Aktionsbündnis wehrt sich gegen erneute Weservertiefung
Soll die Weser erneut vertieft werden? Befürworter argumentieren mit dem wirtschaftlichen Nutzen, Gegner warnen vor einer Umweltkatastrophe. Die Minister Lies und Meyer haben sich dazu beim "Weserdialog" in Brake informiert.
Nach Ansicht der niedersächsischen Landesregierung müssen Maßnahmen für eine besser Wasserqualität der Weser umgesetzt werden, bevor der Fluss weiter vertieft wird. Die Folgen der bisherigen Fahrrinnen-Anpassungen hätten längst Verbesserungen bei der Wassergüte erfordert, sagte Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) nach dem Gespräch im Landkreis Wesermarsch. Derartige Maßnahmen seien aber nicht angegangen worden. Ziel müsse nun sein, den Generalplan Wesermarsch anzugehen. Dem schloss sich auch Umweltminister Christian Meyer (Grüne) an. "Das wird die Aufgabe mit dem Bund sein, dafür zu sorgen, dass diese Maßnahmen wirklich ergriffen werden, die damit auch Voraussetzungen sind, um überhaupt am Ende eines Verfahrens entscheiden zu können: Gibt es ein Einvernehmen oder nicht", so Lies. Der Dialog soll im Frühjahr 2024 weitergehen.
Gefahren für Umwelt und Deichsicherheit
Gegner der Weservertiefung weisen seit Jahren auf die negativen Folgen der bereits erfolgten Anpassungen der Fahrrinne hin. Schlick und das immer stärkere Eindringen von Salzwasser in den Fluss würden zu erheblichen Schäden für die Umwelt und die Deichsicherheit führen und zusätzlich Nachteile für Industrie und Tourismus mit sich bringen, so ihre Argumentation. Das Aktionsbündnis macht darauf aufmerksam, dass Badestellen und Sportboothäfen an der Weser vom Schlick überlagert und verstopft und damit nahezu unbenutzbar werden würden. In Nordenham müsse jetzt schon auf Kosten der Stadt der Sportboothafen ausgebaggert werden.
Landwirte kritisieren Versalzung der Gräben
Widerstand gegen weitere Eingriffe in den Flusslauf kommt auch aus der Landwirtschaft. Für Landwirte wie Ralf Degen ist es nach eigener Aussage nicht mehr möglich, ihr Vieh aus den Gräben zu tränken, weil diese immer mehr versalzen. Degens Hof liegt 500 Meter vom Weserdeich entfernt in Nordenham, er sei darauf angewiesen, seine 120 Milchkühe und 60 Pferde auf den nahen Weiden grasen zu lassen. Degen und zwei weitere Landwirte hatten 2011 erfolgreich gegen eine weitere Vertiefung der Weser geklagt. Der Planfeststellungsbeschluss wurde damals wegen erheblicher Mängel bezüglich europäischem und nationalem Naturschutzrecht und der Unvereinbarkeit mit dem Verschlechterungsverbot der EU-Wasserentnahmerichtlinie aufgehoben.
Umweltverbände reagieren mit Unverständnis
Im März dieses Jahres hatte das Aktionsbündnis gegen die Weservertiefung eine Petition eingereicht. Darin wurde das Land Niedersachsen aufgefordert, die Planungen für eine weitere Vertiefungen der Außenweser auf von der Tide unabhängige 13,50 Meter und der Unterweser auf tideabhängige 12,80 Meter zu stoppen. Die Umweltverbände NABU, BUND und WWF lehnen eine weitere Weservertiefung strikt ab. Sie fordern die Politik auf, die seit Jahren fortgesetzte Spirale immer neuer Flussvertiefungen mit katastrophalen ökologischen Auswirkungen endlich zu durchbrechen. Zwölf Weservertiefungen und massive Ausbaggerungen hätten den Fluss bereits massiv geschädigt, so die Umweltverbände. Dass Bund und Land trotzdem erneut auf eine Flussvertiefung setzen, löst bei den Verbänden absolutes Unverständnis aus.
Befürworter fordern mehr Tiefgang für Schiffe
Die Befürworter der Weservertiefung argumentieren mit dem damit verbundenen Nutzen für die niedersächsische und bremische Schifffahrt. So sollen im Braker Hafen künftig nicht nur Getreide, Dünger und Futtermitteln, sondern - bei einer Wassertiefe von 12,80 Meter - auch Offshore-Windenergieanlagen verladen werden können, die mehr Tiefgang benötigen. Andererseits hat nach Informationen des NDR Niedersachsen auch die Industrie zunehmend mit Schlick zu kämpfen. Verladeplätze, wie etwa bei der Firma Steelwind in Nordenham/Blexen, die Offshore-Monopiles, also Gründungspfeiler für Windparks auf See, herstellt, müssen immer wieder vom Schlick befreit werden, der sich dort am Ufer ansammelt.
An Ems und Elbe bereits Kipppunkte überschritten
Die Biologin Beatrice Claus, Expertin des WWF für Flussmündungen, forscht seit den 90er-Jahren zu den Folgen der Vertiefungen an Ems und Elbe. In beiden Gebieten gebe es nach ihrer Beobachtung einen dramatischen Artenrückgang bei Fischen, wie etwa dem Stint. Zudem könne die bei der jüngsten Elbvertiefung angestrebte Wassertiefe von 14,5 Metern trotz des massiven Einsatzes von Baggerschiffen nicht gehalten werden. Jede Tide bringe mehr Schlick zurück in den Fluss als herausbefördert werden könne. Sie spricht von einem Kipppunkt für die Weser, der an Ems und Elbe bereits überschritten sei. Dort würden sich die ökologischen Grenzen beim Ausbau von Schifffahrtsstraßen zeigen, so die Biologin. Wenn man der Weser dies ersparen wolle, dann sei jetzt der richtige Zeitpunkt.