Dumpinglöhne für Erntehelfer
Gnadenlos schiebt sich der schwere Häcksler über das Zucchinifeld und vernichtet die gesamte Ernte. Bauer Pierre Maurer aus dem Elsass schaut zu, denn die Aktion ist von ihm gewollt. Für ihn lohne sich die Ernte seines Gemüses nicht mehr. "Es zu zerstören ist billiger als wenn ich es ernte, es ist traurig, denn ich bin Landwirt und ich will ja die Ware nicht kaputt machen, aber der Markt ist kaputt", sagt Maurer und schaut weiter zu, wie der Häcksler Zucchini für Zucchini in kleine Stücke zerhackt. Zerstört nach seiner Überzeugung durch die deutsche Billigkonkurrenz.
Trotz Mindestlohn Dumpingpreise für Gemüse
Pierre Maurer glaubt, deutsche Bauern seien Schuld daran, dass der Markt am Boden ist. Seit Jahren würden deutsche Bauern Erntehelfer ausbeuten, Dumpinglöhne zahlen und so Gemüse extrem billig anbieten können. Eigentlich müsste mit den Billiglöhnen in Deutschland Schluss sein, denn seit diesem Jahr gilt ein spezieller Mindestlohn von 7,40 Euro, das Gemüse im Supermarkt müsste also eigentlich teurer sein. Ist es aber nicht, wie Panorama 3 Reporter herausfinden, Salat gibt es bereits für 59 Cent und der Kohlrabi wird für 29 Cent angeboten.
Pro Kiste, statt pro Stunde bezahlt
Der Discounter Aldi gibt auf Nachfrage an, die niedrigen Preise lägen an den "schlanken Strukturen". Doch ist das tatsächlich der einzige Grund oder wird der Mindestlohn umgangen? Auf Nachfrage sagt der Bauernverband, es gebe in Deutschland eine klare gesetzliche Regelung, die besagt, dass der Mindestlohn zu zahlen sei, dies würde auch geprüft und kontrolliert.
Mindestlohn ja, aber Gemüse bleibt so günstig wie immer ? Wie geht das? Panorama 3 Reporter haben mit Erntehelfern gesprochen. Sie berichten, dass sie nicht pro Stunde, sondern eben pro Kiste bezahlt werden. Pro Kiste bekämen sie etwa 2 Euro. In zehn Stunden schafft ein Anfänger etwa 30 Kisten - das macht 60 Euro, also ein Stundenlohn von etwa 6 Euro, das wäre also unter dem Mindestlohn. Eine Erntehelferin berichtet, dass sie oftmals nur 20 Kisten schaffe, das wären sogar nur 3 bis 5 Euro die Stunde.
Variierende Auszahlungspreise
Verantwortlich für die befragten Erntehelfer ist ein Lieferant des Discounters Lidl. Er bestreitet die Vorwürfe und sagt, die Entlohnung bei Bundzwiebeln sei nicht immer gleich. Je nach Ausgangsqualität des Zwiebelbestandes variieren die Auszahlungspreise. Der Mindestlohn würde aber immer gezahlt, so der Gemüselieferant. Durch die leistungsabhängigen Bezahlungen hätten Mitarbeiter die Chance, mehr zu verdienen.
Und Lidl selbst entgegnet auf Anfrage von Panorama 3: "Lidl lehnt jegliche Form von Arbeitsrechtsverletzungen ab. Jeder Partner von Lidl muss vertraglich versichern, dass er diese Grundsätze umsetzt."
Das gleiche Bild bei einem Aldi Lieferanten: Auch hier sprechen Reporter mit Erntehelfern. Nach deren Lohnabrechnungen liegt der Stundenlohn bei etwa 3 bis 4 Euro, in zwei Monaten habe ein Erntehelfer rund 1.100 Euro verdient. Aldi schreibt auf Nachfrage, gerechte Arbeitsbedingungen seien ein wichtiges Anliegen. "Aber Lieferanten sind für die Einhaltung des Mindestlohns selbst verantwortlich."
Der Ehrliche macht Verluste
Es gibt aber auch ehrliche Bauern, wie Rudi Behr aus Seevetal in Niedersachsen. Er zahlt den Mindestlohn, doch die Gemüsepreise sind so niedrig, dass er bei vielen Kulturen, beispielsweise Radieschen, Verluste macht. Hunderttausende Euro hat Bauer Behr bereits verloren, weil sich der Anbau vieler Sorten nicht mehr lohnt. Es sei ein Konkurrenzkampf, bei dem der Ehrliche der Dumme sei und verliere, sagt Bauer Behr.
Für den Bauernverband scheint das kein Thema zu sein. Auf Nachfrage gibt es die immer gleiche Antwort: "Nochmals, wir haben in Deutschland, und nicht nur für die Landwirtschaft, eine Vielzahl von Gesetzen, die sind einzuhalten", so Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Doch der Mindestlohn wird eben nicht überall eingehalten, man lässt die Bauern offenbar gewähren und am Ende gewinnt der, der anscheinend am meisten betrügt.