Geflüchteten-Zahl: "Auf Dauer der Gesellschaft nicht zuzumuten"
Mit einem deutlichen Appell hat sich Niedersachsens Innenministerin Behrens an den Bund und die EU gewandt: Die Zahl der Geflüchteten müsse begrenzt werden. Die Unterbringungsmöglichkeiten seien "mehr als erschöpft".
Angesichts von immer mehr Schutzsuchenden in Niedersachsen sieht Innenministerin Daniela Behrens das Land an der Grenze seiner Aufnahmefähigkeit. Seit drei bis vier Wochen erlebe Niedersachsen "einen sehr, sehr hohen Zulauf von Geflüchteten", sagte die SPD-Politikerin am Montag nach einem Treffen mit den Kommunalverbänden. Inzwischen nehme das Land wöchentlich 1.300 bis 1.600 Neuankömmlinge auf. Angesichts der Zahlen komme man an eine Grenze, "wo wir nur noch über Unterbringung sprechen können, aber nicht mehr über Integration", sagte Behrens.
Behrens fordert Schließung der Ostroute und Grenzkontrollen
Deshalb fordert die Ministerin vom Bund und der Europäischen Union eine Steuerung und Begrenzung der Geflüchteten-Zahlen. "Dieser Zuwachs, den wir jetzt seit 2015 erleben, ist auf Dauer der Gesellschaft nicht zuzumuten", sagte Behrens. In Niedersachsen lebten aktuell mehr als 260.000 Geflüchtete." Ich erwarte, dass wir die Ostroute schließen, die wir derzeit vor allen Dingen als Zugangstor zu Europa haben", sagte Behrens. Auch müsse die Balkanroute überprüft werden und die osteuropäischen EU-Länder müssten sich um Asylsuchende kümmern, anstatt sie nur nach Europa, vor allen Dingen nach Deutschland, durchziehen zu lassen. Vom Bund erwartet Behrens Grenzkontrollen und die Schleierfahndung an den Grenzen zu Polen und Tschechien zu verstärken, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) es angekündigt habe.
Weniger Asylanträge in Niedersachsen als 2015
"Das politische Asylrecht ist unantastbar in Deutschland, aber es darf auch nicht ausgehöhlt werden, wie wir es gerade bemerken", so Behrens. Der anstehende Herbst werde "sicherlich eine besondere Situation". "Wenn das so weitergeht, dann werden wir am Ende des Jahres locker die 30.000 reißen", prognostizierte Behrens für das Gesamtjahr. Damit läge der Wert deutlich unter dem von 2015: Damals stellten rund 102.000 Menschen in Niedersachsen einen Asylantrag. Von Anfang Januar bis Mitte September 2023 kamen rund 19.000 Asylsuchende. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind da nicht eingerechnet; sie müssen kein Asyl beantragen. 111.000 von ihnen kamen seit Februar 2022 nach Niedersachsen.
Niedersächsischer Städtetag: Bundesregierung muss Zeichen setzen
Der Präsident des Niedersächsischen Städtetags, Frank Klingebiel, wies darauf hin, dass die Lage schon im vergangenen Jahr prekär gewesen sei und Turnhallen und Stadthallen zur Unterbringung von Geflüchteten genutzt werden mussten. Auch damals sei Integration schon kein Thema mehr gewesen. Kitas und Schulen seien überfüllt und müssten Standards herunterschrauben. Schon im vergangenen Jahr habe der Städtetag eine "vernünftige Begrenzung des Flüchtlingszuzugs und eine gerechte Verteilung in Europa" gefordert. Dass einige europäische Länder sich "einen schlanken Fuß" machten, sei nicht mehr hinzunehmen, sagte Klingebiel. Er forderte die Bundesregierung auf, schnell Zeichen zu setzen. "Es ist eine Frage der Steuerung und des Binnenschutzes, der jetzt deutlich und schnell gemacht werden muss", sagte Klingebiel.
Landkreistag: Städte brauchen Geld vom Bund
Marco Trips vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, sich zu diesem "riesengroßen Thema" zu äußern, was er bisher kaum getan habe. Auf die angespannte finanzielle Situation durch den Zuzug der Geflüchteten machte der Präsident des Niedersächsischen Landkreistages, Sven Ambrosy, erneut aufmerksam. Er fordert mehr Geld vom Bund.
CDU für Grenzkontrollen
Der Oppositionsführer im Landtag, CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner, forderte von der Landesregierung mehr Hilfen für die Kommunen. Grenzkontrollen und die Schließung bekannter Fluchtrouten unterstütze die CDU ausdrücklich. "Wir erwarten jedoch, dass sich Frau Behrens innerhalb ihrer eigenen Partei und gegenüber der Bundesregierung endlich durchsetzt", sagte Lechner.
Flüchtlingsrat und Grüne wollen schnellere Arbeitserlaubnis
Der Flüchtlingsrat in Niedersachsen fordert, dass Zuwanderer schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden müssen. Mit Blick auf die knappen Unterkünfte heißt es außerdem vom Verein, dass es den Geflüchteten möglich sein müsse, auch bei Familie und Freunden zu wohnen. Auch die Fraktionschefin der mitregierenden Grünen, Anne Kura, sagte, Flüchtlinge sollten so schnell wie möglich eine Arbeitserlaubnis bekommen. Es müsse Schluss sein damit, einerseits den Zuzug von Arbeitskräften zu fordern, es den hier lebenden Menschen andererseits aber zu erschweren, eine Arbeit aufzunehmen, so Kura.