Bürgerentscheid: Flüchtlingsunterkunft in Fürstenau kann kommen

Stand: 27.02.2024 09:28 Uhr

Die Pommern-Kaserne in Fürstenau (Landkreis Osnabrück) sollte eigentlich nur vorübergehend Geflüchtete beherbergen. Sie dauerhaft dafür zu nutzen, lehnen manche Bürger ab. Am Sonntag haben die Fürstenauer der Kasernen-Lösung zugestimmt.

von Göran Theo Ladewig

"Lehnen Sie eine Vermietung/Verpachtung der ehemaligen Pommern-Kaserne durch die Stadt Fürstenau an die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen ab?" - das war die Frage, die die Bürgerinnen und Bürger der Samtgemeinde im Landkreis Osnabrück am Sonntag beantworten mussten. Das vorläufige Ergebnis am Sonntagabend ergab eine klare Mehrheit für die Verfechter einer Vermietung der ehemaligen Pommern-Kaserne an die Landesaufnahmebehörde. 55,2 Prozent der Wählenden hatten mit "Nein" und damit der Vermietung zugestimmt. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 50 Prozent. Wahlberechtigt waren 7.698 Bürgerinnen und Bürger. Die Entscheidung ist für zwei Jahre bindend und könnte laut niedersächsischer Kommunalverfassung nur durch einen erneuten Bürgerentscheid angefochten werden.

Behrens hofft auf schnelle Nutzung als Erstunterkunft

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) wünscht sich eine schnelle Nutzung der Erstunterkunft für Geflüchtete: "Dass die Bürgerinnen und Bürger in Fürstenau für die Vermietung der Pommernkaserne an die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen gestimmt haben, freut mich sehr. Dies ist auch ein gutes Signal für unsere Gesellschaft", sagte die SPD-Politikerin am Montag.

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Ehemalige Kaserne: Platz für 500 Geflüchtete

Die Landesaufnahmebehörde hatte die Erstunterkunft in Fürstenau nach Kriegsbeginn 2022 eingerichtet, um andere Standorte zu entlasten. Da im Moment weniger Asylsuchende nach Niedersachsen kommen, steht die Unterkunft seit dem Jahreswechsel leer. Im Sommer werde die Zahl der Geflüchteten vermutlich aber wieder ansteigen, sagte Hannah Hintze, Sprecherin der Landesaufnahmebehörde. Die Stadt Fürstenau will die ehemalige Kaserne im Landkreis Osnabrück nun für eine Dauer von zehn Jahren pachten und danach dauerhaft erwerben. Teile des Gebäudes will die Stadt an die Landesaufnahmebehörde vermieten oder verpachten - für rund eine Million Euro im Jahr. Dann könnten dort auf einer Fläche von etwa zehn Hektar rund 500 Asylsuchende untergebracht werden. Bisher gehört das Gelände einem Unternehmer. Er hatte einen Teil bisher an das Land vermietet, möchte aber schnell verkaufen. Bürgermeister Matthias Wübbel (SPD) zufolge verhandelt er bereits mit der Gemeinde.

Wie sollen Geflüchtete integriert werden?

Hauptinitiator des Bürgerbegehrens ist der Fürstenauer Dirk Lebeda. Grundsätzlich ist auch für Lebeda unstrittig, dass Geflüchtete in Fürstenau willkommen sind. Wenn sie aber am Stadtrand in einer autarken Sammelunterkunft untergebracht werden, sei keine Integration möglich. Lebeda wünscht sich, dass die Menschen dezentral im Ort untergebracht werden, "Tür an Tür" mit den Einheimischen. Nur so sei nachhaltige Integration in Sportvereine und soziale Einrichtungen möglich. Dieses Ansinnen ist durch den Bürgerentscheid abgelehnt worden.

Fürstenau fehlt die Infrastruktur

Genau in der Autarkie der Unterkunft in der Pommernkaserne sieht Bürgermeister Wübbel aber einen großen Vorteil. Die Landesaufnahmebehörde will eine eigene Sanitätsstation sowie Freizeit- und Bildungsangebote für die Bewohnerinnen und Bewohner schaffen und einen Sozialdienst einrichten. In der Stadt seien solche Kapazitäten kaum vorhanden, so Wübbel - ganz zu schweigen vom Wohnraummangel. Würde die Unterkunft bestehen bleiben, müsste Fürstenau keine weiteren Geflüchtete über den üblichen Verteilschlüssel aufnehmen, wäre also nicht weiter belastet.

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Hitzige Debatte um Kriminalität

Zwischenzeitlich sei die Debatte um die Unterkunft sehr unsachlich gewesen, meint der Bürgermeister. Bürgerinnen und Bürger hatten unter anderem argumentiert, manche der Geflüchteten seien kriminell. Der Leiter des zuständigen Kommissariats Bersenbrück (Landkreis Osnabrück) wies immer wieder darauf hin, dass die Unterkunft aus Sicht der Polizei unauffällig sei. Diese Meinung scheinen aber nicht alle zu teilen: Im August sagte eine Einzelhändlerin dem NDR Niedersachsen, die Zahl der Diebstähle sei seit Eröffnung der Unterkunft erheblich angestiegen. Sie und ihre Kolleginnen hätten aber weder die Zeit noch den Mut dazu, dies zu ahnden.

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Hallo Niedersachsen | 26.02.2024 | 19:30 Uhr

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