Nach Höchststand: Etwas weniger politisch motivierte Straftaten
Die politisch motivierte Kriminalität ist in Niedersachsen leicht zurückgegangen - aber weiter auf einem hohen Niveau. Das hat Innenministerin Daniela Behrens (SPD) am Montag mitgeteilt.
4.768 politisch motivierte Straftaten wurden im vergangenen Jahr in Niedersachsen registriert. Gegenüber 2021, als mit mehr als 5.300 ein Höchststand erfasst worden war, bedeutet das einen Rückgang um fast elf Prozent. Innenministerin Behrens wollte den Rückgang nicht überbewerten: Der aktuelle Stand der politisch motivierten Straftaten bedeute immer noch den zweithöchsten Wert im Zehn-Jahres-Vergleich.
Behrens sieht Behörden "über Jahre" gefordert
Das hohe Niveau sei absehbar gewesen, sagte Behrens mit Verweis auf Corona-Pandemie, Landtagswahl und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Nach Angaben des Innenministeriums waren mit 1.766 mehr als ein Drittel der politisch motivierten Straftaten darauf zurückzuführen. "Es gibt eine gewisse Unruhe in der Gesellschaft", sagte Behrens am Montag. Diese äußere sich in einem aufgeheizten öffentlichen Diskurs und "im schlimmsten Fall auch in politisch motivierten Straftaten". Die Innenministerin geht nicht von einer raschen Entspannung aus: Es werde "in den kommenden Monaten und Jahren" eine der maßgeblichen Aufgaben aller Sicherheitsbehörden sein, der entsprechenden Szene aus "Querdenkern", sogenannten Reichsbürgern und "Putin-Fans" etwas entgegenzusetzen und rechtsstaatliche Grenzen aufzuzeigen.
Große Zahl an Straftaten weder aus "linker" noch "rechter" Szene
Einen besonders starken Rückgang verzeichnet das Innenministerium bei der Zahl der politisch motivierten Straftaten aus der "linken" Szene. Gegenüber dem Vorjahr sank die Zahl in diesem Bereich von 1.226 auf 693. Darunter waren den Angaben zufolge 64 "linksmotivierte Gewaltdelikte". Auch "rechtsmotivierte Straftaten" gingen laut Innenministerium zurück - allerdings nicht in so großem Umfang. Ihre Zahl sank von 1.992 Fällen im Jahr 2021 auf 1.725 im vergangenen Jahr. Bei deutlich mehr als der Hälfte der Vergehen handelt es sich den Angaben zufolge um sogenannte Propagandadelikte, etwa das öffentliche Zeigen von verbotenen Kennzeichen wie beispielsweise Hakenkreuzen und SS-Runen. 66 "rechtsmotivierte Gewaltdelikte" wurden im Vorjahr erfasst - zwei weniger als im Jahr 2021. Besonders groß ist die Gruppe der Täter, die in keine der politischen Schubladen passen. Dazu gehören unter anderem sogenannte Reichsbürger, Corona-Leugner, Putin-Anhänger sowie Klima-Aktivisten. Hier verzeichnet das Ministerium knapp 2.800 Taten.
Gewaltdelikte haben insgesamt zugenommen
Trotz der Rückgänge bei Gewaltdelikten aus "linker" und "rechter" Szene ist die Anzahl von Gewaltstraftaten im Bereich der politisch motivierten Kriminalität insgesamt auf 286 angestiegen (Vorjahr: 274). Dies sei der höchste Wert seit dem Jahr 2016, teilte das Innenministerium mit. Ursächlich für den Anstieg sind demnach 144 Gewaltstraftaten mit einer Tatmotivation, die nicht explizit zugeordnet werden konnte. Die Fallzahl in diesem Bereich hat insgesamt zugenommen und bildet laut Ministerium erstmals den höchsten Anteil der politisch motivierten Gewaltstraftaten: 2.181 Fälle, die nicht unmittelbar einem spezifischen Phänomenbereich zugeordnet werden können, wurden demnach 2022 erfasst (+11 Prozentpunkte).
Antisemitische Straftaten: "Werden weiterhin genau hinsehen"
Deutlich zurückgegangen ist die Anzahl antisemitischer Straftaten als Teil der Hasskriminalität. Sie sank von 314 (2021) auf 197 (2022). "Dieser Rückgang ist keineswegs beruhigend", sagte Behrens. Jede dieser Taten sei eine zu viel. "Wir müssen und werden hier weiterhin genau hinsehen", betonte sie. Die konsequente Bekämpfung des Antisemitismus sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Niedersachsen gegen den Bundestrend
Anders als in Niedersachsen ist die Zahl der politisch motivierten Straftaten bundesweit 2022 zum vierten Mal in Folge angestiegen. Der Anstieg um rund sieben Prozent im Vergleich zum Jahr davor auf 58.916 Straftaten bedeutet nach den in der vergangenen Woche vorgelegten Zahlen des Bundeskriminalamts einen Rekord. Einer der Gründe ist den Angaben zufolge der russische Angriffskrieg in der Ukraine: Dieser habe in Deutschland 2022 viele Menschen stark beschäftigt - auch wegen der Angst vor möglichen Versorgungsengpässen.