoten in der Zunge und kann sich schlecht ausdrücken. Für solche Situation ist die App gedacht. Wir wollten ein Angebot schaffen, das jeder mal für zehn Minuten rausholen kann, um zu üben, beispielsweise im Wartezimmer oder wenn man auf den Bus wartet. In einem Spiel trifft man in verschiedenen Situationen auf Personen, die eine "Stammtischparole" äußern. In dem Spiel werden dann unterschiedliche Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Am Ende bekommt man ein Feedback, ob man die Person, die die Parole formuliert hat, vielleicht eher provoziert oder man souverän reagiert hat.

Die App setzt sich für demokratische Werten ein. Wie wirkt sich der aktuelle Rechtsruck aus?

Kallinich: Seit 2019 gibt es die App "KonterBUNT", aber in diesem Jahr gibt es eine erhöhte Nachfrage. Seit Frühjahr gibt es viele Demonstrationen für Demokratie und Menschenrechte. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich seitdem viel mehr Menschen für Demokratie einsetzen möchten und da sind Argumentationstrainings und die App natürlich ein schöner Weg.

Das Interview führte Viktoria Koenigs, NDR.de.

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