Lauterbach-Entführung geplant? Niedersachse will vor Gericht aussagen
Vor dem Oberlandesgericht Koblenz muss sich seit Mittwoch ein 44-jähriger Mann aus Bad Zwischenahn verantworten. Er soll unter anderem die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplant haben.
Zum Prozessauftakt wurde vor dem Oberlandesgericht Koblenz die Anklage gegen die fünf Tatverdächtigen verlesen. Ihr Plan klingt abstrus - doch die Bundesanwaltschaft ist überzeugt: Die sogenannten Vereinten Patrioten sind eine terroristische Vereinigung und hatten einen Staatsstreich vor. Unter den mutmaßlichen Rädelsführern ist auch Michael H. aus Bad Zwischenahn (Landkreis Ammerland).
Angeklagter will sich zu Vorwürfen äußern
Einer seiner Verteidiger kündigte gegenüber dem NDR Niedersachsen an, Michael H. werde sich im Prozess zu den Vorwürfen äußern. Es werde eine Aussage verlesen, die längere Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Für den Verteidiger Otmar Schaffarczyk stellt sich vor allem die Frage, ob das alles überhaupt ernstzunehmen war. Er wolle einen Freispruch fordern. Die Hauptverhandlung werde zeigen, dass an den Vorwürfen nichts dran sei, sagte der Anwalt. "Mal sehen, ob sich das alles bestätigt. Es sind ja auch viele Vermutungen und Spekulationen aufgebaut".
Prozessbeginn unter strengen Sicherheitsauflagen
Für den Prozess setzte das Gericht dutzende Termine bis Mitte Januar kommenden Jahres an. Der Beginn fand unter strengen Sicherheitsauflagen statt. Die Angeklagten wurden in Handschellen hereingeführt. Sie nahmen die Anklageverlesung äußerlich überwiegend regungslos hin. Die Verteidiger stellten anschließend mehrere Anträge, über die das Gericht jetzt entscheiden muss. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte vor dem Prozess gegenüber dem "Spiegel", er wünsche sich "harte, gerechte Urteile". Nur so könnten Nachahmer abgeschreckt werden.
Ziel der Gruppe: Gewaltsamer Sturz der Bundesregierung
Das gemeinsame Ziel der Gruppe soll gewesen sein, mittels Gewalt einen Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen. Laut Anklage gab es dafür einen Drei-Stufen-Plan: Zunächst sollte durch Sabotage ein bundesweiter Stromausfall für Unsicherheit sorgen. Dann sollte Lauterbach aus einer Talkshow entführt werden - das Töten seiner Personenschützer sollte offenbar in Kauf genommen werden. Einer der Angeklagten soll bereits zwei vollautomatische Sturmgewehre und weitere Waffen besorgt haben. Es sollte bürgerkriegsähnliche Zustände geben, so beschreibt es die Anklage.
Michael H. soll "False Flag"-Aktion vorbereitet haben
Michael H. aus Bad Zwischenahn soll sich nicht im militärischen Arm der Gruppe, sondern in einem administrativen Zweig organisiert haben - so sieht es jedenfalls die Bundesanwaltschaft. Seine Aufgabe sei es gewesen, eine "False Flag"-Aktion vorzubereiten: Ein Schauspieler sollte dabei den Bundespräsidenten oder Bundeskanzler in einer Live-Show im Fernsehen imitieren und dann verkünden, dass die Bundesregierung abgesetzt sei und dass die Verfassung von 1871 wieder gelte.
Keine Hinweise auf Radikalisierung aus Umfeld des Angeklagten
Der Auftritt des 44-Jährigen in einem sozialen Netzwerk ist immer noch online. Dort wirbt der Mann nicht nur für Auftritte von Musikern, sondern auch für Sendungen in Telegram-Kanälen oder im Internet, in denen es viel um die Corona-Pandemie und das Impfen ging. Für seine eigenen Auftritte als Comedian auf norddeutschen Bühnen schlüpfte Michael H. selbst gern in eine alte grüne Polizeiuniform und parodierte einen trotteligen Dorfpolizisten. Der NDR Niedersachsen hat mit mehreren Menschen aus seinem früheren Umfeld gesprochen - Hinweise auf eine mögliche Radikalisierung oder gar eine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung hatte niemand der Gesprächspartner gesehen.