Stand: 03.08.2016 11:17 Uhr

Bayern verklagt VW: Die wichtigsten Fakten

von Ines Burckhardt und Markus Plettendorff, NDR Info Wirtschaftsredaktion

Volkswagen steht weltweit unter Druck, eine Klage folgt der nächsten. Nun will Bayern als erstes deutsches Bundesland den Autokonzern auf Schadenersatz verklagen. NDR Info hat die wichtigsten Fakten zusammengestellt.

Wie begründet Bayern seine Klage?

Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) sagt, der bayerische Pensionsfonds habe bis zu 700.000 Euro verloren, als die VW-Aktie im vergangenen September abgestürzt ist. Der Fonds hielt damals knapp 60.000 Vorzugsaktien des Autokonzerns. Vor genau einem Jahr war jede Aktie gut 180 Euro wert, dann stürzte sie auf unter 100 Euro ab. Einen Teil dieses sogenannten Kursdifferenzschadens fordert das Land nun von VW zurück.

Folgen nun weitere Bundesländer mit Klagen?

Baden-Württemberg und Hessen prüfen zurzeit juristische Schritte. Nach Angaben des Finanzministeriums hielt Baden-Württemberg zu Beginn der VW-Abgas-Affäre rund 64.600 Vorzugsaktien von Volkswagen. Hessen nennt Verluste in der sogenannten Versorgungsrücklage des Landes durch den Verkauf von VW-Aktien in Höhe von rund vier Millionen Euro.

Andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen wollen nicht klagen - entweder, weil man keine VW-Aktien halte oder allenfalls indirekt. Sachsen-Anhalt prüft zurzeit die Zusammensetzung der eigenen Anlagen.

Sind sinkende Aktienkurse nicht Teil des Risikos bei einer Anlage in Aktien?

Normalerweise schon. Aber Bayern und andere Anleger werfen Volkswagen vor, über den Dieselskandal schon früh Bescheid gewusst und die Anleger zu spät informiert zu haben. Das würde gegen das Wertpapierhandelsgesetz verstoßen. Börsennotierte Unternehmen müssen in sogenannten Adhoc-Mitteilungen ihre Anleger umgehend darüber informieren, wenn ein Ereignis den Aktienkurs deutlich beeinflussen könnte.

VW weist die Vorwürfe zurück und sagt, es sei alles korrekt abgelaufen. Ob das tatsächlich so war, muss auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig herausfinden. Die ermittelt seit einigen Wochen gegen die VW-Manager Martin Winterkorn und Herbert Diess.

Auch andere Aktionäre haben VW bereits verklagt. Wie hoch sind die Forderungen an Volkswagen insgesamt?

Die genaue Summe ist nicht bekannt. VW spricht von 130 Klagen, hinter jeder Klage können aber viele Anleger stehen. Zum einen haben Tausende Privatanleger geklagt. Auch institutionelle Anleger fordern Schadenersatz: beim sehr großen norwegischen Staatsfonds geht es etwa um Hunderte Millionen Euro. Ein Tübinger Rechtsanwalt hat eine Klage für 280 institutionelle Anleger eingereicht, sie fordern insgesamt 3,3 Milliarden Euro. Unter den Klägern sind eine Allianz-Tochter und Deka, eine Tochter der Sparkassen. Aber auch ausländische Anleger, wie ein Pensionsfonds für Lehrer aus Kalifornien, sind Teil der Klägergruppe.

Warum klagen ausländische Anleger nicht im Ausland - also zum Beispiel der Lehrer-Pensionsfonds nicht in den USA?

In den USA könnte der Fonds nur klagen, wenn er die Papiere auch dort gekauft hat. In den USA werden aber kaum VW-Aktien verkauft, sondern nur sogenannte ADR, das sind Zertifikate auf VW-Aktien. Ein Pensionsfonds von Polizisten aus Miami und ein anderer Fonds haben es trotzdem versucht und Klage in Kalifornien eingereicht. VW hat dagegen Widerspruch eingelegt - eben mit der Begründung, dass nur in Deutschland geklagt werden könne. Das bestätigen auch Juristen, mit denen NDR Info gesprochen hat.

Bei den Klagen von Aktionären in Deutschland geht es um hohe Summen. Kann VW solche Schadenersatz-Forderungen überhaupt leisten?

VW hat rund 16 Milliarden Euro für mögliche Klagen zurückgestellt. Diese Gelder sind aber vor allem für die Sammelklagen in den USA vorgesehen - dort haben viele geschädigte Autobesitzer und auch Behörden geklagt. Für Schadenersatzklagen von Aktionären hat VW bisher nichts zurückgelegt. Sollte ihm eine Verletzung seiner Pflichten nachgewiesen werden, würden weitere Milliardenzahlungen auf den Konzern zukommen.

Welche Chancen haben die Kläger vor Gericht?

Wenn sich beweisen lässt, dass die Adhoc-Mitteilung zu spät kam, hätten die Klagen laut Juristen eine Chance. Das Landgericht Braunschweig plant ein Musterverfahren - ein Kläger könnte stellvertretend für alle anderen als Kläger bestimmt werden. In dem Prozess würden dann zunächst alle grundlegenden Fragen geklärt werden. Anleger können sich einem Musterverfahren anschließen - allerdings nur bis zum möglichen Verjährungszeitpunkt und der ist wahrscheinlich Mitte September. Eröffnet wird das Verfahren wohl in diesem Monat. Vergleichbare Prozesse haben sich aber über Jahre hingezogen.

Weitere Informationen
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NDR Info | 03.08.2016 | 08:40 Uhr

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