Lingen: Weniger Tierleid durch recycelte Daunen
Eine mit Daunen gefüllte Bettdecke gehört in vielen Haushalten ganz selbstverständlich dazu - und doch wissen wir selten, was genau drin ist und wie sie hergestellt wird. Gerade die Herkunft der Daunen ist nicht unumstritten. Oft stammen sie aus tierquälerischer Haltung oder die Herkunft kann nicht bestimmt werden. Ein Unternehmen aus Lingen hat sich daher ganz dem Recyceln von Daunen verschrieben. Die NDR Info Perspektiven waren vor Ort.
Als Daunen bezeichnet man das wärmende Untergefieder von Vögeln. Für die Herstellung von Bettdecken werden in der Regel die Daunen von Enten und Gänsen genutzt. Die weichen, leichten Daunen schützen die Tiere vor Kälte und extremer Hitze. Sie isolieren und spenden Wärme - fast ohne Gewicht. Aus genau diesem Grund sind sie als Füllmaterial für Bettdecken, Jacken oder Schlafsäcke äußerst beliebt. Eigentlich sind Daunen ein Nebenerzeugnis beim Schlachten der Tiere. Also ein Produkt, das sowieso anfällt und das grundsätzlich erst einmal kein zusätzliches Tierleid verursacht. Das Problem: Die Nachfrage nach Daunen – vor allem von Gänsen - ist weltweit größter als die Nachfrage nach Gänsefleisch. Darum hat sich der sogenannte Lebendrupf mehr und mehr verbreitet, um in Masse produzieren zu können. Diese qualvolle Prozedur kann pro Tier mehrere Male wiederholt werden - und steigert so den Profit der Züchter. Für die Gänse ist der Prozess oft mit erheblichem Leid verbunden. Es kommt dabei regelmäßig zu Knochenbrüchen und blutigen Wunden, kritisieren Tierschützer.
Führender Daunen-Produzent China betreibt "Lebendrupf"
In der EU ist das Rupfen lebender Gänse und Enten mittlerweile verboten. In Asien jedoch noch immer gängige Praxis. Aktuell gilt China als weltweit führender Daunen-Produzent. Wie groß der Marktanteil von Daunen aus Lebendrupf derzeit ist, ist unklar. Die Industrie geht von unter fünf Prozent aus, Tierschützer vermuten deutlich höhere Zahlen - vor allem durch die Warenmengen, die aus Asien importiert werden. In Deutschland und der EU darf offiziell nur der sogenannte Schlacht- oder auch Totrupf betrieben werden. Doch durch fehlende Zertifikate und Kontrollen ist die genaue Herkunft der Daunen oft nicht nachzuvollziehen. Denn an der einzelnen Daune lässt sich nicht erkennen, ob sie nun von einer lebenden oder einen toten Gans stammt.
Familienbetrieb unter neuen Vorzeichen
Auf diese Problematik aufmerksam machen - das ist das Ziel von Frederike Albers aus Lingen. Die 25-Jährige ist zwischen Daunen und Federn groß geworden - in der Bettwarenfabrik ihrer Eltern, einem mehr als hundert Jahre alten Familienbetrieb. Die gesamte Industrie kritisiert sie als intransparent und rücksichtslos. Und trotzdem steht sie jetzt kurz vor der Übernahme des Betriebes. Doch die junge Frau will es anders und vor allem besser machen. Um Tiere und Umwelt zu schützen, setzt sie auf nachhaltige Bettdecken aus recycelten Daunen. Um die Füllung einer Decke zu zeigen, schlitzt Frederike Albers eine 15 Jahre alte Daunen-Decke mit einem Cutter auf. Mit der freien Hand greift sie die weichen, weißen Daunen und lässt sie durch die Finger rieseln. Das erinnert ein wenig an Frau Holle, dient hier aber als erster Bestands-Check der Alt-Ware.
Nachhaltigkeit ins Schlafzimmer bringen
Nachhaltige Bettdecken aus wiederverwerteten Daunen – das ist ihre Vision: "Man nutzt das, was da ist und macht es wieder neu!" Das übergeordnete Ziel dabei: Sie möchte die Menschen zum nachhaltigen Denken animieren - auch im Schlafzimmer. "Wir machen uns ja ganz viele Gedanken über Essen, über unsere Klamotten, stellen uns die Frage, wo das hergestellt wurde, wie das hergestellt wurde. Aber bei Bettwaren, bei Daunendecken und Kissen machen sich viele gar keine Gedanken oder sind sich nicht bewusst, wie das eigentlich entsteht." Alte Bettdecken landeten heutzutage viel zu schnell im Müll, sagt Frederike Albers. Dabei könnten sogar jahrzehntealte Daunen problemlos wiederverwertet werden.
Alte Maschinen - neues Prinzip
Die Alt-Ware wird zunächst gewaschen, getrocknet und bei 120 Grad sterilisiert. Im Anschluss landen die Daunen und Federn in einer sechs Meter hohen Sortier-Maschine aus den 60er-Jahren. Mithilfe eines Luftstroms werden die leichten Daunen von den etwas schwereren Federn getrennt. Aus gutem Grund landen die Federn am Ende in den Kopfkissen, die Daunen in den Decken: "Man sagt, dass die Feder zweidimensional ist und die Daune dreidimensional. Durch diese ganzen Verästelungen kann die Daune ganz viel Wärme speichern. Bei der Feder ist es anders: Durch diesen Kiel springt die Feder immer zurück zur Ursprungsform und das gibt dem Kopf für das Kopfkissen die nötige Stabilität."
Kapok: Pflanzliche Alternative zur Daune
In einer gut gefüllten Winterdecke stecken übrigens Daunen von rund 30 Gänsen. Durch das Recyceln bleibt ihnen das Rupfen erspart. Tierschützer von Peta kritisieren, dass auch das Wiederverwerten nur eine "Übergangslösung" sein kann. Denn langfristig müsste trotzdem noch Neuware produziert werden. Die Tierschützer bevorzugen stattdessen "pflanzliche Daunen", zum Beispiel aus Hanf oder aus Kapok, einer Naturfaser, die vom Seidenwollbaum stammt. Frederike Albers hat auch darüber nachgedacht. Doch diese rein pflanzlichen Alternativen seien schwer zu bekommen und vergleichsweise teuer - und somit wohl nur schwer zu vermitteln an die Verbraucher. Synthetik – wie das gängige Polyester – ist hier in Lingen auch keine Alternative. "Polyester ist im Endeffekt Plastik. Es ist schneeweiß und wenn man es in die Hand nimmt, es ist ein bisschen quietschig, finde ich. Das Polyester ist nicht biologisch abbaubar. So eine Daune: Das ist ein natürliches Produkt zu 100 Prozent."
Steigende Nachfrage nach nachhaltiger Produktion
Am Ende des Recycling-Vorgangs pustet ein Staubsauger-ähnliches Rohr die frisch sanierten Daunen in Baumwollbezüge. Kammer für Kammer entsteht so die nachhaltige Bettdecke. Ganz neu ist die Idee des Daunen-Recyclings übrigens nicht. Ein amerikanisches Unternehmen verwendet recycelte Daunen aus Schlafsäcken und Bettdecken, um daraus Jacken zu machen. Sobald der Kunde seine recycelte Ware erhalten hat, kann er seine alte Decke zurück nach Lingen schicken - und sorgt so für Nachschub. Frederike Albers hofft, dass der Daunen-Kreislauf immer mehr in Schwung kommt: "Wenn das klappt, dann glaube ich auch, dass diese Fabrik und die Geschichte am Leben gehalten werden kann. Das ist mein Antrieb." Die ersten hundert nachhaltigen Decken sind verkauft - für knapp 200 Euro pro Stück. Die Nachfrage steigt und Frederike Albers ist mit ihren 25 Jahren jetzt schon Vorreiterin für eine ganze Branche.