Bundesweite Ausländerkriminalität: Debatte auch in Niedersachsen
Knapp sechs Millionen registrierte Straftaten gab es in Deutschland vergangenes Jahr - ein Plus von 5,5 Prozent. Zugenommen hat unter anderem die Ausländerkriminalität. Auch in Niedersachsen.
Die Zahl ausländischer Tatverdächtiger ist im vergangenen Jahr deutschlandweit um 13,5 Prozent gestiegen. Herausgerechnet sind dabei schon Taten, die nur Menschen ohne deutschen Pass begehen können, wie zum Beispiel Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht. In der gleichen Zeit ist die Zahl deutscher Tatverdächtiger laut der Daten der Kriminalstatistik des Bundesinnenministeriums lediglich um 1 Prozent angestiegen. Auch in Niedersachsen registrierten die Ermittlungsbehörden im vergangenen Jahr mehr ausländische Tatverdächtige: Ihre Zahl stieg von 60.105 (2022) auf 68.619 Personen.
Grüne warnen vor populistischer Diskussion
Der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion der Grünen in Niedersachsen, Michael Lühmann, sagte, die Kriminalstatistik habe nur eine begrenzte Aussagekraft und sei für Fehlinterpretationen anfällig. "Vor diesem Hintergrund warne ich auf Basis der Zahlen, eine populistisch getriebene Debatte darüber zu führen, welche Maßnahmen nun unmittelbar folgen sollten."
AfD sieht Migrationspolitik endgültig gescheitert
Die niedersächsische AfD sprach davon, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe ihren "Offenbarungseid" in der Migrationspolitik der Ampel-Koalition präsentiert. Der innenpolitische Sprecher im Landtag, Stephan Bothe, sagte: "Der Zusammenhang zwischen Zuwanderung aus gewissen Ländern und dem Anstieg von Kriminalität, insbesondere von Gewaltkriminalität, ist nun endgültig nicht mehr zu leugnen." Die Migrationspolitik stelle eine riesige Gefahr für die innere Sicherheit dar und sei gescheitert.
CDU: "Ausländerkriminalität ein Alarmzeichen"
"Der weit überwiegende Teil der in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund begeht keine Straftaten und trägt zum Erfolg unseres Landes bei," stellte Niedersachsens CDU-Chef Sebastian Lechner klar. Wer sich hier integrieren möchte, dem müsse ein Angebot gemacht werden. Aber: Die steigenden Zahlen im Bereich der Ausländerkriminalität seien ein Alarmzeichen, das nicht hingenommen werden könne. Die Innenministerinnen Nancy Faeser und Daniela Behrens (beide SPD) seien hier gefordert, zügig Abhilfe zu schaffen. "Wir dürfen nicht wegsehen, nichts schönreden und müssen konsequent gegen Straftäter vorgehen." Es brauche in Niedersachsen mehr Staatsanwälte und Richter.
SPD wirbt für einen differenzierten Blick
Die SPD in Niedersachsen begründet den Anstieg der Kriminalität von Migrantinnen und Migranten auch mit unklaren Bleibeperspektiven und mit eingeschränkten Lebensverhältnissen. Sie setzt auf Integration und den Zugang zum Arbeitsmarkt. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass die Ursachen von Kriminalität bekämpft würden, indem integrative Maßnahmen gefördert würden - etwa durch Bildung, Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten und kultureller Integration. So schaffe man Zuversicht und eine Lebensperspektive. Es müsse aber auch klar sein, dass Straftäter nicht davon ausgehen könnten, hier bleiben zu dürfen.
Wissenschaftler verweist auf Lebensbedingungen von Migranten
Für Alexander Baur, Kriminologe an der Universität in Göttingen, sind die neuen Zahlen nicht überraschend, weil die Zahl der Migrantinnen und Migranten zugenommen hat. Außerdem seien viele Menschen aus prekären Lagen und mit Fluchterfahrungen nach Deutschland gekommen. Aber auch die deutsche Politik habe Einfluss auf die Kriminalität. "Wenn wir sehen, unter welchen Bedingungen Migrantinnen und Migranten bei uns leben, dann wundert es mich als Kriminologe nicht, dass das teilweise soziale Bedingungen und Ausgangspunkte sind, die zu Kriminalität führen", sagte Baur dem NDR Niedersachsen.
Kriminologe: "Die beste Prävention ist gute Sozialpolitik"
Die Gründe für den Anstieg der Kriminalität von Ausländern sind für Baur aber vielfältig. Diebstahl zum Beispiel sei klassische Armutskriminalität. Und Armut sei bei Nichtdeutschen sehr stark angestiegen. "Die beste Prävention, die beste Kriminalpolitik, war schon immer eine gute Sozialpolitik", betonte Baur. Hier stelle sich die Frage, was besser gemacht werden kann.