Klimaforscher: Wir müssen uns an die Erderwärmung anpassen
Thomas Jung vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven zählt zu den weltweit renommiertesten Klimaforschern. Er sagt: Auch wenn wir die Notbremse ziehen - wir werden in einer wärmeren Welt leben.
Das Klima bleibt ein Thema, das Niedersachsen auch 2025 und weit darüber hinaus beschäftigen wird. Ein Jahr nach dem Weihnachtshochwasser hat das NDR Regionalmagazin Hallo Niedersachsen bei Professor Thomas Jung nachgefragt, wie es zu solchen Wetterextremen kommen kann. Er ist Leiter der Sektion Klimadynamik und Vizedirektor des Alfred-Wegener-Instituts. Die Forschungsergebnisse von Jung fließen in den Weltklimabericht ein.
Wodurch werden Extremwetterereignisse wie Starkregen beeinflusst?
Thomas Jung: Durch den Jetstream. Das ist ein Band starker Winde in der Atmosphäre in rund zehn bis zwölf Kilometern Höhe. Jedes Extremwetterereignis in Deutschland oder Europa kann man auf die Eigenschaften des Jetstream zurückführen - seien es Hitzewellen, Stürme oder Starkniederschläge.
Warum nehmen denn Extremwetterereignisse zu?
Jung: Das erklären wir mit sogenannten thermodynamischen Prozessen. Ein Beispiel: Ein Tiefdruckgebiet setzt sich in unseren Regionen fest und bringt feuchte, warme Luft aus dem Süden zu uns in den Norden. Wenn das in einer wärmeren Welt geschieht, dann passieren spannende und interessante Dinge.
Was geschieht dann?
Jung: Die wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen. Wenn dann diese wärmere, feuchte Luft aufsteigt und kondensiert, kann viel mehr von dem Wasserdampf direkt in Niederschlag überführt werden und auf den Boden fallen. Das nennen wir die Claudius-Clapeyron-Beziehung: Für jedes Grad Erwärmung hat man ungefähr sieben Prozent mehr davon.
Kann man durch diesen Effekt auch das Weihnachtshochwasser 2023/24 erklären?
Jung: Ja, durch diesen thermodynamischen Effekt kann man die erhöhten Extremniederschläge in einer sich erwärmenden Welt erklären. Heute - in einer ungefähr 1,2 oder 1,3 Grad wärmeren Welt - fällt einfach viel mehr Niederschlag, als das gleiche Ereignis noch vor 150 Jahren verursacht hätte.
Was können wir tun, damit es nicht zu immer größeren und häufigeren Schäden durch Wetterextreme kommt?
Jung: Man müsste zwei Dinge tun: Das eine wäre Anpassung. Das Klima hat sich gewandelt, und selbst wenn wir jetzt die Notbremse ziehen, werden wir weiterhin in einer wärmeren Welt leben.Das heißt, wir müssen uns anpassen an die sich häufenden Extremereignisse. Da muss man sich etwa überlegen, wie man in Städten mit Überflutungen umgeht. Das andere wäre, die Treibhausgase möglichst zu reduzieren.
Wie kann man die Menschen dazu bekommen, nicht den Mut zu verlieren angesichts der fortschreitenden Klimaerwärmung?
Jung: Wir müssen auch das Positive erzählen. Wenn wir uns überlegen, wir ziehen die Handbremse und wir passen uns an - beispielsweise indem wir unsere Städte nicht so zupflastern und grüner machen - das ist eine attraktive Welt. Das wäre eine Welt, in der man gerne leben möchte.
Das Interview führte NDR Reporter Peter Becker.