Situation in MV dramatisch: Neue Berufsgruppen in Pflege gefordert
In den Pflegeheimen in Mecklenburg-Vorpommern können nach Angaben von Verbänden der Pflegebranche rund 1.200 von 25.000 Pflegeplätzen nicht belegt werden. Der Grund ist Personalmangel.
Der Landesbeauftragte des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Michael Beermann, warnte auf einer Qualitätskonferenz des Verbandes in Linstow (Landkreis Rostock) vor einem Zusammenbruch der Versorgung. Dabei gebe es trotz stark gestiegener Preise regional Wartelisten für Heimplätze, sagte Dietmar Schmidt (ebenfalls bpa) in Linstow. Arbeitgeber: Neue Berufsgruppen in der Pflege benötigt
Arbeitgeber fordern neue Berufsgruppen in der Pflege
Im Gespräch bei NDR MV Live erklärt die Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbands Pflege e.V., Isabell Halletz, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber, aber auch Behörden flexibler werden müssten, um den steigenden Personalmangel auffangen zu können. "Wir werden nie mehr so viele Pflegekräfte haben, wie wir jetzt haben", so Halletz. Es fehlen einfach ausreichend junge Menschen, die die älteren Pflegekräfte, die nach und nach in Rente gehen, auffangen können. Man müsse deshalb sehen, wie auch mit weniger Pflegefachkräften eine hochwertige Pflege sichergestellt werden könne. Tätigkeiten müssten neu verteilt werden, es bräuchte neue und andere Berufsgruppen in der Pflege selbst.
Zuwanderung von Pflegekräften wird immer wichtiger
Besonders bei der Rekrutierung von potentiellen Arbeitskräften aus dem Ausland müssten zudem Arbeitgeber als auch Behörden flexibler werden. Es müsse überlegt werden, so Halletz, wie bei der Einwanderung und bei der Erteilung von Arbeitserlaubnissen unbürokratischer und schneller entschieden werden kann. Eine Sicherheit in diesem Zusammenhang wäre sowohl für Arbeitnehmer aus dem Ausland als auch für Arbeitgeber hierzulande mehr als wichtig. Zu überlegen wäre auch, wie man Geflüchtete bei der Ankunft in Deutschland in die Pflegeausbildung bekommen könnte.
Lage in ambulanter Pflege noch dramatischer als in Heimen
Der angesprochene Zusammenbruch in der Pflege würde laut Halletz besonders die ambulante Pflege bedrohen. In der stationären Pflege würde demnach ein größerer Personalpool und eine komplexere Versorgungssituation zur Verfügung stehen. Kleinere ambulante Pflegedienste mit weniger Arbeitnehmern könnten bei einem Personalausfall nicht schnell genug reagieren und müssten Pflegeeinsätze absagen oder im schlimmsten Fall Pflegeverträge kündigen - vor allem in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern, wo oftmals weite Strecken zurückgelegt werden müssten: "Das ist dann schon dramatisch. Denn es kann ja nicht davon abhängen, wo ich wohne, ob ich jetzt tatsächlich gut versorgt werden kann oder nicht", so Halletz.
Kapazitätsabbau bei Pflegeplätzen trotz Wartelisten
"Insolvenzen und ein stiller Kapazitätsabbau in allen Bereichen der Pflege sorgen dafür, dass Pflegebedürftige und ihre Familien längst nicht mehr die Versorgung finden, die sie brauchen", so Beermann. Auch viele ambulante Dienste müssten demnach ihre Kapazitäten reduzieren. Er forderte den Angaben zufolge Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung der Branche.
Streit um Refinanzierung der Kosten
Dazu zählten unter anderem schnellere Verhandlungen mit den Kostenträgern bei Kostensteigerungen und die Berücksichtigung angemessener Auslastungsquoten. "Wenn die Kostenträger mit einer Belegung der Einrichtungen von 98 Prozent rechnen, wir aber nur noch rund 92 Prozent der Plätze nutzen können, gerät die gesamte Finanzierungssystematik aus den Fugen", erklärte Beermann. Damit entstünden den Einrichtungen zusätzliche Schwierigkeiten. Unter den unzureichenden Refinanzierungen ihrer Arbeit durch die Kostenträger würden auch die ambulanten Dienste leiden.
Statistisches Bundeswamt warnt vor riesiger Personallücke
Laut Statistischem Bundesamt könnte sich in Deutschland der Bedarf an Pflegekräften bis zum Jahr 2049 insgesamt auf rund 2,15 Millionen belaufen. Die Versorgungslücke im Pflegebereich insgesamt könnte sich demzufolge bis 2049 auf 280.000 bis 690.000 fehlende Pflegekräfte ausweiten (siehe Grafik oben). Die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes basieren dabei auf der Anzahl an Pflegekräften im Jahr 2019, die bei rund 1,62 Millionen lag. Laut Statistischem Bundesamt wurden bei der Trend-Prognose die positiven Trends am Pflegearbeitsmarkt aus den 2010er-Jahren berücksichtigt, während die Status quo-Variante ausschließlich die Auswirkungen der demografischen Entwicklungen einbezieht.