Kultusministerin: Fachkräftemangel bleibt große Herausforderung
Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) hat den Fachkräftemangel auch für das neue Schuljahr als großes Thema benannt. Eine Maßnahme soll die geplante Anhebung der Einstiegsgehälter sein.
Am Donnerstag startet in Niedersachsen für rund 841.000 Schülerinnen und Schüler wieder die Schule nach sechs Wochen Sommerferien. Das sind knapp 30.000 Schüler mehr als im Vorjahr. Ein Trend, der sich laut Kultusministerium fortsetzen wird. Mit der wachsenden Schülerschaft wächst auch der Lehrermangel. Für das neue Schuljahr wurden 1.427 neue Lehrkräfte eingestellt, darunter 83 Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, das entspricht einem Anteil von 6 Prozent. "Wir stellen die nächsten Wochen weiter mit Hochdruck ein. Grundständig ausgebildete Lehrkräfte, Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger. Und wir werden Vertretungsverträge beschleunigt abschließen", sagte Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne). Dennoch bleibe die Bewerberlage an den Haupt- und Realschulen, Oberschulen und Förderschulen sowie an einigen ländlichen Grundschulen problematisch.
"Das ist kein Sprint, das ist ein Marathon"
Als größten Schritt gegen den Lehrermangel bezeichnete Hamburg die geplante Anhebung der Einstiegsgehälter ab dem Schuljahr 2024/2025 für Grund- Haupt- und Realschulkräfte auf A13. Insgesamt profitieren von der Anhebung rund 34.670 Lehrkräfte. Eine Maßnahme, die auch langfristig für Entlastung sorgen und Studierende überzeugen soll, nach Niedersachsen zu kommen. Trotzdem konnten rund 330 Lehrerstellen für das kommende Jahr nicht besetzt werden. Hamburg: "Wir befinden uns auf einem langen Weg. Das ist kein Sprint, das ist ein Marathon.“ Der Fachkräftemangel werde noch in den kommenden 20 Jahren Thema sein. Um Fachkräfte zu binden, werden 60 Schulsozialarbeitende und 36 Schulpsychologen und Schulpsychologinnen dauerhaft entfristet. Kostenpunkt: 3,5 Millionen Euro.
GEW: Rund 8.000 Lehrkräfte fehlen
Gewerkschaften zeigten sich besorgt angesichts der angespannten Lehrkräftesituation. Laut Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fehlen in Niedersachsen rund 11.000 Beschäftigte an den Schulen, darunter etwa 8.000 Lehrkräfte. Der GEW-Landesvorsitzende Stefan Störmer sagte, die Zahl der Neueinstellungen sinke, wie auch die Zahl der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst. Dies sei ein echtes Alarmzeichen. Aus Sicht des Philologenverbandes Niedersachsen gibt es ein ernsthaftes Demografie-Problem. "Die nächsten fünf Jahre haben wir noch einen relativ guten Bestand an Lehrkräften, dann gehen viele Lehrkräfte in den Ruhestand", sagte der Vorsitzende Christoph Rabbow.
Ministerin erwartet keine bessere Unterrichtsversorgung
Trotz Höchststand bei den eingestellten Lehrkräften rechnet die Ministerin nicht damit, dass die Unterrichtsversorgung besser als im Vorjahr wird. Durch die gestiegene Schülerschaft entspanne sich die Gesamtsituation nicht. Der Philologenverband plädiert dafür, dringend Möglichkeiten zu öffnen, um mehr Lehrkräfte in das System Schule zu bekommen. "Das System macht krank, weil wir eine Unwucht im System haben. Wir müssen das System Schule wieder in ein Gleichgewicht bringen", hieß es. Ein Baustein soll laut Hamburg sein, Lehrer, die in Pension gehen wollen, zu überzeugen, doch länger im Schuldienst zu bleiben. Und bereits pensionierte Lehrer zurückzuholen. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zeigte sich offen dafür, pensionierte Lehrkräfte in Teilzeit anzuwerben. "Da müssen wir sicher nicht nur in Niedersachsen die Anreize verstärken", sagte der SPD-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Fehlende Digitalisierung ein großes Problem
Der Landeselternrat begrüßte die Maßnahmen der Ministerin. Endlich seien Maßnahmen ergriffen worden, die auch kurzfristig helfen können. Der Verband sieht aber auch die Eltern in der Pflicht. Nicht alles könne in der derzeitigen Situation in der Schule geleistet werden. Auch die Eltern hätten einen Bildungsauftrag. Der Landesschülerrat blickt mit gemischten Gefühlen auf das neue Schuljahr. Er bewerte die Änderungen als positiv, sieht neben dem Lehrermangel aber auch die zu langsam voranschreitende Digitalisierung als ein großes Problem. Diverse Geräte gebe es häufig nur nach eigener Anschaffung. "Diese Entwicklung kann zu unterschiedlichen Chancen bei der Beteiligung im Unterricht führen, besonders leiden hierbei Kinder, welche aus finanziellen Gründen nicht den Zugang zu einem digitalen Endgerät haben, dies muss sich schnellstmöglich ändern", so Johanna Oberst, Vorstandsmitglied im Landesschülerrat.
Schulleiter: Bürokratie muss abgebaut werden
Der Schulleitungsverband prangert an, dass die Bürokratie immer noch zu hohe Hürden darstelle. Es könne zum Beispiel nicht sein, dass pensionierte Lehrer, die zurückkommen wollen, ihr 40 Jahre altes Staatsexamen rauskramen müssten. Zudem fordert der Verband mehr Kompetenzen für Schulleiterinnen und Schulleiter, damit sie eigenständiger Lehrkräfte einstellen können. Die CDU-Fraktion im Landtag findet es grundsätzlich gut, Pensionäre für den Schuldienst gewinnen zu wollen. Dem bildungspolitischen Sprecher Christian Fühner dauern die Maßnahmen der Kultusministerin aber zu lange. "Mit einem Anschreiben an die Pensionäre ist es nicht getan. Eine konkrete Maßnahme wäre, die Hinzuverdienstgrenzen zu erhöhen oder beispielsweise das Bewerbungsverfahren für pensionierte Lehrkräfte zu vereinfachen", sagte Fühner dem NDR in Niedersachsen. Zudem würden ausländische Bildungsabschlüsse nicht schnell genug anerkannt. Die AfD drängt darauf, Lehrer zu entlasten. Die einzige Lösung dafür sei es, den Ganztagsunterricht vorübergehend auszusetzen.