In Niedersachsen stehen Tarifverhandlungen an - Streiks wahrscheinlich
Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist 2024 ein wichtiges Jahr. Denn in Niedersachsen stehen 30 große Tarifrunden an. Darunter auch bei Volkswagen. Das könnte in einigen Branchen zu Warnstreiks führen.
Bundesweit sind zwölf Millionen Menschen von den Tarifverhandlungen betroffen. Mehrdad Payandeh, Vorsitzender des DGB Niedersachsen, fordert, dass die Reallöhne wieder steigen. Der Krisenmodus, der seit drei Jahren andauert, belaste bis in die Mitte der Gesellschaft. "Die Arbeitgeber haben eine Sozialverantwortung."
Nur noch jeder zweite Arbeitnehmer durch Tarifvertrag geschützt
Seit Jahren nimmt die Tarifbindung ab. Laut einer Erhebung des DGB sind 52 Prozent der Beschäftigten in Niedersachsen durch einen Tarifvertrag geschützt. Die EU-Mindestlohnrichtlinie sieht vor, dass die Bindung bei 80 Prozent liegen sollte. Aus Sicht des DGB-Vorsitzenden Payandeh hat das Konsequenzen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Ohne Tarifverträge erhielten sie häufig weniger Lohn, weniger Urlaub und auch weniger Arbeitsschutz. Vor allem lasse sich nur mit Tarifvertrag die gleiche Bezahlung aller Geschlechter gewährleisten. Bei der Tarifbindung ist laut DGB also noch Luft nach oben.
In diesen Bereichen finden 2024 Tarifrunden statt
- Schienenpersonenverkehr (Dezember 2024)
- Bauhauptgewerbe (Februar 2024)
- Gebäudereinigung (Mai 2024)
- Papierindustrie (Juni 2024)
- Chemieindustrie (Mai 2024)
- Holz- und Kunststoffindustrie (seit Oktober 2023)
- Metallhandwerk und Landbautechnik (Januar 2024)
- VW und Töchter (Juni 2024)
- Metall- und Elektroindustrie (Juni 2024)
- Feinstblech-Packungsindustrie (Juni 2024)
- Tischler Nordwest (Herbst 2024)
- Textil und Bekleidungsindustrie (Winter 2024)
- Obst- und gemüseverarbeitende Industrie (seit Dezember 2023)
- Milchindustrie (Januar 2024)
- Brotindustrie (April 2024)
- Hotel- und Gastgewerbe (Mai 2024)
- Süßwarenindustrie (Juni 2024)
- Beschäftigte bei Sozialversicherungen (seit Dezember 2023)
- Beschäftigte in der maritimen Wirtschaft (Juni 2024)
- Privater Nahverkehr Niedersachsen (Januar 2024)
- Speditions- und Logistik-Gewerbe (Februar 2024)
- Krankenhäuser Helios-Konzern (1. Quartal)
- Druckindustrie (voraussichtlich März 2024)
- Private und öffentliche Banken (zweites und drittes Quartal)
- Deutsche Telekom (1. Quartal)
- Postbank (1. Quartal)
- NDR, Radio Bremen, Bremedia (zweites Quartal)
Warnstreiks möglich
Sollten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften in diesen Bereichen nicht einigen können, ist in den betroffenen Bereichen mit Warnstreiks zu rechnen, heißt es vonseiten des DGB. Ziel des Gewerkschaftsbundes ist es auch, dass wieder mehr Betriebe nach Tarif bezahlen. "Immer mehr Arbeitgeber betreiben Tarifflucht", sagt Payandeh.
DGB: Fehlende Tarifbindung hat Konsequenzen für Allgemeinheit
Der Gewerkschaftsbund rechnet dabei vor, dass durch fehlende Tarifverträge auch Folgeschäden für die Allgemeinheit entstehen. Bei der Sozialversicherung fehlen den Angaben des DGB zufolge 4,7 Milliarden Euro, bei der Einkommenssteuer 2,9 Milliarden Euro. "Geld, das für Investitionen dringend gebraucht wird", so Payandeh.
DGB sieht auch Politik in der Pflicht
"Wir appellieren sowohl an die Arbeitgeber, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und wieder mehr Tarifverträge abzuschließen. Aber auch die Politik ist gefordert, die Tarifbindung zu stärken", sagte Payandeh. Die Landesregierung müsse dringend das Tarif- und Vergabegesetz anfassen. Bisher können öffentliche Aufträge nämlich an Unternehmen vergeben werden, die nicht nach Tarif bezahlen.
Wirtschaftsminister will Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben, die nach Tarif zahlen
Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) sagte dem NDR Niedersachsen, dass das Land bei der Gesetzgebung auf den Bund warte. Der erarbeite gerade neue Regeln, Niedersachsen wolle dann nachziehen. "Die Regeln müssen sichern, dass das, was die öffentliche Hand als Auftrag vergibt, an Unternehmen vergeben, die sich an Tarifverträge halten." Aus Sicht von Lies geht es dabei auch um die Bauwirtschaft - es müsse verhindert werden, das lokale Unternehmen leer ausgehen. Der Wirtschaftsminister rechnet damit, dass eine entsprechende Novellierung des Gesetzes bis zum Sommer umgesetzt wird.