Ein Senior hält etwas Kleingeld in der Hand. © picture alliance / dpa Themendienst Foto: Mascha Brichta

Tag der Armut: Diakonie fordert mehr Transparenz in MV

Stand: 17.10.2023 17:35 Uhr

Anlässlich des "Internationalen Tags für die Beseitigung der Armut" hat die Diakonie Mecklenburg-Vorpommern ein Positionspapier mit Herausforderungen und Lösungsansätzen veröffentlicht. Im Land leben derzeit 18,3 Prozent der Menschen in "relativer Armut".

Mehr als eine Milliarde Menschen muss weltweit mit weniger als einem Euro pro Tag auskommen. Um auf die daraus resultierende humanitäre Katastrophe aufmerksam zu machen, haben die Vereinten Nationen bereits 1992 den 17. Oktober zum "Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut" erklärt. Auch in Mecklenburg-Vorpommern leben viele Menschen in sogenannter "relativer Armut". Dies bestätigt der aktuelle Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Fast jeder Fünfte in MV gilt als "relativ arm"

Wichtig ist in diesem Kontext die generelle Unterscheidung zwischen "absoluter" und "relativer" Armut. Im Falle von "absoluter Armut" können existenzielle Grundbedürfnisse wie Ernährung oder Obdach nicht befriedigt werden. In der EU ist daher meist die Rede von einer sogenannten "relativen Armut“. Als "relativ arm" gelten demnach Menschen, die von einer Lebensweise ausgeschlossen sind, die in ihrer Region als Existenzminimum angesehen wird. Konkret: Wer in Deutschland weniger als 60 Prozent des Nettodurchschnittseinkommens verdient, ist von "relativer Armut" betroffen. Gemäß des Armutsberichts des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes trifft dies in Mecklenburg-Vorpommern aktuell auf 18,3 Prozent der Bevölkerung zu. Bundesweit liegt die Quote mit 16,9 Prozent etwas niedriger.

Im Armutspositionspapier weist die Diakonie Mecklenburg-Vorpommern auch auf das Problem der "verdeckten Armut" hin: Davon seien Menschen betroffen, die Anspruch auf staatliche Sozialleistungen haben, diese aber nicht nutzen. Entweder weil sie sich schämen oder sie über ihre Möglichkeiten schlicht nicht ausreichend informiert sind.

Vor allem Alleinerziehende, Großfamilien und Rentner betroffen

In Single-Haushalten gilt als relativ arm, wer monatlich weniger als 1.100 Euro netto zur Verfügung hat. Bei 4-Personen-Haushalten liegt die Grenze bei 2.400 Euro netto. Neben Alleinerziehenden und Großfamilien sind Rentner die am stärksten von Armut betroffene Gruppe in Mecklenburg-Vorpommern. Kai Brauer, der an der Hochschule Neubrandenburg die Professur für Gemeinwesenarbeit und Sozialraumentwicklung innehat und gleichzeitig als Sprecher der Landesarmutskonferenz tätig ist betont, dass die Altersarmut ein großes Problem sei. Das liege unter anderem daran, dass das Rentenniveau seit den Reformen ab den 2000er Jahren konstant gefallen ist und die Menschen privat vorsorgen sollten, um Kürzungen zu kompensieren. Die Betroffenen von damals, die heute Rentner sind, waren aber aufgrund ihrer ohnehin schon prekären Situation oft gar nicht in der Lage, sich in diesem Sinne privat abzusichern. 

Diakonie fordert mehr Sichtbarkeit und weniger Hürden

Das Diakonische Werk Mecklenburg-Vorpommern e.V. möchte das Thema der Armutsbekämpfung unbedingt stärker in den Fokus rücken. "Uns ist es wichtig, dafür zu sensibilisieren", betont Vorständin Henrike Regenstein. Auch hier im Land gäbe es arme Menschen, nur sei eben in einem reichen Sozialstaat die Wahrnehmung von Armut eine andere. "Das Sozialsystem in Deutschland ist ein sehr gutes, aber auch ein sehr kompliziertes", so Regenstein. Neben einigen Lösungsansätzen werden im Positionspapier der Diakonie auch Forderungen an die Landespolitik formuliert, darunter niedrigschwellige Beratungsangebote, mehr Sichtbarkeit von Betroffenen und weniger administrative Hürden. Darüber hinaus erwartet Henrike Regenstein eine regelmäßige Berichterstattung zu der Thematik seitens der Politik. Der letzte Armuts- und Reichtumsbericht des Landes sei bereits 2015 veröffentlicht worden - die Zahlen seien seit dem nicht fortgeschrieben worden.

Teilhabe an der Gesellschaft besonders wichtig

Frauke Hilgemann, Abteilungsleiterin im Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern, bedankt sich ausdrücklich für die Arbeit des Diakonischen Werkes: "Derartige Papiere helfen uns, unsere Politik zu gestalten, genauer hinzugucken und für die Betroffenen letztlich Maßnahmen zu finden." Zwar sei die Armutsgefährdung in MV in den letzten Jahren zurückgegangen, dennoch sei die Teilhabe an der Gesellschaft natürlich besonders wichtig, betonte Hilgemann. Damit meint sie zum Beispiel die Teilnahme an einer Klassenfahrt für ein Kind oder etwa einen Theaterbesuch. Die Diakonie könne auf viele Facetten von Armut aufmerksam machen, aber "eigentlich möchten wir schon anfangen, bevor es überhaupt in die Armut geht", erklärte Hilgemann.

 

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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 17.10.2023 | 17:00 Uhr

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