Startbahn als Stellplatz: Der Flughafen Schwerin-Parchim

Stand: 18.01.2024 21:27 Uhr

Der Flughafen Schwerin-Parchim ist seit Februar 2023 geschlossen. Der letzte aktive Luftfahrtbetrieb ist abgewandert. Die Möglichkeit einer Lösung prallt an den komplexen Besitzverhältnissen ab.

von Paul Mosbacher

Vielleicht ist er mittlerweile das berühmteste Zwischenlager für Autos auf der Welt: Der Flughafen Schwerin-Parchim hat für den Flugverkehr anscheinend endgültig ausgedient. Schon fast ein Jahr lang ist die Betriebserlaubnis erloschen, weil laut Verkehrsministerium "dort gegenwärtig niemand vorhanden ist, der den regelkonformen Betrieb eines Verkehrsflughafens sicherstellen kann." Der "Salomo Flugzeugservice" hat sich zum Jahresanfang neue Standorte gesucht. Dabei gab es mehrmals große Pläne für den Flughafen.

Vom Militär- zum Zivilflughafen

Der Flughafen war die längste Zeit in militärischer Hand. Die Wehrmacht eröffnete ihn im Jahr 1937. Nach Ende des zweiten Weltkrieges waren dort bis 1992 sowjetische Soldaten stationiert. Bei ihrem Abzug haben sie viel flugrelevante Technik mitgenommen. Die Bilanz war ein Flughafen mit wenig Ausstattung und einem belastenden Erbe: Mehrere Millionen Liter des Flugzeugtreibstoffs Kerosin verschmutzen den Boden. Sie sind zum Beispiel aus defekten Tanks oder Lecks in Leitungen dort versickert. 1992 wird der damalige Kreis Parchim Eigentümer des Geländes. Ab 1994 teilen sich das Land Mecklenburg-Vorpommern, der Kreis und die Norddeutsche Landesbank den Besitz. Nach Ausbaumaßnahmen verkehren im Jahr 2000 darüber rund 14.000 Passagiere.

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Unternehmen wollen investieren

Das Land als Haupteigner wollte den Flughafenbetrieb mehrmals in private Hand geben. Im Jahr 2001 übernahm ihn die britische "Wiggins Group". Das Unternehmen wollte Schwerin-Parchim in ein internationales Netz von Flughäfen eingliedern. Davon versprach Wiggins sich längerfristig die Beförderung von 100.000 Tonnen Fracht und einer Million Passagiere jährlich. Doch der Plan ging nicht auf, das Unternehmen zog sich zurück. Im Jahr 2006 zahlte Firma, inzwischen umbenannt in "Plane Station Group", drei Millionen Euro Entschädigung zur Auflösung des Vertrags an das Land. Den Flughafen übernahm der Landkreis Parchim - gezwungenermaßen. Der Betrieb musste sichergestellt werden, um zweckgebundene Fördermittel zu halten.

Landkreis mit Problemen

Für die Gewährleistung des Betriebs wies das Innenministerium dem Landkreis jährlich Fördermittel von etwa zwei Millionen Euro zu. Aber der Kreis musste auch selbst investieren, etwa zur Beseitigung der unterirdischen Kerosin-Seen. Finanziell unter Druck geraten schrieb der Landkreis den Betrieb nach rund zwei Jahren neu aus. Damit rief er die Galionsfigur des späteren Untergangs auf den Plan: den chinesischen Investor Jonathan Pang. Er erwarb den Flughafen und umliegende Flächen - rund 850 Hektar - für 30 Millionen Euro. Seine Firma "Henan Link Global Logistics" verschaffte sich damit als erstes außereuropäisches Unternehmen Zugang zu einem Flughafen in Europa. Ein problematischer Meilenstein, wie sich herausstellen sollte.

Groß, größer, am größten

Pangs Pläne waren gewaltig: Er wollte hunderttausende Arbeitsplätze in und um die - wie er sie nannte - "Parchim Airport City" entstehen lassen. Ein Fünf-Sterne-Hotel wie am Flughafen in Dubai sollte her und außerdem das größte Luxus-Duty-Free-Center der Welt mit 7.000 Shops. Die Menschen sollten aus China nach Schwerin-Parchim fliegen und sich nach dem Kauf von Gucci-, Prada- oder Armani-Artikeln kostenlose Shaolin-Shows in einem "Tempel für die Ewigkeit" von einem künstlichen Berg aus ansehen. Für die Verwirklichung seiner Träume rechnete der chinesische Investor mit Zuschüssen von der chinesischen Export-Import-Bank in Höhe von insgesamt rund 150 Millionen Euro.

Zahlungsverzug und umstrittene Geschäfte

Aber es kam anders. Pang überwies schon die erste fällige Rate des Kaufpreises nicht an den Landkreis. Ihm zufolge fehlte noch die Freigabe der Zuschüsse durch die chinesische Regierung. Doch weil Deutschland den Dalai Lama empfangen hatte, sei die Regierung verstimmt gewesen. Zum vermeintlichen Glück für den Landkreis gab es ein anderes, zahlungswilliges Unternehmen: die "Goodman Group". Der Australische Immobilienriese hatte schon zu Beginn von Pangs Übernahme Interesse an einer Investition am Flughafen gezeigt. Es kam zu einem umstrittenen und komplexen Dreiecksgeschäft: Pang wird im Grundbuch Eigentümer der gesamten Fläche. Er überträgt davon 53 Hektar an die "Goodman Group". Die zahlt dafür 12,25 Millionen Euro, die auf dem Konto des Landkreises landen.

VIDEO: Flughafen Schwerin-Parchim: Vom Aushängeschild zum Stillstand (3 Min)

Erweiterungen ohne Erfolge

Im Jahr 2010 beschloss der Kreistag von Parchim, Pang die noch ausstehenden 17,75 Millionen des Kaufpreises zu erlassen. Stattdessen sollte Pang fünf Millionen in Raten zahlen. Damit hat der chinesische Unternehmer den Flughafen endgültig legal erworben. Im Gegenzug baute Pang einen Tower für rund sieben Millionen Euro, der im Jahr 2015 eingeweiht wurde. Außerdem zahlte er die Betriebskosten von rund 200.000 Euro monatlich, stotterte die verbliebenen fünf Millionen Euro ab und erweiterte das Flughafengebäude. Aber der große Verkehr blieb aus - und damit auch Pangs Einnahmen.

Pang verschwindet, Zahlungen bleiben aus

Im Jahr 2017 tauchte Pang schließlich ab. Er ist bis heute nicht erreichbar, seine Firma kommt ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nach. Im Jahr 2018 entließ die Betreibergesellschaft des Flughafens 20 der bis dahin beschäftigten 25 Mitarbeitenden. Es verbleibt ein Wirrwarr aus Gesellschaften und Eigentumsverhältnissen. Im Jahr 2019 nahm das Schweriner Amtsgericht Insolvenzverfahren gegen Pangs deutsche Firmen auf. Diese hatte er zur Abwicklung von Betrieb und Geschäft des Flughafens übernommen oder gegründet.

Besitzverhältnisse blockieren Entwicklung

Im selben Jahr standen dann tatsächlich erneut Interessenten Schlange, um den Flugbetrieb wieder aufzunehmen: mehr als 30 Unternehmen und Investoren. Doch die Verhandlungen mit ihnen konnten nicht abgeschlossen werden. Denn die Flächen des Flughafens gehören nicht den deutschen Unternehmen, gegen die Insolvenzverfahren laufen, sondern der chinesischen "Henan Link Global Logistics". Und für diese sieht sich das Schweriner Amtsgericht nicht zuständig. Somit fehlt derzeit der Zugriff auf die Flächen. Bevor jemand auf dem Flughafengelände aktiv werden kann, müssen die internationalen Verwicklungen gelöst werden. Bis dahin ruht der Flughafen Schwerin-Parchim und bietet Speditionen Platz als Zwischenlager für Neuwagen - inzwischen schon seit fast fünf Jahren.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 18.01.2024 | 19:30 Uhr

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