Planlos in den Rechtsanspruch auf Ganztagsgrundschule?
Ab 2026 gibt es den Rechtsanspruch auf Ganztag auch an Niedersachsens Grundschulen - das hat der Bund festgelegt. Doch es fehlt an Räumen und Personal. Lässt sich die schrittweise Einführung des Ganztags umsetzen?
Schule der Zukunft - das fällt einem beim Blick auf die Fürstenwall-Schule in Dahlenburg (Landkreis Lüneburg) nicht unbedingt ein. Dabei ist die Grundschule anderen Schulen im Land weit voraus: Sie war eine der ersten in Niedersachsen, die vor zehn Jahren den Ganztag freiwillig einführte - an drei Tagen die Woche. Ab 2026 gibt es den Ganztag an fünf Tagen die Woche. Aber für den Ganztag ausgelegt, ist die Schule nicht. Das weiß auch Schulleiterin Marion Borderieux: "Die Räume sind an den schulischen Alltag vor 20 oder 30 Jahren angepasst. Da gibt es Klassenräume und dann gibt es vielleicht noch einen Musikraum und einen Werkraum - das war's." Es fehle an Ruhe- und Bewegungsräumen. Bisher werden die Schülerinnen und Schüler der Grundschule in den Klassenräumen betreut - bei gutem Wetter weichen sie auf den Schulhof aus.
Hohe Kosten für Neubauten
Das Gebäude der Fürstenwall-Schule in Dahlenburg ist eines, das sich so oder so ähnlich häufiger in Niedersachsen finden lässt: Ein Bau aus dem Jahr 1890, an den in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder angebaut wurde. Zuletzt vor 25 Jahren. Schule der Zukunft sieht anders aus - das sieht auch die Samtgemeindebürgermeisterin Uta Kraake (parteilos) so. Im Landkreis Lüneburg wird deshalb überlegt, an oder sogar neu zu bauen. Das kostet Zeit und vor allem Geld - und daran fehlt es in den Kommunen im Land. Deshalb hoffen sie auf die Unterstützung vom Land - aber genau daran hakt es aus ihrer Sicht.
Ganztag kostet Bund, Land und Kommunen mehrere Milliarden Euro
Die Ganztagsgrundschule ist vermutlich eines der größten Projekte, vor denen die Kommunen in Niedersachsen als Schulträger stehen. Zwar teilen sich Bund, Land und Kommunen die Kosten - allerdings weiß niemand, wie viel das Projekt wirklich kostet. Das Land Niedersachsen rechnet mit Gesamtkosten von mehreren Milliarden Euro. Immerhin müssen Gebäude neu gebaut, zusätzliches Personal eingestellt und die Schulen beheizt werden. Allein die Bewirtung der Schulen kostet die Kommunen ab 2030 etwa zwölf Millionen Euro mehr. Kommunen und Land ringen deshalb schon länger um Lösungen.
Kultusministerin zeigt sich offen für weitere Gespräche
Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) ist im Gespräch mit dem NDR Niedersachsen überzeugt: "Mir ist wichtig, nicht mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Das Land hat einen großen finanziellen Schritt auf die Kommunen zugemacht. Und wir haben eine gemeinsame Arbeitsgruppe, wo wir weitere Handlungsnotwendigkeiten diskutieren und das Land ist sehr bereit, hier Lösungen zu finden." Konkret nimmt das Land den Kommunen die Hälfte der Investitionskosten von Bauprojekte ab. Außerdem übernimmt das Land die Kosten für die zusätzlichen Lehrkräfte und einen Teil der Bewirtungskosten.
Städte- und Gemeindebund hält Ganztag für nicht umsetzbar
Doch dem niedersächsischen Städte- und Gemeindebund reicht das nicht. Präsident Marco Trips macht deutlich: "Die Kommunen in Niedersachsen halten den Ganztagsanspruch für nicht umsetzbar. Wir glauben nicht, dass wir das Personal haben werden ab 2026. Wir fahren jetzt schon Kindergärten runter. Der Lehrermangel ist bekannt - wo sollen die Menschen herkommen?" Der Anspruch sei allenfalls mit Hilfspersonal umsetzbar. Außerdem würden Bund und Land nicht das Geld zahlen, das sie den Kommunen zugesichert haben. "Wir satteln ordentlich drauf", sagt Trips dem NDR Niedersachsen. Er spricht sich deshalb dafür aus, den Ganztag auszusetzen. Doch der Zeitplan steht. Der Ganztag soll kommen und das bedeutet langfristig auch das Ende der Nachmittagsbetreuung im kostenpflichtigen Hort.
CDU fordert Konzepte für Ganztag
Kritik gibt es auch von der CDU. Der bildungspolitische Sprecher Christian Fühner zeigt sich besorgt: "Wir haben bereits vor der Sommerpause gesagt, wir müssen jetzt Lösungen erarbeiten, wie wir den Ganztag organisieren. Wie wollen wir Vereine und andere Strukturen im Ganztag einbinden, wie wollen wir Lehrkräfte im Ganztag entlasten? Da sind die Schulen aber auch die Kommunen auf der Suche nach Antworten und brauchen diese Antworten von der Ministerin. Aber die Ministerin streitet sich stattdessen mit den Kommunen und den Verbänden."
Schulleiterin fürchtet zu hohe Belastung
Schulleiterin Marion Borderieux hält es grundsätzlich für sinnvoll, dass der Ganztag kommt. Er sei eine Erleichterung für berufstätige Eltern. Für die Kinder, die zu Hause nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie benötigen, sei es zudem ein Segen, mehr Zeit in der Schule zu verbringen. Aber: "Ich habe das Gefühl, dass man die Schulen, die schon in die Planung einsteigen wollen, ausbremst", sagt Borderieux. "Weil es noch keine Rahmenbedingungen vom Kultusministerium gibt. Und die wünschen wir uns." Die Schulleiterin fürchtet, dass die Organisation des Ganztags am Ende auf den Schultern der Grundschulleitungen lastet. Die Schulleitungen, die ohnehin wenig Leitungsstunden haben und schlechter bezahlt werden als andere.