Tariftreuegesetz: Rot-rotes Vorzeigeprojekt bisher ein Flop
Ein Prestigevorhaben der rot-roten Landesregierung - das sogenannte Tariftreuegesetz - verpufft bisher. Weil mehr als ein Jahr nach seiner Verabschiedung noch eine wichtige Verordnung fehlt, greift es nur für eine Branche: den Nahverkehr.
Für SPD und Linke ist es ein Meilenstein auf dem Weg für höhere Löhne im Land. Das Tariftreuegesetz soll dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge nur noch an Firmen gehen, die Tariflöhne oder ähnliche Bezahlungen garantieren. Die Politik setzt auf die Sogwirkung im Land mit den bundesweit niedrigsten Bruttolöhnen. Das Gesetz soll für Mecklenburg-Vorpommern den Weg aus dem Lohnkeller ebnen. Auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) lobt das Gesetz in Leistungsbilanzen und Reden immer wieder als Basis für "gute Arbeit und gute Löhne". Zuletzt bezeichnete sie es in ihrer Rede zum Neujahrsempfang in Stralsund vor drei Wochen als "Errungenschaft".
Immer weniger Branchen ohne Tarif
Die Wirklichkeit sieht anders aus. Obwohl es seit dem 1. Januar 2024 gilt, floppt das Gesetz. Es verläuft im Sande, weil immer noch nicht klar ist, was in den einzelnen Branchen als tarifvertragliche Regelung gilt, was also "repräsentativ" für einen Wirtschaftszweig ist. Bisher steht das nur für den Nahverkehr auf Schiene und Straßen fest. Diese Branche hat als einzige feste und allgemein gültige Tarifstrukturen. Für andere gilt das nicht. Das liegt auch daran, dass nur noch eine Minderheit der Betriebe tarifgebunden ist, Tendenz fallend.
Verordnung hängt im Kabinett
Eigentlich sollte eine Verordnung Abhilfe schaffen. Das Wirtschaftsministerium bestätigte gegenüber dem NDR einen entsprechenden Bericht der "Schweriner Volkszeitung". Mit der Verordnung sollte das Ministerium sogenannte "Mindestarbeitsbedingungen" festlegen, beispielsweise zu Arbeitszeiten, Urlaubstagen und Sonn- und Feiertagszuschlägen. Ein Entwurf dazu "hängt" noch immer im Kabinett, das haben Beteiligte bestätigt. Der im Gesetz vorgesehene Beirat, der die Verordnung vorbereiten soll, hat bereits im vergangenen November getagt. In ihm sitzen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter. Allerdings hat auch dieses Gremium noch keine Lösung parat.
DGB ungeduldig
Solange die Verordnung nicht verabschiedet ist, gilt als Lohnuntergrenze bei öffentlichen Aufträgen des Landes der sogenannte Vergabemindestlohn von 13,50 Euro. Der DGB-Nord wird ungeduldig. "Die Umsetzung ist zu langsam", erklärte die DGB-Chefin im Norden, Laura Pooth, auf Anfrage. Man habe aber die feste Zusicherung, dass Tarifverträge für zunächst sechs Branchen "zur Grundlage für die Vergabe gemacht werden". Das soll, so Pooth, bis Ende März passieren. Für sie ist das Gesetz weiterhin ein "echter Gamechanger für die Löhne und Gehälter im Land, sie werden endlich steigen".
Arbeitgeber: Bürokratiemonster
Die Vereinigung der Unternehmerverbände (VUMV) als Arbeitgebervertreter hat daran Zweifel. Vize-Hauptgeschäftsführer Sven Müller sagte, es zeige sich, welches "Bürokratiemonster" mit diesem Gesetz entstanden sei. Man könne den Eindruck haben, dass auch Teile der Landesregierung das erkannt hätten, so Müller, denn anders sei die Verzögerung nicht zu erklären. "Krass" nannte er die Verlautbarungen der Koalitionsfraktionen, die das Gesetz immer wieder lobten, obwohl es gar nicht greife.