Weniger Nordsee-Erdgas - was das für den Winter bedeutet
Wartungsarbeiten in Norwegen haben dazu geführt, dass im September deutlich weniger Erdgas über die Nordsee-Pipelines in Norddeutschland angeliefert worden ist.
Seit dem 23. August sind die übertragenen Mengen gesunken - zeitweise kamen weniger als 50 Prozent der üblichen Gasimporte. Das zeigen Daten der Bundesnetzagentur und der europäischen Gas-Transparenzplattform EntsoG.
Norwegische Firma zögerte Wartungsarbeiten lange hinaus
Einmal im Jahr müssen Gasförderplattformen und Leitungen gewartet werden, in der Regel wird dafür die Produktion für einige Tage ganz eingestellt. Die norwegische Firma Equinor hatte den Start der Wartungsarbeiten immer wieder nach hinten verlegt. Ein Grund könnte gewesen sein, dass die Gasspeicher in Westeuropa zunächst weiter befüllt werden sollten. Equinor betreibt unter anderem das Troll-Gasfeld, das sich etwa 100 Kilometer vor der norwegischen Küste westlich von Bergen befindet. Es ist bekannt als der größte Erdgasfund in der Nordsee und könnte voraussichtlich noch für die nächsten 50 bis 70 Jahre Erdgas bereitstellen.
Kernstück des Gasfelds in der Nordsee vor der norwegischen Küste ist die Plattform Troll A. Sie ist die größte Gasförderplattform der Welt. Über Pipelines wird das Erdgas unter anderem nach Deutschland gepumpt. Die Übergabepunkte der Pipelines Nordpipe und Europipe befinden sich in Emden und Dornum in Ostfriesland.
Gasspeicher gut gefüllt
Trotz der Absenkung der Lieferung aus Norwegen sind die deutschen Gasspeicher weiterhin gut gefüllt.
Wärmepumpen, Photovoltaik und Co.: Gasnachfrage sinkt
Der Energie-Experte Georg Zachmann vom Bruegel-Institut in Brüssel sieht Europa deshalb auch in einer besseren Ausgangslage als vor einem Jahr: "Die Speicher sind voll, wir speichern sogar schon Gas in der Ukraine ein. Drei LNG-Terminals sind in Betrieb, die französischen Atomkraftwerke sind zurück am Netz - und die Gasnachfrage ist strukturell gesunken." Im Bereich Wärmepumpen, Photovoltaik und Fuel-Switch habe sich in den vergangenen Monaten viel getan.
Allerdings gebe es auch noch Szenarien, die schmerzhaft werden könnten, so Zachmann. Folgende Aspekte würden eine Rolle spielen: Ein sehr kalter Winter, der mögliche Stopp aserbaidschanischen Gases, ausbleibende russische Gaslieferungen an andere Länder sowie Probleme mit anderen Anbietern. Dann würden die Preise eventuell noch einmal steigen. "Die Märkte erwarten ein solches Szenario aber offensichtlich nicht", sagt Georg Zachmann.
Bundesnetzagentur: Noch zu früh für Entwarnung
Auch die Bundesnetzagentur, in deren Zuständigkeitsbereich das Thema Erdgas fällt, schätzt die Ausgangssituation zu Beginn der Heizperiode als deutlich besser ein als im vergangenen Herbst.
Doch auch die Behörde sieht die Gefahr ausbleibender russischer Gaslieferungen in südosteuropäische Länder, die zur Zeit noch Gas über die Ukraine beziehen. Im Falle einer Mangellage müssten sie über Deutschland mitversorgt werden. Ein sparsamer Gasverbrauch bleibe deshalb wichtig.
Gas-Mangellage: Behörden simulieren Notabschaltungen
Vorbereitungen für den möglichen Ernstfall: Am 21. September hat die Bundesnetzagentur in einer Übung eine Gasmangellage ein Deutschland simuliert. In diesem Fall muss die Behörde entscheiden, welche Firmen und Energieunternehmen mit wie viel Gas versorgt werden können. In der Fachsprache heißt das "Bundeslastverteiler". An der Übung nahmen neben der Bundesnetzagentur das Bundeswirtschaftsministerium, mehrere Bundesländer und die Firma Trading Hub Europe teil. Sie ist verantwortlich für das deutsche Marktgebiet. Außerdem haben Netzbetreiber und Industriekunden, Speicherbetreiber und Speichernutzer teilgenommen.
Hinweis: In einer früheren Version hatten wir geschrieben, Troll A sei eine Förderplattform und Bohrinsel. Sie ist jedoch keine Bohrinsel.