"Lebenswelten Wesermarsch" zeigt Geschichten von Zugewanderten

Stand: 05.04.2024 08:56 Uhr

Beim Projekt "Lebenswelten Wesermarsch" sollen sich Migrantinnen und Migranten und Geflüchtete vernetzen. Über ihre Geschichten erscheinen kurze Filme. Am Freitag werden in Brake wieder einige vorgestellt.

von Catherine Grim

"Als ich hier ankam, musste ich mich wirklich umstellen", erzählt Zoryana Janke, während sie bei den Weserterrassen in Nordenham aufs Wasser schaut. "Ich komme aus Lwiw, einer Metropole - hier war plötzlich alles so ruhig", erzählt die 41-jährige Ukrainerin. 2018 zog sie nach Nordenham zu ihrem heutigen Mann, den sie übers Internet kennengelernt hatte. "Alle in unserem Ortsteil waren neugierig, wollten wissen, woher ich komme, was ich mache. Aber das hat mir auch geholfen, weil alle so offen waren."

Filmprojekt erzählt Geschichten von Migranten

Zoryana Janke steht am Strand und schaut in die Kamera. © NDR Foto: Catherine Grim
Zoryana Janke kam 2018 der Liebe wegen aus der Ukraine in die Wesermarsch.

Zoryna Janke ist eine von insgesamt 30 Zugewanderten, deren Geschichten im Rahmen des Projekts "Lebenswelten Wesermarsch" filmisch erzählt werden sollen. Da ist der Portugiese, der mit seiner ganzen Familie in die Wesermarsch kam und nun an einer Schule in Butjadingen unterrichtet. Oder die 23-jährige Inderin, die in Elsfleth an der Fachhochschule studiert. Ein Musiker aus Chicago, ein Maler aus Afghanistan. Aber auch Menschen, die der Krieg vertrieben und in die Wesermarsch gebracht hat.

Menschen aus der Wesermarsch spenden für die Ukraine

Der Krieg in ihrer Heimat hat auch Zoryana Janke eingeholt. Gleich nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine begann sie, Hilfsgüter für ihre Landsleute zu sammeln - und von überall her kamen Menschen und brachten Spenden bei ihr vorbei. "Dieser Zusammenhalt hat mich wirklich beeindruckt", sagt sie.

Stundenlange Interviews - Fünf Minuten Film

Philip Heyelmann, Kameramann und Inhaber der Produktionsfirma schaut in die Kamera. © NDR Foto: Catherine Grim
Der Film zeigt die Geschichten von 30 Protagonisten.

Auch davon erzählt Zoryana in ihrem Porträt, das Tanja und Philip Heyelmann gedreht und geschnitten haben. Philip sitzt in seiner Filmproduktionsfirma in Butjadingen gerade vor zwei großen Bildschirmen, nimmt im Schnitt den letzten Feinschliff vor, tauscht ein Bild aus, legt Musik unter die Interview-Teile. "Die Menschen, die wir interviewt haben, bringen uns ein unheimliches Vertrauen entgegen", sagt er. "Nach einem Vorgespräch öffnen sie sich, viele reden sich alles von der Seele - und das auf Deutsch." Manch Interview hat auch schon anderthalb Stunden gedauert - zum Schluss kommen ungefähr fünf Minuten Film heraus.

Landrat: Wesermarsch ist vielfältig und bunt

Eine halbe Autostunde entfernt in Brake ruft der parteilose Landrat Stephan Siefken die Homepage des Projekts auf, auf der alle Filme gesammelt zu finden sind. "Für unseren Landkreis ist das ein sehr bedeutendes Projekt", sagt er, der sofort bereit war, die Schirmherrschaft zu übernehmen. Es sei wichtig, Migrantinnen und Migranten ein Gesicht zu geben, um zu zeigen, wie bunt und vielfältig die Wesermarsch sei. "Wenn Integration gelingt, dann stärkt das die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt." Der gemeinnützige Verein Refugium Wesermarsch e.V. ist der ausführende Verein für das Projekt, schließlich kümmert er sich hier schon seit mehr als 35 Jahren um Geflüchtete.

Migranten können sich vernetzen und voneinander lernen

Susanne Kümper, Projektkoordinatorin schaut in die Kamera © NDR Foto: Catherine Grim
Susanne Kümper, Projektkoordinatorin

"Uns geht es nicht nur bloß darum, verschiedene Lebensgeschichten zu erzählen", sagt Susanne Kümper, die das Projekt koordiniert, Sponsoren wie die Lotto-Sport-Stiftung oder die Stiftung Niedersachsen an Bord holte und die Zugewanderten für die Filme auswählt. "Sondern darum, dass sich die Menschen untereinander vernetzen, dass wir gemeinsam Ideen für eine Zukunft in der Wesermarsch entwickeln." Was gefällt den Menschen hier, was kann man besser machen? Dazu gehören auch Besuche der Akteure der Filme an Schulen, wo sie sich mit den Kindern über ihre Erfahrungen austauschen.

Filmdarsteller und Publikum sollen in Kontakt kommen

Alle paar Monate werden neue Filme in einer Veranstaltung mit Podiumsdiskussion vorgestellt. Auch die Darstellerinnen und Darsteller aus den Filmen sind dann anwesend. "Darum geht es uns ja, dass alle miteinander in Kontakt kommen, voneinander lernen. Es ist eine Art offener Dialog zwischen Podium und Publikum", sagt Susanne Kümper. Zoryana Janke freut sich schon auf die nächste Veranstaltung im Centraltheater in Brake, auf der ihr Porträt gezeigt wird.

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 04.04.2024 | 19:30 Uhr

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