Kommentar zu Missbrauchsfällen: "Wer Ohren hat zu hören, der höre"
Bei der Synode der Landeskirche Hannover in Loccum stand das Thema sexualisierte Gewalt im Mittelpunkt. Um das Thema aufzuarbeiten, sie ein gewisses Maß an Kontrollverlust nötig, kommentiert Florian Breitmeier, NDR Religion und Gesellschaft.
Das laute Schweigen der Kirchenleitungen beim Thema Missbrauch war lange Zeit ohrenbetäubend. Dabei gilt in der Bibel: "Wer Ohren hat zu hören, der höre." Dieser Satz hat eine entscheidende Bedeutung im beabsichtigen Kulturwandel der hannoverschen Landeskirche - nach Jahren des institutionellen Wegsehens, Ausblendens und auch Vertuschens in konkreten Fällen. Ob der Landeskirche der Kulturwandel gelingt, ist eine offene Frage. Ausgang ungewiss. Ein Anfang: Wer Ohren hat zu hören, der höre, auch wenn es schwerfällt. Denn nur viele Positionen ergeben ein umfassendes Bild, die Grundlage für Entscheidungen. So gibt es Betroffene, die einen personellen Neuanfang in Hannover fordern, andere tun das ausdrücklich nicht, sehen keine Notwendigkeit dafür.
Vielstimmigkeit macht den Kulturwandel
Sehr eindrücklich hatte die Betroffene Nancy Janz am Freitag vor den Kirchenparlamentariern gesprochen. Mit einer persönlichen klaren Botschaft: Kulturwandel braucht Mitgefühl und Mitmenschlichkeit. Ein starker Moment. Andere Betroffene hätten womöglich vor dem Kirchenparlament stärker kirchenpolitisch Kante gezeigt, aufgrund ihrer Verletzungen nicht auf einen versöhnlichen Kurs mit der Kirche oder Amtsträgern gesetzt. Auch das ist eine Position. Wichtig dabei: Die Vielstimmigkeit macht den Kulturwandel. Das muss die hannoversche Landeskirche lernen. Es wird bei diesem Thema nicht ohne den Streit der Meinungen gehen, das konfliktreiche Ringen um die Sache, so sehr sich manche vielleicht geschwisterliche Harmonie wünschen. Für den Kulturwandel braucht es auch eine kritische Basis in den Gemeinden und in den Kirchenkreisen. Denn dort entscheidet sich Kirche vor Ort.
Betroffene sexualisierter Gewalt haben viel Mut bewiesen
Die Forum-Studie benennt es klar: Kirche muss mit Blick auf sexualisierte Gewalt, Deutungshoheit abgeben, dazu gehört auch ein gewisses Maß an Kontrollverlust. Klar, das fällt allen großen Institutionen schwer. Man führt in Krisensituationen häufig lieber Regie, als sich der Ungewissheit eines Konflikts auszusetzen, von dem unklar ist, wie er ausgeht. Die Betroffenen sexualisierter Gewalt aber haben so viel Mut bewiesen, der Kirche ihre Geschichte zu erzählen, da sollte es in Institutionen mit viel Gestaltungsmacht nicht allzu verzagt zugehen mit Blick auf Positionen und Prozesse.