Rückzahlung von Corona-Hilfen: "Ich bin wütend und verzweifelt"
An den Verwaltungsgerichten in Greifswald und Schwerin sind aktuell 239 Klagen von Unternehmern anhängig, die gegen die Rückforderungen der Corona-Soforthilfen vorgehen. Rund 2.500 Widersprüche liegen gegen die Bescheide vor.
Insgesamt hat das Landesförderinstitut (LFI) rund 19.600 Rückforderungsbescheide verschickt. Bei 54.000 bewilligten Anträgen betrifft es also mehr als jeden dritten. Als Gründe für die Rückforderungen werden beispielsweise fehlende Antragsberechtigungen oder Endabrechnungen angeführt. Bei den Corona-Soforthilfen habe sich herausgestellt, dass der Liquiditätsengpass geringer gewesen sei als angenommen, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium.
Unternehmer: Land hat die Spielregeln im Nachhinein verändert
Unternehmer kritisieren, dass das Land seine Spielregeln geändert habe. Die Vergabepraxis habe sich von großzügig im März 2020 hin zu einer deutlich verschärften Rückforderungspraxis verändert, kritisiert der Greifswalder Verwaltungsrechtler Jost von Glasenapp. Er vertritt mehrere Mandanten in Widerspruchs- und Klageverfahren. Ein Beispiel: Statt punktuelle Liquiditätsengpässe zu betrachten, werde jetzt ein Gesamtzeitraum von drei Monaten für die Frage zugrunde gelegt, ob man überhaupt Liquiditätsengpässe gehabt habe.
Kleine Unternehmen trifft die Rückzahlung hart
"Ich bin wütend, enttäuscht, verzweifelt", sagt Hedeer Heims, Friseurmeisterin aus Greifswald. Sie habe im März 2020 die Corona- Soforthilfe beantragt mit dem Wissen, dass sie das Geld nicht zurückzahlen müsse. Ihr Geschäft, das sie erst im Herbst 2019 eröffnet hatte, musste sie damals für drei Monate schließen. "Ich habe das Geld eingesetzt für Miete und laufende Kosten wie Strom, Internet, Wasser, Telefon", sagt sie. Aber nachdem der dreimonatige Lockdown zu Ende war, habe sie durch Mehrarbeit Gewinn gemacht. Und diese Gewinne habe das Landesförderinstitut gegen die 9.000 Euro Soforthilfe aufgerechnet, so dass das LFI im März 2024 einen Anspruch in Höhe von null Euro angesetzt hatte.
Unternehmer stottern Rückzahlung in Raten ab
Die Soforthilfe sollte Heims binnen sieben Wochen zurückzahlen. "Für ein kleines Unternehmen wie mich ist das nicht möglich", sagt sie. Sie stottert den Betrag nun in Raten ab. Noch immer findet die Friseurmeisterin die Rückzahlung nicht gerechtfertigt. Doch einen Anwalt will sie sich nicht nehmen, weil sie die Ausgaben mit 300 bis 400 Euro pro Anwaltsstunde eigenen Angaben zufolge nicht tragen kann und ihr das Risiko auch zu hoch sei.
Bislang alle Klagen in MV erfolglos
Der Großteil der 239 Klagen wurde bislang noch nicht verhandelt. Bei den verhandelten Verfahren wurden die Klagen entweder von den Gerichten abgewiesen, von LFI und Kläger als erledigt erklärt oder die Klage wurde zurückgezogen. Bislang hat das LFI rund 174 Millionen Euro aus den Corona-Hilfspaketen zurückgefordert. Etwa 101 Millionen Euro wurden nach Angaben des Wirtschaftsministeriums inzwischen zurückgezahlt.
Anwalt: Rückforderungspraxis zerstört Vertrauen in den Staat
Der Anwalt Jost von Glasenapp will für seine Mandanten weiterkämpfen. Das Ganze habe auch eine politische Dimension. "Die Menschen verlieren das Vertrauen in die Zusagen des Staates", sagt er. Sie seien dem Staat gefolgt bei den Corona- Schutzmaßnahmen. Jetzt, wo alles vorbei sei, werde auf einmal das, was ihnen dafür angeboten wurde, durch eine verschärfte Rückforderungspraxis wieder weggenommen. "Das ist etwas, was Vertrauen missbraucht, und das halte ich gerade für besonders gefährlich. Und mir wäre es besonders wichtig, dass der Staat Vertrauen herstellt und nicht zerstört."
Hedeer Heims hat für sich beschlossen: "Wenn noch mal sowas passieren würde und mir versprochen würde von der Politik, ich würde wieder Hilfe bekommen, ich würde es nicht annehmen."