Stadt Hannover verlässt das Ihme-Zentrum
Eine städtische Kita im Ihme-Zentrum soll verkauft werden - offenbar um Schaden von der Stadtkasse abzuwenden. Doch die Bewohner des Zentrums fühlen sich im Stich gelassen und fordern, dass sich die Stadt an den Sanierungskosten beteiligt.
Ein Großteil des riesigen Betonkomplexes Ihme-Zentrum in Hannover wird seit Jahrzehnten von einem Investor zum nächsten weitergereicht. Doch saniert wurde wenig. Das Bild wird in den unteren Etagen bestimmt von blankem Betongerippe und Tristesse. Flächen von mehr als 100.000 Quadratmetern, in denen vor Jahren noch Geschäfte und Büros zu finden waren, stehen seit Langem leer.
Der Großeigentümer ist mittlerweile insolvent. Zu den kleineren Gewerbeeigentümern in dem Komplex gehört bislang auch die Landeshauptstadt Hannover. Doch die städtische Kita im Ihme-Zentrum will die Stadt nun loswerden und sich damit offenbar endgültig aus dem gigantischen Gebäudeensemble zurückziehen.
Für die rund 500 Kleineigentümer, von denen viele in den Wohntürmen über den Gewerbeflächen Eigentumswohnungen besitzen, ist das ein "fatales Signal nach dem Motto: Wir geben Euch auf", meint Verwaltungsbeirat Jürgen Oppermann. Die Bewohner planen kurzfristig Protestaktionen vor dem Rathaus.
Torsten Jaskulski, der Verwalter des Komplexes, hält diese Entscheidung der Stadt für "eine Zäsur für das gesamte Ihme-Zentrum". Er bedauere, dass die Stadt den Verkauf der Kita plane.
Gewerbeeigentümer sollten Sanierung zahlen
Hintergrund für die Entscheidung ist offenbar ein gerichtlicher Vergleich aus dem Jahr 2021, nach dem nur die Eigentümer der Gewerbeflächen im Ihme-Zentrum die Kosten für die Sanierung der maroden Sockelgeschosse zahlen müssen. Mit Abstand größter Gewerbeflächeneigentümer war damals die Firma Projekt IZ Hannover GmbH, die damals indirekt vom Finanzjongleur Lars Windhorst kontrolliert wurde. Seit rund zwei Jahren ist das Unternehmen allerdings insolvent.
Eigentümer verklagen Stadt

Da im Sockelgeschoss weiterhin Sanierungsarbeiten stattfinden, sollen nun die restlichen Gewerbeeigentümer für die anfallenden Kosten in Haftung genommen werden. Dazu gehört auch die Stadt Hannover.
Offenbar ist es jüngst zu einem Streit darüber gekommen, inwieweit sich die Stadt an den Kosten beteiligen muss. In der Folge hat die Wohnungseigentümergemeinschaft die Stadt auf eine Summe von 100.000 Euro verklagt. Der Verfahren wird am 26. März verhandelt. Insgesamt soll sich die Stadt nach eigener Auskunft mit einer Summe in Höhe von 6,4 Mio. Euro an Sanierungsarbeiten beteiligen.
Kita soll verkauft und rückgemietet werden
Nach Auskunft von Pressesprecher Felix Weiper will die Stadt Hannover die Kita an eine eigens dafür gegründete Gesellschaft verkaufen und dann zurückmieten. Organisiert wird diese Aktion von der städtischen Wohnbaugesellschaft Hanova Wohnen GmbH, die sich dazu allerdings nicht äußert.
Der Verkauf ist aus Sicht der Stadt notwendig, um für die Steuerzahler der Stadt "Schaden zu vermeiden" und um "ein Haftungsrisiko zu verringern." Die Stadt Hannover möchte damit offenbar mögliche Maximalforderungen in Höhe von 50 Millionen Euro verhindern, die von der Wohnungseigentümergemeinschaft für Sanierungsarbeiten geltend gemacht werden könnten. Demnach kann die Stadt offenbar zunächst gesamtschuldnerisch für Forderungen in Haftung genommen werden, die gar nicht sie selbst betreffen, sondern andere Gewerbeflächeneigentümer, die ihren Zahlungsverpflichtungen einfach nicht nachkommen.
Stadt will nicht für "Windhorsts Desaster" zahlen
Da Großeigentümer Projekt IZ Hannover GmbH aktuell zahlungsunfähig ist, könnten nun auf die Stadt große Forderungen zukommen. Verwaltungsbeirat Oppermann erwartet allerdings, dass die Stadt sich an den Vergleich von 2021 hält und meint, "die Stadt versucht sich ihren Verpflichtungen zu entziehen."
Stadtsprecher Weiper sieht das allerdings ganz anders. Es sei "nicht akzeptabel", dass die Stadt von der Wohnungseigentümergemeinschaft "für das von Lars Windhorst zu verantwortende finanzielle Desaster in die Pflicht genommen" werde. "Mit Geld der öffentlichen Hand lässt sich die Misere nicht lösen". Dies sei "auch ein grundfalsches Signal an weitere Spekulanten", sagt Weiper.
Grundschulden machen Ihme-Zentrum nahezu unverkäuflich
Wie es mit dem Ihme-Zentrum weitergeht, scheint momentan völlig unklar. Noch immer belasten Grundschulden im Umfang von 290 Millionen Euro die Immobilie. Eingetragen wurden diese offenbar mit Billigung durch Windhorst zugunsten von zwei Firmen, die vom Hamburger Unternehmer Ulrich Marseille kontrolliert werden. Insolvenzverwalter Jens Wilhelm V versucht diese Grundschulden löschen zu lassen, um die Gewerbeflächen leichter an einen neuen Investor verkaufen zu können. Doch das könnte länger dauern.
Kleineigentümer müssen Sonderumlage zahlen

Für die rund 500 Kleineigentümer wird die Situation immer schwieriger. Weil der insolvente Großeigentümer der Projekt IZ Hannover GmbH seit Jahren keine Zahlungen mehr leistet, müssen die Kleineigentümer seit Monaten eine Sonderumlage in Höhe von 4,87 Euro pro Quadratmeter leisten - auf unbestimmt Zeit. Bei einer 100-Quadratmeter-Wohnung entspricht das einer zusätzlichen monatlichen Belastung in Höhe von fast 500 Euro. "Hier sind Menschen am Verzweifeln", sagt Oppermann.
Das Ihme-Zentrum ist eine private Immobilie, die allerdings wegen ihrer Größe und zentralen Lage für die Stadt schon seit Jahren ein Problem ist. Immer wieder tauchten neue Investoren auf und gelobten das Problem zu lösen. Das Ergebnis ist katastrophal. Ohne die Stadt dürfte eine positive Zukunft des Betonklotzes schwer werden. Wenn nun aber nicht mal mehr die Stadt an das Ihme-Zentrum glaube, wer dann, fragt Verwalter Jaskulski.
Von der Stadt Hannover heißt es: "Mit dem Insolvenzverfahren kann es eine neue Perspektive geben - sofern das Problem mit den hohen Grundschulden gelöst werden kann." Die Stadt habe "großes Interesse an einer positiven Entwicklung" des Ihme-Zentrums. Wie diese Zukunft aussehen kann und welche Rolle die Stadt dabei tatsächlich spielt, scheint allerdings offen.
