Zu wenig Hausärzte in MV: Immer mehr Mediziner in Anstellung
1.200 Hausärzte arbeiten nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Drittel von ihnen ist 60 Jahre oder älter. Eine Nachfolge ist oft ungewiss. Medizinische Versorgungszentren können die Lücken nicht schließen. Zudem ziehen immer mehr Mediziner die Festanstellung der Niederlassung vor.
Das Wartezimmer in der Hausarztpraxis von Jörg Hinniger in Demmin (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) ist voll. Zwölf Patientinnen und Patienten warten gerade darauf, behandelt zu werden. "Mein Arzt ist im Urlaub, ich musste hierher, weil ich eine Gallen-OP hatte. Nun sitze ich hier schon anderthalb Stunden." Das erzählt ein junger Mann. Ihm gegenüber sitzt Hubert Karsdorf aus Demmin. Er ist Rentner und das Warten macht ihm nicht viel aus. "Man ist ja froh, wenn man immer betreut wird. Und ich hatte bisher immer Glück - mit dem Vorgänger und jetzt auch mit Dr. Hinniger."
Hausärztliche Versorgung wird schlechter
Jörg Hinniger ist seit 20 Jahren in der Demminer Praxis. Wer eine Hausärztin oder einen Hausarzt wie ihn hat und zeitnah behandelt wird, kann sich glücklich schätzen. Laut der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Mecklenburg-Vorpommern ist derzeit ein Drittel der 1.200 Ärztinnen und Ärzte im Land 60 Jahre oder älter. "Auch in Demmin sind in den vergangenen Jahren drei Hausärzte in den Ruhestand gegangen und es gibt keine Nachfolger. Das spüren wir hier," erzählt Hausarzt Hinniger.
MVZ wiegen Hausärztemangel nicht auf
Im Gegenzug hat in Demmin ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) aufgemacht. Dort arbeiten Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen unter einem Dach. Was Hausarzt Hinniger allerdings kritisch sieht, ein niedergelassener Arzt betreut in einem Quartal etwa doppelt so viele Patienten wie ein angestellter Arzt. "Ich glaube auch nicht, dass ich mir zu wenig Zeit nehme für die Patienten, und ich dadurch mehr Patienten durch diese Praxis schleuse. Aber ich glaube schon, dass es im Wesen des Menschen liegt, bei einem gesicherten Einkommen vielleicht die Dynamik der täglichen Tätigkeit einzuschränken."
Das bestätigt auch Amtsarzt Jörg Heusler in Stralsund. Der Gesetzgeber sieht für niedergelassene Ärzte ein viel höheres Pensum vor. Laut Gesetzgeber versorgt ein niedergelassener Arzt im Quartal 1.078 Patienten, ein Mediziner in Festanstellung behandelt laut Schlüssel 578 Patienten.
Trend in der Ärzteschaft geht zur Festanstellung
Amtsarzt Jörg Heusler berichtet, dass in den vergangenen zehn Jahren deutschlandweit zwar mehr als 60.000 Ärztinnen und Ärzte hinzugekommen sind, aber an der falschen Stelle, wie er sagt. Denn während noch vor zehn Jahren nur jeder Sechste in einer Anstellung war, verschiebt sich gerade diese Relation, stellt der Amtsarzt fest. "Das sieht man auch an der Verteilung im niedergelassenen Bereich: Angestellte Ärzte machen inzwischen ein Drittel aus." Diesen Trend zur Festanstellung sieht die Kassenärztliche Vereinigung des Landes auch in Mecklenburg-Vorpommern. Im Raum Stralsund sind nach Angaben der KV derzeit 7,5 Hausarztsitze offen.
Hausarzt für ähnliche Anforderungen
Inzwischen ist in der Demminer Hausarztpraxis Patient Hubert Karsdorf an der Reihe. Jörg Hinniger spricht ausführlich mit ihm, stellt bei dem Diabetiker fest, dass sein Zuckerwert zu niedrig ist. "Ansonsten ist alles in Ordnung," sagt Hinniger freundlich und verabschiedet sich. Für ihn ist der niedergelassene Hausarzt aus dem Versorgungsspektrum nicht wegzudenken. Und der Hausarzt fordert ähnliche Anforderungen für angestellte und niedergelassene Ärzte. "Gegen MVZ-Strukturen bin ich nicht, wenn man gewisse Kontrollmechanismen versucht zu etablieren, die dazu führen, dass hier nicht Versorgungsplätze besetzt werden, ohne eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten."